Biohandel

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Wie Einzelhändler das Potenzial von Öl-Spezialitäten voll ausschöpfen können

Die hohe Inflation hat auch bei Öl-Spezialitäten zu einer Kaufzurückhaltung der Kundinnen und Kunden geführt. Doch innovative Lösungen und kundenorientierte Ansätze versprechen Hoffnung.

Die Umsatzentwicklung bei Öl-Spezialitäten motiviert Bio-Fachgeschäfte im Moment vielleicht nicht gerade dazu, in diesem Sortiment aktiver zu werden. Um 15,4 Prozent gingen die Umsätze zwischen Januar und Dezember 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück. Denn die Kundinnen und Kunden halten wegen der hohen Inflation bei Lebensmitteln ihr Geld weiterhin zusammen.

Dennoch geht hier noch etwas. „Diese Kategorie läuft bei uns sehr gut“, erklärt Torsten Pelikan, Geschäftsführer von Globus-Naturkost. Und das, obwohl die Kundschaft in Eberswalde überwiegend nicht zu den Besserverdienenden zählt. Wie das? Für Pelikan ist wichtig, dass die Hochwertigkeit der Öl-Spezialitäten wirklich gut sichtbar wird. Darum hat er sie bei den Speiseölen mittig und in Augenhöhe in voller Breite platziert.

Anbieter raten dazu, die Öl-Spezialitäten bei der Feinkost unterzubringen. Im Regal werden sie dann nach Anbietern sortiert – jeweils im Block. Eine weitere Möglichkeit ist, sie nach Ursprung und Saaten zu platzieren, erklärt Eva Kiene, Pressesprecherin von Rapunzel.

Sesamöl ist besonders vielseitig einsetzbar, da es ja auch in die Pfanne darf. Eva Kiene empfiehlt, es auch zu den Asia-Produkten zu stellen. Geröstetes Sesamöl eigne sich zudem für Aktionen und könne zum Beispiel zusammen mit Salat- und Wok-Zutaten angeboten werden, rät Philip Peters, Vertriebsleitung D-A-CH bei TerraSana.

Öl-Sorten jahreszeitlich wechseln

Große Läden haben hier natürlich mehr Möglichkeiten, in die Breite zu gehen. Aber auch mittlere und kleine Läden können auf ihre Kosten kommen. Eine Möglichkeit ist, die Öl-Spezialitäten jahreszeitlich rotieren zu lassen. Im Frühjahr und Sommer kommen Öle ins Regal, die sich besonders für Salate und Gemüsegerichte eignen, zum Beispiel Inkanuss-(Sacha-Inchi-), Avocado-, Senf- und Kürbiskernöl sowie ein Nussöl.

Hasel- und Walnussöle passen in die kühlere Jahreszeit, ebenso Mohn-, Mandel-, und Kirschkern- sowie Aprikosenkernöl. Alle werden auch an warme Speisen gegeben und eignen sich zum Aromatisieren von Backwaren. Kürbiskernöl ist im Herbst als Klassiker zur Kürbissuppe ebenfalls ein „Muss“. Entsprechend lassen sich thematische Aktionen planen, die den Umsatz zusätzlich ankurbeln. Im Frühjahr und Sommer ist natürlich Grillen und Garten angesagt – mit den passenden Ölen.

Weiteren Umsatz ermöglicht eine Zweitplatzierung. Einige Anbieter bieten schöne Displays an, die direkt neben das Öl- oder Feinkostregal gestellt werden. Sommerliche Spezialitäten eignen sich auch zur Zweitplatzierung beim Salat und Gemüse. Kürbiskernöl kommt im Herbst natürlich zum Kürbis, und die winterlichen Öle zu den Backwaren.

Um neue Kunden zu gewinnen, sind Probieraktionen wichtig. „Wir raten dazu, die Öle auf einem Tisch mit anderen passenden Produkten, idealerweise in kleinen Schälchen zum Probieren, serviert mit etwas Brot, anzubieten“, rät Stephanie Heim, Teamleitung Marketing & Design bei Govinda Natur. Schön ist es auch, dazu passende Produkte zu stellen. So bietet etwa Ölmühle Fandler ein Haselnussmehl an, gewonnen aus dem Presskuchen des Haselnussöls.

Personal auch zum Preis schulen

Am Probiertisch können die Mitarbeitenden auch am besten mit den Kunden ins Gespräch kommen. Vis-a-vis lässt sich etwa erklären, wie der eher hohe Preis zustande kommt. Ein Argument, das Mitarbeitende parat haben sollten, können die enormen Rohstoffmengen sein, die nötig sind, um die feinen Öle zu pressen. So werden für einen Liter Kürbiskernöl die Kerne von bis zu 35 Kürbissen (à 2,5 Kilo) benötigt, und für einen Liter Mandelöl 2,5 Kilo geschälte Mandeln. Vermitteln lässt sich aber auch, dass sie geschmacklich sehr intensiv und damit ergiebig sind und in der Küche darum nur geringe Mengen benötigt werden.

Wichtig ist also, dass das Verkaufspersonal gut Bescheid weiß. „Wir haben kürzlich Aufbauarbeit in Sachen Produktinformationen geleistet, damit die Kunden bestmöglich beraten werden“, erklärt Corinna Gutmann von der Ölmühle Fandler. So hat das österreichische Unternehmen etwa die Etiketten erneuert und jeder Sorte in der Farbe des jeweiligen Öls ein Gesicht gegeben und kommuniziert insbesondere die Vorteile von kalt gepressten Ölen.

Bio Planète bietet eigene Schulungen rund ums Öl für spezielle Bio-Fachgeschäfte an, die sich „Ölkompetenzladen“ nennen. Via Verzeichnis, das im Internet auf der Website veröffentlicht wird, können die Läden von den Kundinnen und Kunden gefunden werden.

Tipps vom Kollegen

Torsten Pelikan, Globus-Naturkost in Eberswalde (350 qm)

  • Unsere Auswahl an Spezialitäten-Ölen ist sehr groß. Gerade im Frühling, wenn alle Lust auf Salate und Gemüse haben, kommt das sehr gut an.
  • Um die Vielfalt zu zeigen, haben wir uns für insgesamt fünf Marken entschieden. Eine Marke ist mit vielen tollen Sorten breiter aufgestellt. So kommt optisch Ruhe ins Regal.
  • Die Öle verkaufen sich vor allem über den Geschmack, Gesundheitsargumente sind für den Kauf nicht so entscheidend. Darum machen wir regelmäßig Verkostungen – und geben zugleich immer einen Rabatt dazu. Das funktioniert sehr gut.

Basiswissen über Öl-Spezialitäten

Aprikosen, Kirschen, Kürbis, Sesam, Senf, Avocados, Hasel- und Walnüsse, Mohn, Mandeln und Macadamianüsse – all diese pflanzlichen Lebensmittel kennen Ihre Kundinnen und Kunden natürlich. Doch wissen sie auch, dass es köstliche Öle aus genau diesen Rohwaren gibt? Sofern nicht, dann wird es Zeit! Denn die Öl-Spezialitäten sind nicht nur lecker und gesund. Damit kann sich auch jedes Biofachgeschäft profilieren.

Öl-Spezialitäten heißen sie deshalb, weil es sich dabei eben nicht um die Basics aus Raps und Sonnenblume handelt, sondern um feine Öle in kleinen Flaschen oft aus erster Pressung. Das bringt ein Feuerwerk an Aromen mit sich: Sesam-, Walnuss- und Kürbiskernöl schmecken schön nussig, Senföl hat eine scharf-würzige Note, Haselnussöl mundet leicht nach Nougat und Aprikosenkern- und Mandelöl duften und schmecken nach Marzipan und Amaretto.

Die Öl-Spezialitäten sind nicht zum Kochen gedacht, sondern eher das I-Tüpfelchen auf Salaten, Gemüsegerichten, Saucen und Suppen und sogar zu Desserts. Damit sollte auch gar nicht gegart werden. So bleiben die Aromen und vor allem die empfindlichen Fettsäuren am besten erhalten. Die meisten dieser Öle verbrennen bei hohen Temperaturen, da sie einen niedrigen „Rauchpunkt“ haben. Darum werden die Spezialitäten am besten kalt verwendet oder ganz zum Schluss an warme Speisen gegeben. Sesam- und Erdnussöl sind allerdings etwas belastbarer, da sie einen höheren Rauchpunkt haben. Sie können also – mit Ausnahme von bereits geröstetem Sesamöl – auch zum Dünsten in Topf und Pfanne und im Wok verwendet werden.

Alle Öle werden durch Pressen gewonnen. Anders als etwa beim Olivenöl werden aber nur einzelne Teile der Pflanze verwendet, eben Samen, Nüsse und Kerne. Deshalb ist die Ausbeute geringer und der Preis höher als der der Basic-Öle. Im Zuge der Herstellung werden die Rohstoffe je nach Art getrocknet, eventuell von der Schale befreit, zerkleinert und bei Bedarf mit etwas Wasser gemischt. Anschließend kommt alles in die Ölpresse. Verwendet werden sogenannte Schnecken- und Spindel- sowie Stempelpressen. Damit sich die Trübstoffe absetzen, wird das Öl nach dem Pressen noch eine Weile stehen gelassen, oder es wird filtriert.

Das garantiert beste Öl-Qualität

Wichtig ist, dass die empfindlichen Fettsäuren geschützt werden. „Während der gesamten Verarbeitung wird sichergestellt, dass so wenig Sauerstoff wie möglich ins Öl gelangt, was zu einer qualitätsmindernden Oxidation führen würde“, betont Liane Maxion, Vorstand bei Naturata. Die Öle müssen außerdem in Flaschen aus dunklem Glas abgefüllt werden, so kann das Sonnenlicht die Fettsäuren nicht schädigen.

Öl-Spezialitäten aus dem Bioladen sind immer „kalt gepresst“. Nach den Leitsätzen für Speisefette und Speiseöle heißt das, sie werden „ohne Wärmezufuhr ausschließlich durch mechanische Verfahren gewonnen“. Kalt gepresst bedeutet aber nicht, dass es im Zuge der Herstellung keinerlei Wärmeentwicklung gibt. Durch Mahl- und Pressvorgänge entsteht immer eine gewisse Temperaturerhöhung, die aber meist unter oder bei 40 Grad liegt. Das entspricht etwa den Temperaturen, denen auch Rohkost ausgesetzt werden kann.

Auch eine Vorbehandlung mit Hitze wie das Rösten ist bei kalt gepressten Ölen erlaubt. Einige Kürbiskern-, Sesam- und Erdnussöle werden aus gerösteten Kernen bzw. Saaten hergestellt. So intensiviert sich das Aroma. Diese Öle dürfen dann aber nicht den Zusatz „nativ“ tragen. Dies ist Ölen vorbehalten, deren Rohstoffe zu keinem Zeitpunkt erhitzt werden.

Was Kunden wissen wollen

Können auch Bio-Pflanzenöle mit Mineral­ölen belastet sein?
Rückstände von Mineralölen sind ein generelles Problem in Pflanzenölen. Sie können sogenannte MOSH und MOAH enthalten, die sich im Körper anreichern und teils krebserregend sind. Ins Öl gelangen sie über Maschinen, die bei der Ernte und Herstellung eingesetzt werden. Die Nachfrage von BioHandel ergab, dass alle hier vorgestellten Anbieter regelmäßig Untersuchungen durchführen und an Lösungen arbeiten.

Wie lange halten sich die Öl-Spezialitäten?
Ungeöffnet sind sie in der Regel mindestens ein Jahr haltbar. Einmal geöffnet, lassen sie sich noch monatelang verwenden, sofern sie vor Wärme, Luft und Licht geschützt sind.

Wie kann man sie noch verwenden?
Mandel-, Mohn-, Sesam-, Granatapfelkern- und Walnussöl sind gute Hautpflegemittel, vor allem bei trockener Haut. Sie kurieren kleine Risse, fördern die Durchblutung und versorgen die Haut mit Fett. Wenn man sie in der Hand mit ein wenig warmem Wasser zu einer Emulsion vermischt, ziehen sie besser ein.

Öl-Spezialitäten aus dem Bio-Fachgeschäft werden zu keinem Zeitpunkt raffiniert, entsäuert oder entschleimt, was nach den Leitsätzen für Speiseöle grundsätzlich möglich ist. Gut so, denn Aromen und Teile der hitzeempfindlichen Nährstoffe wie Vitamine, Enzyme und sekundäre Pflanzenstoffe leiden darunter. Natürlich kommen die Rohstoffe bei Bio aus kontrolliert biologischem Anbau. Einige Öle werden sogar aus Demeter-Rohstoffen gepresst, etwa die Kürbiskernöle der Anbieter Naturkraftwerke und Allgäuer Ölmühle, ebenso das Sesam- und Kürbiskernöl von Naturata.

Oft stammen die Rohstoffe aus regionalem, heimischem oder europäischem Anbau. Senfsaat etwa kommt teils aus Deutschland, Kürbiskerne werden aus Österreich und Walnüsse aus Moldawien bezogen. Oft stehen langjährige Partnerschaften mit Landwirten dahinter. Fairness bei der Bezahlung der Rohstoffe und auch in Krisenzeiten, wie derzeit, werden großgeschrieben. So sind die Produkte für Mensch und Umwelt gesund.

Apropos: Alle Öl-Spezialitäten sind besonders gesundheitsfördernd. Zwar liefern sie wie jedes Öl viel Fett und damit reichlich Kalorien. Doch es sind primär gesunde einfach- und mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie Omega-3- und Omega-6 Fettsäuren, die der Körper nicht selbst herstellen kann. Sie sind gut für Herz und Gehirn und auch Bestandteil vieler Körperzellen. Die Öle liefern auch sekundäre Pflanzenstoffe und Vitamin E, die als Antioxidantien wirken und somit vor Krebs schützen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät darum, den ungesättigten Fettsäuren aus pflanzlichen Ölen den Vorzug zu geben.

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