Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Knappe Rohstoffe, viele Spenden

Wie Bio-Unternehmen vom Ukraine-Krieg betroffen sind – und wie sie helfen

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine trifft auch das Geschäft der Bio-Unternehmen. Sie schließen Standorte und haben Schwierigkeiten, an Rohstoffe zu kommen. Alle jedoch eint die Solidarität mit der Ukraine. Die Hilfsaktionen aus der Branche sind beeindruckend.

Seit mehr als zwei Wochen führt Russland Krieg gegen die Ukraine – und ein Ende ist bislang nicht Sicht. Neben den umfangreichen wirtschaftspolitischen Sanktionen westlicher Staaten gegen Russland, drosseln immer mehr Unternehmen seit dem Beginn der Invasion am 24. Februar ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in oder mit Russland oder stellen diese komplett ein. Darunter große Lebensmittelhersteller wie Danone, Nestlé, Coca-Cola oder Schokoladenhersteller Lindt.

Ende vergangener Woche kündigten Lidl und Kaufland an, Produkte, die in Russland hergestellt wurden, aus dem Sortiment zu nehmen. Zuvor gab Rewe die Auslistung russischer Waren in allen Rewe- und Penny-Märkte bekannt. Ebenso Netto. Aldi entfernte russischen Schnaps aus den Regalen.

Auch Bio-Fachhandelsmarken reagieren auf die Situation. Der Naturkosmetikhersteller Weleda hat die Belieferung seiner russischen Niederlassung in Moskau gestoppt, alle Marketingaktivitäten in Russland eingestellt und den Online-Shop dort geschlossen. „Weleda verurteilt die kriegerische Handlung des russischen Regimes und möchte sich mit diesem Schritt für ein Ende des Krieges einsetzen“, teilt das Unternehmen mit.

In Russland werden vor dem Hintergrund des Krieges aktuell keine Bestellungen platziert.

Egesun

Auch TK-Hersteller Followfood stoppte aus Solidarität zur Ukraine den Betrieb seiner Fischfabrik rund 1.000 Kilometer nordwestlich von Moskau, wie das Handelsblatt berichtete. Speiseöl-Hersteller Bio Planète und das Naturkosmetikunternehmen Laverana setzten derweil Warenlieferungen nach Russland vorerst aus. „Wir haben seit Beginn des Ukraine-Krieges keine Lieferungen nach Russland getätigt“, teilt Laverana mit.

Das Bio-Handelshaus Alnatura wiederum bezieht laut eigenen Aussagen keines seiner Alnatura-Produkte aus Russland. Dort prüfe man aber aktuell, „ob und gegebenenfalls welche einzelnen Rohstoffe und Zutaten unsere Herstellerpartner aus russischer Landwirtschaft beziehen. Diese Rohwaren werden wir baldmöglichst durch andere Herkünfte ersetzen“.

Morgenland-Produzent Egesun teilt mit: „In Russland werden vor dem Hintergrund des Krieges aktuell keine Bestellungen platziert“. Weniger eindeutig ist die Situation bei dem Wasch- und Putzmittelhersteller Sodasan. Dort sei der Status der weiteren Beziehung zu Kunden in Russland derzeit noch unklar, so Co-Geschäftsführerin Kerstin Stromberg. „Wir hatten bisher keinen Kontakt, der eine Perspektive auf eine weitere Geschäftsbeziehung ausschließt oder befürwortet.“

Wenige Bio-Exporte nach Russland und in die Ukraine

Die wenigsten Hersteller, die BioHandel befragt hat, exportieren ihre Produkte nach Russland oder in die Ukraine. Und für die, die es tun, und hierauf aktuell verzichten, hat das zwar spürbare, aber keine gravierenden Folgen. Bei Sodasan etwa betrug das Umsatzvolumen in den beiden Ländern im vergangenen Jahr etwa fünf Prozent; „die wirtschaftlichen Folgen sind also nicht unerheblich, aber dennoch überschaubar“, so Kerstin Stromberg. Den gleichen Anteil am Umsatz macht das Russlandgeschäft bei Followfood aus.

Ein ähnliches Bild bei Weleda: 2020 trug der Verkauf in Russland (8,2 Millionen Euro Umsatz) und der Ukraine (1,8 Millionen Euro Umsatz) etwas mehr als zwei Prozent zum Gesamtgeschäft des Naturkosmetikherstellers bei. Weleda betreibt neben dem russischen Standort auch einen Stützpunkt in der Ukraine. Die Gehälter für dortige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden zunächst weiterbezahlt, teilt Tobias Jakob, Global Communications bei Weleda, auf BioHandel-Anfrage mit. Auch Followfood bezahle seine Mitarbeiter zunächst weiter, schreibt das Handelsblatt.

Stärker als der Export von Waren leidet der Import von Rohstoffen, insbesondere aus der Ukraine, wo die Versorgung der eigenen Bevölkerung absolute Priorität hat. Laut des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) war das Land 2019 mengenmäßig der zweitgrößte Lieferant von ökologisch erzeugten Agrarprodukten in die Europäische Union. „Dabei handelt es sich hauptsächlich um Getreide, Ölsaaten und Ölpresskuchen“, schreibt das BMEL in seinem „Länderbericht Ukraine“ von Mai 2021.

Bio-Rohstoffe aus der Ukraine sind schwer zu beschaffen

„Die Belieferung aus der Ukraine kann derzeit nicht verlässlich bestätigt werden“, heißt es bei Hersteller Egesun, der von dort verschiedene Hülsenfrüchte, Walnüsse, Hirse und Buchweizen bezieht. Zudem komme es aktuell „zu erheblichen Störungen bei den Anlieferwegen, unter anderem weil die Lkw vor diversen geschlossenen Grenzen stehen“.

Der Biomarkt-Verbund bezieht aus der Ukraine und Russland indirekt Rohwaren, die in Produkten verarbeitet sind. Ralf Schwarz, Leitung Warenmanagement, beobachtet eine erhöhte Nachfrage nach Bio-Rohwaren wie Nüsse, Hirse, Hülsenfrüchte oder Pilzen aus den beiden Ländern, was ihm zufolge „zum Teil auch auf erste Engpässe im konventionellen Handel zurückzuführen ist“. Bei Rapunzel wiederum kommt aktuell keine Leinsaat aus der Ukraine an, teilt Pressesprecherin Eva Kiene mit.

Auch TK-Hersteller Ökofrost berichtet von Beschaffungsschwierigkeiten bei Rohstoffen aus der Ukraine. Allerdings gebe es diese schon seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie, teilt Pressesprecherin Annette Mörler mit. „Wir rechnen damit, dass sie sich jetzt noch verschärfen, können aber das Ausmaß nicht absehen.“

Zahlreiche Naturkosthersteller gehen davon aus, dass die ohnehin schon stark gestiegenen Preise für Energie, Verpackungsmaterial und die Beschaffung von Rohstoffen durch den Krieg noch weiter zulegen werden. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke verteuerten sich im Februar nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts um 5,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Russland kündigte diese Woche an, bis Ende Juni keinen Weizen mehr zu exportieren, was den Preis für Weizenprodukte weiter steigen lässt.

Verbraucher hamstern Mehl und Öl

Bereits Anfang März gab es Warnungen, dass Sonnenblumenöl knapp werden könne. „Mittelfristig wird es zu Problemen kommen, weil die Ukraine der weltweit wichtigste Exporteur von Sonnenblumenöl ist", sagte ein Sprecher des Verbandes der ölsaatverarbeiteten Industrie in Deutschland (Ovid). Etwas mehr als die Hälfte der weltweiten Exporte an Sonnenblumenöl kommen demnach aus der Ukraine, rund ein Viertel stammen aus Russland.

In Deutschland führte das zuletzt zu Ausverkäufen bei einigen LEH- und Discounter-Märkten. Der Discounter Norma wirbt aktuell mit Bio-Sonnenblumenöl aus Deutschland. Auch Mehl wird wieder, wie zu Beginn der Corona-Pandemie, verstärkt von Haushalten gehortet.

Während manche Verbraucher hierzulande wieder hamstern, kämpft die Bevölkerung in der Ukraine nicht nur gegen russische Soldaten, sondern auch darum, die Lebensmittelversorgung im Land aufrechtzuerhalten. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir berichtete Ende vergangener Woche von zerstörten Getreidespeichern, Produktionsanlagen und Transporteinrichtungen sowie blockierten Bahnhöfen und Häfen in der Ukraine. Die russischen Angriffe auf diese Infrastruktur richteten sich ganz gezielt gegen die Lebensmittelversorgung der Menschen in der Ukraine, so Özdemir.

Wie die Bio-Branche den Menschen in und aus der Ukraine hilft

Um den Millionen Menschen vor Ort und auf der Flucht zu helfen, engagieren sich die Naturkost- und Naturwarenhersteller auf unterschiedlichste Art. „Wir haben uns an verschiedenen Hilfskonvois beteiligt und bereits mehrere Paletten Lebensmittel für die Bevölkerung der Ukraine zur Verfügung gestellt. Das werden wir auch weiterhin tun“, teilt Charlotte Ruck, Marketingleiterin bei der Spielberger Mühle, mit.

Mitarbeitende der Molkerei Berchtesgadener Land fuhren Hilfsgüter einer privaten Spendenaktion in die Ukraine und ins polnische Grenzgebiet. Das Unternehmen stellte die Fahrzeuge und beteiligt sich darüber hinaus an anderen Hilfsaktionen.

35.000 Naturkosmetik-Produkte

Aus der Region Hannover brachten Lkw der Spedition Köster & Hapke 35.000 Pflegeprodukte von Laverana zum Zentrallager der gemeinnützigen Spendenplattform Innatura in Köln. „Uns ist es wichtig, in so einer dramatischen Situation schnell und unbürokratisch helfen zu können. Innatura ist durch ein internationales Netzwerk in der Lage, die benötigten Sachspenden an registrierte Einrichtungen sofort zu vermitteln und kann damit Hilfslieferungen dorthin versenden, wo sie aktuell am dringendsten benötigt werden“, teilt Laverana-Gesellschafterin Claudia Haase mit. Weitere 3.000 Produkte des Naturkosmetikherstellers gingen an ein Flüchtlingsauffanglager in Polen. Weleda spendete 100.000 Euro an verschiedene Hilfsorganisationen, „großteils in Form von Geld, teilweise aber auch in Form von Weleda-Produkten”, teilt das Unternehmen mit.

Palettenweise Lebensmittel

Riegel, Milchalternativen, Kekse und Müsli – über 160 Paletten Ware hat die Allos Hof-Manufaktur mit Lkw auf den Weg über Polen in die Ukraine gebracht, teilt Geschäftsführer Eicke Mehlhop mit. „Unsere Kolleginnen und Kollegen aus den Niederlanden senden uns weitere 15 Paletten Lebensmittel zum Weitertransport“, so Mehlhop. 20 Paletten Gemüsebrühe der Allos-Marke Little Lunch wurden über das Landwirtschaftsministerium an Bedürftige geliefert.

Rapunzel stellte palettenweise Schokolade für einen Hilfstransport in den Westen der Ukraine bereit. Ökofrost unterstützte den Verein Ukraine-Hilfe Berlin mit Geldspenden und steht aktuell in Kontakt mit der Berliner Tafel, die bei der Erstversorgung von Flüchtlingen hilft. „Bei Tiefkühlprodukten sind Warenspenden nicht so einfach und müssen logistisch Sinn machen”, erläutert Annette Mörler.

Spendenboxen in Reformhäusern

In Reformhäusern und Apotheken haben der Tee- und Arzneimittelhersteller Salus und die Münchner Druckerei Crossover Spendenboxen aufgestellt. Das gesammelte Geld soll an die Aktion Deutschland Hilft gehen, teilt das Unternehmen mit. Darüber hinaus unterstützen das Unternehmen Salus, die Gesellschafter und die Geschäftsführer verschiedene Hilfsorganisationen mit einer Spendensumme von 90.000 Euro. Der Berliner Bio-Produzent und Lieferservice Ökodorf Brodowin will drei Prozent seiner Umsatzerlöse im Zeitraum vom 14. bis 20.3.2022 an die Bürgerstiftung Barnim-Uckermark spenden.

Arbeitsplätze für Geflüchtete

Mitarbeitende des Öl-Herstellers Bio Planète haben am Firmenstandort in Klappendorf eine Sammelstelle für Sachspenden eingerichtet und die ersten Pakete an Hilfsorganisationen übergeben. „Darüber hinaus stehen wir mit unseren langjährigen Vertriebspartnern in der Ukraine und Polen beinahe täglich in Kontakt und unterstützen sie, wo immer es möglich ist”, teilt das Unternehmen mit. Egesun hilft derweil mit Care-Paketen für Lkw-Fahrer aus Kirgistan, die nach Angaben des Unternehmens „weitaus länger als üblich unterwegs sind“. Außerdem bietet Egesun Arbeitsplätze für Geflüchtete an.

Gemeinschaftsaktionen

Mit Sach- und Lebensmittelspenden im Wert von 100.000 Euro hat der Biomarkt Verbund auf einen Spendenaufruf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und des ukrainischen Landwirtschaftsministeriums reagiert. An die Aktion des BMEL angedockt ist auch eine gemeinsame Initiative des Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) und des Vereins Kultur für humanitäre Hilfe.

Sodasan steuerte Warenspenden im Wert von 30.000 Euro bei. Die Bio-Kette Superbiomarkt aus Münster spendet pro verkauftem „Friedensbrot“ – ein Roggenbrot mit dem Peace-Zeichen – einen Euro an den Verein Kultur für humanitäre Hilfe. „Nach nur sechs Tagen ist die Verkaufsmarke von über 1.000 verkauften Broten bereits geknackt worden“, teilte das Unternehmen am Freitag mit.

Auch Alnatura, deren Filialen bereits lokale Hilfsaktionen unterstützen, beteiligte sich an der Initiative aus der Bio-Branche. „Als erste Maßnahme haben wir einen Lkw aus unserem Verteilzentrum in Lorsch auf den Weg zum Sammelpunkt geschickt”, teilt eine Alnatura-Sprecherin mit. An Bord: 31 Paletten Lebensmittel und 50 Kilogramm Kindertextilien.

All das reicht noch nicht aus, um die Millionen Menschen in der Ukraine und auf der Flucht zu versorgen. Hilfsorganisationen wie der BNN-Partner Verein Kultur für humanitäre Hilfe benötigen deshalb weiterhin die Unterstützung aus der Bio-Branche.

Möglichkeiten für Spenden an die Menschen in der Ukraine

Verein Kultur für humanitäre Hilfe e.V. (Vorsitz: Michael Diestel, Stefan Kritzer)
Sparkasse Bad Neustadt
IBAN DE39 7935 30900000 5579 34
Verwendungszweck: „Deine Ukraine Hilfe“
Für Spendenquittungen bitte auch E-Mailadresse angeben
Kontakt: deine-ukraine-hilfe@fuerev.de

Eine Liste mit weiteren Hilfsorganisationen hat die GLS Bank hat auf ihrer Webseite zusammengestellt.

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