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Strafzahlung bei zu wenig Umsatz

Wegen der Krise im Naturkostfachhandel versuchen die mächtigsten Bio-Großhändler Kosten zu sparen. Leidtragende sind kleine Läden, die abseits der Hauptlieferstrecken liegen oder Umsatzziele nicht erreichen.

Seit rund zehn Jahren betreibt Silke Buhmann im thüringischen Sonneberg den kleinen Naturkostladen „Haus an der Steinach“. Jetzt will sie den Laden schließen. Den letzten Anstoß dazu hat ihr Hauptlieferant Dennree gegeben.

Der Großhändler aus Töpen verlange einen Mindestumsatz von 800 Euro pro Woche in mindestens einer Warenkategorie, erklärt Silke Buhmann. Andernfalls müsse sie 15 Euro Strafe an den Großhändler zahlen. Sie erreiche zwar höhere Umsätze pro Woche, aber zum Beispiel nur 600 Euro bei Trockenware, 400 Euro bei Frische und 200 Euro bei Tiefkühlkost. Zusammen seien das 1.200 Euro pro Woche. Doch weil die Kriterien nicht erfüllt werden, wird dieser Einkauf mit 15 Euro bestraft. In einem Jahr wären das 780 Euro Vertragsstrafe.

Auf die Frage nach den Gründen für diese Regelung habe Dennree durchblicken lassen, dass in neue Lagerhallen investiert worden sei. Die Regale seien voll, so dass die Ware irgendwie abverkauft werden müsse. Doch dazu kann Silke Buhmann nicht allzu viel beitragen, denn auch ihr Umsatz, den sie im Wesentlichen durch 30 Stammkunden generiere, sei zuletzt nicht mehr so hoch gewesen wie in den beiden Corona-Jahren.

„Ich hatte zwar schon etwas länger mit dem Gedanken gespielt, den Laden zu schließen, aber Dennree hat den letzten Ausschlag dafür gegeben“, sagt Silke Buhmann. Sie fürchte auch, den vorgegebenen 70.000-Euro-Euro-Jahresumsatz nicht zu erreichen.

Naturkostfachhandel soll als Inflationsbremse wirken

Zu konkreten Vertragsmodalitäten wollte sich Dennree auf Anfrage von BioHandel nicht äußern. Vertriebsleiterin Susanne Morawietz-Heinrich begründet jedoch die grundsätzliche Vorgehensweise des Großhändlers: „Die Kundenzufriedenheit in den Märkten des Bio-Markt Verbunds sowie weiteren selbstständigen Naturkostfachgeschäften ist uns sehr wichtig. Angesichts steigender Kosten in fast allen Bereichen sind wir stets bemüht, ein angemessenes System für alle Beteiligten zu finden, so dass der Naturkostfachhandel weiterhin als Inflationsbremse wirken kann. Eine gemeinsame Verbesserung der Effizienz in den Logistikprozessen, wie beispielsweise durch Umfang und Häufigkeit der Lieferungen, wirkt Preissteigerungen aktiv entgegen.“

Silke Buhmann will sich jetzt wieder auf ihre Tätigkeit als Heilpraktikerin konzentrieren. Ihre Zukunft ist also gesichert, aber ein bitterer Nachgeschmack bleibt: „Die kleinen Läden haben Dennree einst großgemacht. Und jetzt werden sie mit Strafzahlungen belegt, wenn sie nicht mehr genügend zum Großhandelsumsatz beitragen“, kritisiert sie.

Eine Kundin des Ladens hatte BioHandel auf den Fall aufmerksam gemacht und geschildert, welche Folgen die Schließung für sie haben wird: „Abgesehen von der Tragödie für die Besitzerin des Ladens: Ich weiß überhaupt nicht, was ich machen soll. Es ist der einzige Bioladen im Umkreis von 40 Minuten Fahrtzeit, wo ich mit meinen zwei kleinen Kindern sicher parken kann und in dem genug Platz ist, dass sich beide dort während des Einkaufs ruhig beschäftigen können.“ Zudem sei der Laden „ein wunderbarer Wohlfühl-Ort“, wo man auch mal abseits vom Einkauf eine Anregung, einen Rat oder einfach nur ein offenes Ohr finde.

Kommunikation von Weiling wird einmal mehr bemängelt

Während Silke Buhmann die Handelsbeziehung selbst beenden will, hat Martina Möbius, Inhaberin des Bioladens Hage im gleichnamigen ostfriesischen Ort, erst gar keine Wahl: Ihr Großhändler Weiling fährt den abseits von Hauptstrecken gelegenen Standort nicht mehr an.

Die Ladnerin bringt zwar Verständnis dafür auf, dass es sich für den Großhändler vermutlich nicht rechne, für etwa 2.000 bis 2.500 Euro Umsatz pro Woche fast bis an die Nordseeküste zu fahren. Aber die Kommunikation und das Vorgehen ist für sie befremdlich: „Auf der Weiling-Hausmesse im August hieß es noch, dass der Großhändler hervorragend aufgestellt sei. Aber kurz danach sollte die Belieferung innerhalb von drei Wochen beendet werden.“

Weil Weiling nur Zweitlieferant ist, kann Martina Möbius zwar ihren Laden weiter betreiben, jedoch fehlen ihr „bei den Kunden liebgewonnene Produkte, die nicht ersetzt werden können“. Vor diesem Hintergrund stört sie auch, dass eine Schicksalsgenossin in Bad Lippspringe, die wegen kleiner Umsätze nicht mehr von Weiling beliefert wird, von Einzelhandelskollegen als „Rosinenpickerin“ bezeichnet wurde.

„Wer ein kundengerechtes Sortiment zusammenstellt, ist keine Rosinenpickerin, sondern eine verantwortungsvolle Kauffrau“, stellt Martina Möbius klar. Auch die betroffene Inhaberin des Bioladens Lindenhof in Bad Lippspringe hatte beklagt, durch die kurzfristige Änderung der Geschäftsbedingungen ihres Zweitgroßhändlers Weiling vor vollendete Tatsachen gestellt worden zu sein.

Kommentar: Wo bleibt die Kreativität?

In der derzeitigen Krise des Naturkostfachhandels ist Effizienz gefragt, um Kosten zu sparen. Der Fehler dabei ist, dass Kundenbeziehungen womöglich unnötigerweise geopfert werden. Im Fall des Bioladens Hage hätte es eine Lösung gegeben.

Wenn Weiling den Super-Biomarkt in Oldenburg beliefert, kommen seine Fahrzeuge mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Großhändler Kornkraft vorbei. Dessen Lager liegt unweit der A 29. Die wöchentlichen Colli für den Bioladen Hage könnten dort ohne großen Aufwand abgeladen und anschließend vom Hauptgroßhändler Kornkraft in die rund 11.000 Einwohner umfassende Samtgemeinde Hage mitgenommen werden.

Am Ende wären alle zufrieden: Die Kunden des Bioladens, die ihre geliebten Produkte weiterhin bekämen, der Großhändler Weiling, der diesen Umsatz wirtschaftlich und nachhaltig erzielen könnte, und der Großhändler Kornkraft, der nicht nur seiner Kundin in Hage eine große Freude machen würde, sondern auch die Speditionsdienstleistung bezahlt bekäme.

Schließlich geht es doch darum, möglichst viele Endkunden durch ein attraktives Warenangebot im Fachhandel zu halten und neu zu gewinnen. Das kann in vielen Fällen nur gelingen, wenn man bereit ist, kreativ zum Wohl der Branche zusammenzuarbeiten. Horst Fiedler

Kommentare

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Georg Rieck

Hallo ... wo sind die Kommentare von Malte u.a.???

biggi renner

Ich bin zwar nur indirekt betroffen, weil ich viele Produkte vom Hersteller beziehe, und zusammen mit dem Demeterstand Obergrashof, bei Weiling und Bodan bestellen kann, und wir so auf den von den GH GEFORDERTEN Umsatzt kommen. Finde allerdings die Vorgehensweisen sehr bedauerlich, vor allem weil ich seit 1973 in der Branche tätig bin, mit eigenem Laden, mit GH und Herstellern gearbeitet habe und die Herausforderungen kenne. Mir geht bei allen ein wenig die Kreativität verloren, und die Rücksicht auf die Bedürfnisse.
Gruß vom aromare Naturkosmetik Biggi Renner

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