Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Neue Rapunzel-Geschäftsführung

„Wir wollen unseren Mix an Vertriebswegen beibehalten“

Drei Gründer-Kinder und Margarethe Epple: Die neue Führungsriege von Rapunzel spricht im Interview über Emotionen, Reibungspunkte, Zukunftsvisionen und die Platzierung ihrer Marken-Produkte bei Feneberg, Tegut und in den Naturkindwelten von Edeka.

Seit etwas mehr als zwei Monaten lenkt ein Geschwistergespann die Geschicke von Rapunzel Naturkost. Joseph Wilhelm, der das Unternehmen vor 50 Jahren gründete, übergab die Geschäftsführung zum 1. Februar an seine Kinder. Ihnen zur Seite steht Margarethe Epple als Sprecherin der Geschäftsführung mit rund 22 Jahren Erfahrung an der Unternehmensspitze von Rapunzel.

Seither arbeiten Leonhard Wilhelm, der bereits 2019 zum Geschäftsführer aufstieg, Seraphine Wilhelm, zuvor Leiterin der Abteilung Marketing und Bio-Markt, und Rosalie Dorn, die bisher die Bereiche Finanzen, Prozesse und Nachhaltigkeit leitete, noch enger zusammen. Geht das gut?

BioHandel hat das neu zusammengestellte Lenkungsgremium am Firmenstandort in Legau im Allgäu zum Gespräch getroffen. Dabei ging es auch darum, wie das Unternehmen mit seinen Partnern im konventionellen Handel zusammenarbeitet.

Margarethe Epple, wie blicken Sie auf die ersten Monate mit der neu zusammengesetzten Geschäftsführung zurück?
Margarethe Epple: Jetzt, mit vier Geschäftsführern und ohne Joseph, mit dem ich 20 Jahre lang eng zusammengearbeitet habe, muss ich mich umstellen, aber das funktioniert. Es ist gut, dass neues Blut und neue Gedanken hereinfließen, damit sich die Firma weiterhin gut entwickeln kann. Es bereitet mir Freude, jetzt zusammen mit den Jungen die Firma zu führen. Es ist schön zu sehen, wie sie sich einbringen und diese Verantwortung ernst nehmen. Wir stimmen uns ab, tauschen uns auf Augenhöhe aus und versuchen, einen Konsens zu finden.

Gab es bereits größere Veränderungen?
Margarethe Epple: Das Unternehmen läuft weitgehend wie bisher, es gab keine großen Änderungen. Wir haben in den vergangenen Jahren viel vollbracht, sind gewachsen und haben bedeutende Investitionen getätigt. Nun konzentrieren wir uns auf das operative Geschäft.

„Wir schaffen es, uns im Alltag gut zu ergänzen.“

Gibt es zwischen den Generationen einen anderen Blick auf das Unternehmen?
Leonhard Wilhelm:
In Bezug auf Technologie fühle ich mich mit meinen 41 Jahren schon zu den Älteren gehörend, vor allem verglichen mit meiner jüngsten Schwester Rosalie, die eine große Affinität für aktuelle Technologien hat. Ich bevorzuge eher traditionelle Methoden. Es gibt also unterschiedliche Sichtweisen, aber wir schaffen es, uns im Alltag gut zu ergänzen und das Beste für das Unternehmen herauszuholen.

Leonhard Wilhelm und Seraphine Wilhelm, wie wurden Sie und Ihre Schwester Rosalie Dorn, die beim Interview nicht dabei sein kann, herangeführt an die neuen Aufgaben?
Seraphine Wilhelm: Wir sind ja in die Firma hineingeboren. Unsere Mutter hat schon damals abends immer die Rechnungen geschrieben, und Leonhard und ich durften beim Abpacken des Getreides mithelfen. Wir haben schon früh vieles mitbekommen, zum Beispiel, weil die Produktion bei uns auf dem Hof stattfand. Ich habe meine Ausbildung hier gemacht. Anschließend habe ich in den USA und in Berlin studiert und im Event-Bereich und in der Gastronomie gearbeitet. Zwanzig Jahre nach meiner Lehre füllte ich kurzeitig einen Engpass in unserer Personalabteilung, baute danach unsere Instagram-Community auf und stieg später als Assistenz der Geschäftsführung wieder ganz ins Unternehmen ein. Mein Vater hat mir mehr und mehr Verantwortung übertragen, und ich bin in diese Rolle hineingewachsen. Bald war ich für den Bau unseres Besucherzentrums, der Rapunzel Welt, verantwortlich.

Leonhard Wilhelm: 2003 habe ich bei uns angefangen, und mich vom Sachbearbeiter Rohstoffverkauf bis zum Assistenten der Geschäftsleitung hochgearbeitet. 2019 bin ich Mitglied der Geschäftsleitung geworden und genieße seitdem das Vertrauen meines Vaters. In den ersten drei Jahren in der Geschäftsleitung hatte ich außerdem das Privileg, an Coachings für Führungskräfte teilnehmen und mich selbst reflektieren zu dürfen.

Margarethe Epple: Rosalie Dorn, Josephs jüngste Tochter, hat ihre Bachelor-Arbeit über Rapunzel geschrieben, aus der unser erster Nachhaltigkeitsbericht hervorging. Außerdem hat sie einen Masterabschluss gemacht. Alle drei bringen einen großen Schatz an Wissen und Erfahrung mit. Alle haben Zeit gehabt, sich einzubringen und das Business zu verstehen, was wir hier machen.

„Jetzt ist die ganze Familie mit dem Unternehmen verbunden.“

Leonhard Wilhelm

Es gibt noch zwei weitere Geschwister. Arbeiten beide auch bei Rapunzel?
Leonhard Wilhelm: Justina, die Zweitälteste, ist unsere „Haus- und Hof-Fotografin“ und eine leidenschaftliche Köchin. Sie macht Rezepte für uns und fotografiert sie. Meike, die Mittlere, – wir sind fünf Kinder von drei Müttern –, ist im vergangenen Jahr ins Allgäu gezogen und ist jetzt Bio-Landwirtin geworden. Ursprünglich war sie Lehrerin am Bodensee und wollte jetzt zurück zum Ursprung und ist jetzt auch in der Bio-Branche angekommen. Jetzt ist die ganze Familie mit dem Unternehmen verbunden.

Arbeiten mit Vater und Geschwistern – wie läuft das?
Seraphine Wilhelm: Familienunternehmen haben oft den Ruf, emotional zu sein, und dass Entscheidungen nicht ganz logisch getroffen werden. Wir versuchen aber, so objektiv und logisch wie möglich zu sein, und miteinander und auch mit den Mitarbeitern zusammenzukommen, um Entscheidungen zu treffen oder Konflikte zu lösen. Aber man kann natürlich nicht ignorieren, dass dabei manchmal Emotionen hochkommen.

Leonhard Wilhelm: Genau, es ist wichtig, das Große und Ganze nicht aus dem Blick zu lassen. Wir sind für das Unternehmen angetreten, für die Mitarbeiter, und das bedeutet auch, sich selbst hintenanzustellen. Im Alltag kommen wir in der Regel sehr harmonisch zusammen.

Gibt es trotzdem Reibungspunkte?
Seraphine Wilhelm: Ja, auf jeden Fall. Die Emotionen führen zu Reibungspunkten, die man erstmal nicht objektiv lösen kann, und mit denen man sich erst einmal auseinandersetzen muss. Aber Margarethe ist ja auch noch da und bringt als Person außerhalb der Familie noch eine ganz andere Ruhe mit in die Runde.

Margarethe Epple: Es ist auch wichtig, dass man sich an bestimmten Punkten reibt, dass man Themen diskutiert, und dass man zu einer Lösung kommt. Das ist wichtig und gehört dazu, damit aus unterschiedlichen Meinungen etwas Neues entstehen kann.

Leonhard Wilhelm: Differenzen werden nur zum Problem, wenn man sich darüber nicht austauscht. Wir haben die letzten Jahre im Alltag schon Punkte gehabt, wo wir uns sehr gut miteinander einigen konnten.

„Die Geschäftsordnung legt fest, wie wir mit Unstimmigkeiten umgehen.“

Margarethe Epple

Ist etwas festgeschrieben für den Fall, dass es größere Differenzen gibt?
Margarethe Epple: Die Geschäftsordnung legt fest, wie wir mit Unstimmigkeiten umgehen. Unser Ziel ist es immer, einen gemeinsamen Nenner zu finden und Übereinstimmungen zu erreichen. Wenn es dennoch zu Meinungsverschiedenheiten kommt, die eine Entscheidung erfordern, kann ich als Vorsitzende der Geschäftsführung eingreifen. In dieser Rolle fungiere ich dann als Schlichterin oder Richterin über die Situation. Grundlegende Entscheidungen werden in der Gesellschafterversammlung getroffen, an der auch Joseph Wilhelm teilnimmt. Es gibt auch eine Liste von Angelegenheiten, für die wir die Zustimmung der Gesellschafter einholen müssen. So gehen wir normalerweise mit Konflikten um.

Was sind absolute No-Gos bei Rapunzel?
Leonhard Wilhelm: Es gibt einige unausgesprochene No-Gos in unserem Unternehmen. Diese Werte sind uns mit der Muttermilch vermittelt worden – sie sind ein unverzichtbarer Teil unserer Kultur und bedürfen keiner Diskussion. Zum Beispiel ist die Zusammenarbeit mit Discountern für uns undenkbar, das widerspricht komplett unserer Firmenphilosophie.

Vor rund einem Jahr wagte Rapunzel den ersten Schritt in den LEH. Die Produkte stehen seitdem in den Supermärkten der regionalen Handelsketten Feneberg und Tegut. War das eine gute Entscheidung?
Leonhard Wilhelm: Feneberg zum Beispiel ist eine absolute Erfolgsgeschichte für uns hier in der Region. Hier im Allgäu ist Rapunzel durch die Platzierung bei Feneberg bekannter denn je. Es handelt sich dabei um Zusatzverkäufe, wir nehmen also keinem Bioladen etwas weg.

Wenn Rapunzel, eine der letzten Marken, die dem Fachhandel noch treu waren, offensiv in Supermärkte geht, bedeutet das auch, dass sich der Bio-Lebensmittelmarkt signifikant verändert hat. Wie sehen Sie das?
Leonhard Wilhelm: Vor fünf Jahren hätte sich niemand vorstellen können, dass Rapunzel in den LEH geht, auch ich nicht. Wir haben bewusst entschieden, achtsam und langsam zu sein. Das Konsum- und Einkaufsverhalten hat sich in dieser Zeit stark verändert. Daher müssen wir Bio breiter verfügbar machen und die guten Händler im LEH dazu nutzen und sie unterstützen, indem wir ihnen tolle Artikel geben. Das ist der Weg.

Man muss sich nur in den eigenen Reihen umschauen: Wo kauft man heute ein? Wenn wir selbst hier in Legau keinen Bioladen hätten, wären wir auch genötigt, zum nächsten Biomarkt über 20 Kilometer zu fahren. Es ist, besonders in den ländlichen Regionen, einfach auch eine Frage der Verfügbarkeit. Damit haben wir uns ehrlich konfrontieren müssen: Die Generation, mit der Rapunzel groß geworden ist, gibt ab an uns, die nachfolgende Generation. Das Kaufverhalten ist anders als vor fünf oder zehn Jahren. Das ist unaufhaltsam.

Sollen weitere Handelspartner aus dem LEH dazukommen?
Leonhard Wilhelm: Ja, für uns ist das strategisch die beste Entscheidung für das Unternehmen, weil wir hier für 520 Mitarbeitende die Verantwortung tragen. Wenn man die Mitarbeitenden in der Türkei und von Zwergenwiese dazu zählt, sind es knapp 900. Da muss man einfach langfristig denken und handeln.

Wo gibt es Rapunzel als nächstes zu kaufen?
Leonhard Wilhelm: Dieses Jahr haben wir die Entscheidung getroffen, dass wir bei den Naturkind-Welten und Naturkind-Märkten von Edeka andocken. Wir kommen dieses Jahr in 60 bis 80 Naturkind-Welten und in einige bio-affine Edeka-Märkte, die unseren Richtlinien entsprechen. Stand heute docken wir nicht bei den Regie-Märkten an, wir sind nur bei den selbstständigen Edeka-Kaufleuten.

„Wir wollen im LEH mit denen zusammenarbeiten, bei denen Bio signifikant sichtbar ist und nicht nur als Marketing-Instrument benutzt wird.“

Leonhard Wilhelm

Wie treffen Sie die Entscheidung, mit welchem Partner aus dem konventionellen Lebensmitteleinzelhandel Rapunzel zusammenarbeitet?
Leonhard Wilhelm: Durch Solitärmarken wie Bionella haben wir bereits Erfahrung in der Zusammenarbeit mit einigen Handelshäusern aus dem LEH. Wir haben uns bewusst für den qualitativ hochwertigen LEH mit hoher Bio-Affinität entschieden. Wir wollen im LEH mit denen zusammenarbeiten, bei denen Bio signifikant sichtbar ist und nicht nur als Marketing-Instrument benutzt wird. Sondern wo Bio wirklich aus Überzeugung gelebt wird und unsere Marke verstanden wird.

Wie stellen Sie das sicher?
Leonhard Wilhelm: Das ergibt unser Vorort-Besuch. Ich war zum Beispiel auch schon mit einer Kollegin in einem Markt und habe gesagt: „Da wollen wir nie rein“. Wir sehen Rapunzel als eine Qualitätsmarke und die muss sich in einem passenden Umfeld platzieren. Und die Handelspartner, die wir jetzt schon gewonnen haben, die machen das aus reiner Überzeugung und Leidenschaft. Auch die 300 Artikel von Rapunzel und Zwergenwiese, die wir als Mindestabnahme gesetzt haben, sehen die Partner nicht als Problem, einige wollen von sich aus alle 700 Artikel von uns führen.

Welche Rolle spielt der Fachhandel für Rapunzel?
Leonhard Wilhelm: Wir sind mit unseren Produkten nicht in den LEH gegangen, weil nur noch dort Bio verkauft wird. Der Fachhandel ist noch immer unser Kerngeschäft. 95 Prozent des Marken-Umsatzes machen wir mit dem Fachhandel. Feneberg und Tegut, oder jetzt Edeka, bedeuten einen zusätzlichen Umsatz für uns. Der Fachhandel hat weiterhin seine Daseinsberechtigung. Mittel- bis langfristig wird er auf einem gewissen Niveau stehen bleiben. Für mich übernimmt er eine Rolle wie die Reformhäuser: eine Bastion für sich, mit einem Sortiment, das maßgeschneidert ist, für die Leute, die dort einkaufen und für die das Erlebnis, das besondere „gewisse Etwas“ von Bio-Märkten, wichtig ist.

„Wir wollen Mutter Erde noch grüner machen, dazu beitragen, dass es noch mehr Bio gibt auf der Welt.“

Seraphine Wilhelm

Rapunzel feiert dieses Jahr 50-jähriges Bestehen. Wie geht es weiter?
Seraphine Wilhelm: Wir wollen Mutter Erde noch grüner machen, dazu beitragen, dass es noch mehr Bio gibt auf der Welt, und dass es den Menschen noch besser geht. Wir wollen weiterhin gute Beziehungen pflegen mit unseren Handelspartnern, Bauern und Kunden. Wir wollen unseren Mix an Vertriebswegen beibehalten. Wir sind ja nicht nur mit der Marke im Inland vertreten, wir haben auch Export, Rohstoffhandel, Private Label, außerdem das Besucherzentrum, unseren eigenen Bioladen und unseren Webshop. Das gibt uns die Freiheit, unsere Ziele umsetzen zu können und weiterhin erfolgreich zu sein, ohne abhängig zu werden.

Was sind dabei die größten Herausforderungen?
Margarethe Epple: Das sind die Marktveränderungen, die seit der Corona-Pandemie stattfinden. Die hohe Inflation und die Kostensteigerungen zwingen die Verbraucher zum Sparen. Das betrifft uns auch als Unternehmen, gleichzeitig müssen wir mit hohen Personalkostensteigerungen umgehen. Wir können die höheren Ausgaben als Premiummarke auch nicht einfach einpreisen. Nicht zu wachsen, ist deshalb gar nicht möglich, weil wir unsere Kosten decken müssen.

In 50 Jahren: Gibt es Rapunzel dann noch?
Leonhard Wilhelm: Ganz klar ja. Nur in welcher Form weiß man nicht. Stand heute haben wir unseren Beitrag geleistet. Papa hat das Unternehmen in Europa aufgebaut, aber die Zukunft ist noch ungewiss. Wir hoffen natürlich, dass wir in 50 Jahren immer noch existieren, aber es bleibt abzuwarten, welche Standbeine sich weiterentwickeln und wo wir den größten Mehrwert schaffen können.

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