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Lippenstift: Mehr als Effekthascherei

Über 16 Millionen Frauen verwendeten vergangenes Jahr regelmäßig Lippenstift. Für viele gehört er einfach dazu. Naturkosmetische Produkte überzeugen durch hochwertige Pflege und den Verzicht auf bedenkliche Substanzen.

Lippenstift, annähernd so, wie wir ihn kennen, präsentierten Parfümeure bereits 1883 auf der Weltausstellung in Amsterdam. Der in Seidenpapier gewickelte, weiche Fettstift war jedoch noch recht umständlich anzuwenden. Erst Anfang der 1950er Jahre kam in Deutschland Lippenstift in der praktischen Drehhülse auf den Markt. Um die Inhaltsstoffe, die nicht selten gesundheitsschädlich waren, scherte sich lange niemand.

Heute regelt die EU-Kosmetikverordnung, welche Substanzen erlaubt sind und welche nicht. Naturkosmetik verbietet trotzdem viele davon. Zum Beispiel künstliche Fette wie Silikone und Paraffin. Fast alle konventionellen Lippenstifte enthalten die billigen chemisch-synthetisch oder vollsynthetisch hergestellten Fette und Wachse. Sie sorgen für einen geschmeidigen Auftrag, bleiben aber auf der Hautoberfläche liegen. Kussechte Lippenstifte kommen grundsätzlich nicht ohne sie aus. Flüchtige Silikone verdunsten auf der Haut, der Farbanteil bleibt zurück und haftet lange auf den Lippen. Das ist der Grund, weshalb es bis heute keine kussechten Lippenstifte in Naturkosmetikqualität gibt.

Silikone sind problematisch: Wegen der energieaufwendigen Herstellung, ihrer Langlebigkeit in der Umwelt und auch, weil man noch nicht genau weiß, was sie in der Umwelt und im menschlichen Organismus anrichten können. Paraffin geriet vor zwei Jahren ins Visier von Stiftung Warentest. Die Tester rieten ausdrücklich vom Gebrauch mineralölbasierter Lippenpflege ab. Sie hatten in konventioneller Lippenpflege aromatische Kohlenwasserstoffe, kurz MOAH, entdeckt. Die unerwünschte Belastung kommt zustande, wenn die Erdölprodukte nicht gründlich gereinigt sind. Einige dieser Stoffe stehen im Verdacht, das Erbgut zu verändern und Krebs hervorzurufen.

Schönheit und Pflege in einem

Naturkosmetische Lippenfarbe basiert auf natürlichen Fetten und Wachsen, die die Haut mit ihr verwandten Fettsäuren schützen und pflegen. Ein weiteres Merkmal naturkosmetischer Rezepturen sind (Heil-)Pflanzenextrakte und -auszüge. Dr. Hauschka wertet die Zutaten beispielsweise mit Wundklee- und Rosenblüten-Auszügen auf, Lavera setzt auf einen Mix aus Rosenblüten-, Malven- und Lindenblütenextrakt. Bei Logona ist ein natürlicher Anti-Aging-Wirkstoffkomplex mit Cranberrysamenöl, Apfelsamen und Braunalgenextrakt enthalten.

Für verschiedene Vorlieben gibt es wie im konventionellen Sortiment die passenden naturkosmetischen Produkte. Die Konsistenz steuern die Hersteller über den Mix der Fette und Wachse.

Beim klassischen Lippenstift geht es um intensive Farben, die deckend oder leicht transparent sein sollen und möglichst lange auf den Lippen halten. Die Farbe soll sich sommers wie winters geschmeidig auftragen lassen, weder auf den Lippen krümeln noch klebrig sein, und sie darf keinesfalls in Lippenfältchen kriechen. Zudem muss der Stift bei wechselnden Temperaturen seine Form behalten.

Optimale Eigenschaften hat Bienenwachs in Kombination mit Lanolin (Wollwachs) und/oder Carnauba-, Candelilla- oder Beerenwachs. Für Glanz und Pflege sorgen Pflanzenöle wie Rizinus-, Oliven-, Aprikosenöl und/oder Pflanzenbutter wie Mango-, Shea- oder Kakaobutter. Eine Sonderstellung nehmen die ayurvedischen Lippenstifte von Lakshmi ein. Sie enthalten Demeter-zertifiziertes Ghee, das ist Butterreinfett. Laut der altindischen Lehre besitzt es sehr gute Pflegeeigenschaften.

Bei cremig-flüssigem Lippgloss, das mit einem Applikator aufgemalt wird und den festeren, schlanken Lipsticks stehen softe Textur, Glanz oder mineralischer Schimmer sowie hautpflegende Wirkung im Vordergrund. Fast immer dabei ist Rizinusöl, das die Lippen glänzen lässt, dazu kommen Pflanzenöle mit Hautpflegepotenzial wie Jojoba-, Aprikosenkern-, Argan- oder Mandelöl. Die Naturfette machen die zarte Lippenhaut geschmeidig und liefern viel Feuchtigkeit. Ein Vorteil dieser unkomplizierten Lippenfarbe ist die einfache Anwendung zwischendurch, auch ohne Spiegel. Tipp: Als Finish über dem Lippenstift lässt Gloss die Lippen sinnlich schimmern und voller wirken.

Lippenfarbe im Holzstift gibt es in verschiedenen Stärken. Die sogenannten Lipliner eignen sich ideal zum Nachzeichnen oder Definieren der Lippenkontur, die dann mit Lippenstiftfarbe (professionell mit einem Pinsel) aufgefüllt wird. Die Holzstifte können nachgespitzt werden, das erhält die präzisen Eigenschaften. Es gibt auch 2in1-Produkte mit zwei angespitzen Enden. Sie sind Konturenstift und cremiger Lippenstift in einem.

Mit den Farben der Natur

In puncto Farbe brauchen sich naturkosmetische Lippenstifte nicht hinter konventionellen zu verstecken. Mit mineralischen Pigmenten wie Eisenoxid und Pflanzenextrakten wie Roter Bete lässt sich von Nude über pink und rosé bis zu kräftigen Bordeauxtönen eine große Auswahl und trendige Farbpalette erzielen. Einzig knallroter Lippenstift kommt häufig nicht ohne einen tierischen Inhaltsstoff aus: Carmin ist der Farbstoff aus der Cochenille-Schildlaus. Wie im konventionellen Markt halten Naturkosmetikhersteller ihr Sortiment mit Sondereditionen und wechselnden Farben der Saison, die mit der Mode gehen, up to date. In 2018 sehen Naturkosmetikhersteller matte Farbnuancen vorn.
Chemisch-synthetische Farben, die eine unbegrenzte Vielfalt an Lippenfarben ermöglichen, sind in Naturkosmetik tabu. Etliche dieser Farben basieren noch immer auf Azo-Verbindungen, von denen viele umstritten sind. Ein häufig verwendeter Farbstoff, CI 19140, bekannt als Tartrazin, kann beispielsweise krebsverdächtiges Anilin abspalten.

Veganer Lippenstift

Ein Nischenthema sind klassische naturkosmetische Lippenstifte in der Vegan-Variante. Die Auswahl ist begrenzt, weil Bienenwachs und Karmin ohne den Griff in die Chemiekiste kaum verzichtbar sind. Benecos arbeitet daran, Logona hat keinen, Lavera immerhin einen veganen Lippenstift im Sortiment. Karin Hunkel (Angel Minerals), die ausschließlich vegane Produkte führt, lässt gerade fünf ihrer insgesamt zehn Lippenstifte nach ICADA-Standard zertifizieren. „Die anderen Farben, knallige Rottöne, sind leider ohne synthetischen Farbstoff nicht zu machen“, sagt sie. Hunkel arbeitet weiter mit Rohstofflieferanten an einer pflanzlichen Lösung.

Verkaufsförderung

Naturkosmetikfirmen unterstützen den Handel durch die Bank weg mit Verkaufsförderungs-Maßnahmen, z.B. mit Salesfoldern, Schulungsunterlagen fürs Personal, Standdisplays, Produkttestern oder Plakaten.

Mit Fachwissen punkten

Mikroplastik in flüssiger oder fester Form ist in konventioneller Kosmetik ein gängiger Inhaltsstoff — auch in Lippenstift, was viele Kunden (noch) nicht wissen. Der Einkaufsratgeber Mikroplastik des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) listet zahlreiche konventionelle Lippenstifte aus jeder Preiskategorie. In der INCI verbirgt sich der Kunststoff hinter Bezeichnungen wie Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Nylon-12 oder Polyethylenterephthalat (PET). Von den Lippen kann die Substanz leicht in den Magen wandern: Etwa 3,5 Kilo Lippenstift soll Frau im Laufe ihres Lebens von den Lippen lecken. Was Plastik im menschlichen Organismus bewirkt, ist noch nicht genügend erforscht. Sicher ist, dass es dort nicht hingehört.

Tipps von der Kollegin

Iris Keck ist Fachfrau für Naturkosmetik im Bioladen Regenbogen. Der Markt bietet ca. acht laufende Meter Regalfläche für Naturkosmetik.

  • In den Displays der Hersteller lässt sich das dekorative Sortiment schön präsentieren. Bieten Sie den Kunden Auswahl mit Produkten im Einstiegs-, mittleren und preislich gehobenen Sortiment.
  • Eine typgerechte Farbberatung ist ohne kosmetische Ausbildung nicht einfach. Fragen, die Sie stellen können, sind: „Welche Lieblingsfarben haben Sie im Kleiderschrank?“, „Mögen Sie es lieber dezent oder kräftig?“, „Welche Farbe haben sie bisher benutzt?“
  • Machen Sie auf die Tester aufmerksam, lassen Sie die Kunden verschiedene Farben ausgiebig probieren, auf dem Handrücken oder auch mit einem Wattestäbchen auf die Lippen aufgetragen. Stellen Sie eine Box mit Kosmetiktüchern in Griffweite.
  • Hersteller und Großhandel bieten gute, informative Produktschulungen an, die in der Beratung sicherer machen.

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