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Klagen wegen irreführender Werbung mit „Klimaneutralität“

Immer mehr Unternehmen werben mit der Aussage „klimaneutral“. Die Wettbewerbszentrale geht dagegen in mehreren Fällen vor. Auch gegen Aldi Süd. Der Discounter hält dagegen.

Klimaneutralität kann zum Problem für Werbetreibende werden. Über die Auslegung des Begriffs streitet die Wettbewerbszentrale mit mehreren Unternehmen, die damit werben, ganz oder in Teilen klimaneutral zu handeln. In bislang zwölf Fällen hat die Wirtschaftsorganisation derartige Werbung als irreführend eingestuft, und von den Unternehmen verlangt, die gesetzlichen Transparenzvorschriften einzuhalten.

Wie die Wettbewerbszentrale mitteilt, haben sich daraufhin sechs Werbetreibende verpflichtet, die monierten Aussagen nicht zu wiederholen. In vier Fällen hat die Kontrollinstitution Unterlassungsklage eingereicht. Auch gegen Aldi Süd, wie Dr. Tudor Vlah, Referent für umweltbezogene Werbung bei der Wettbewerbszentrale, gegenüber BioHandel bestätigte.

Der Discounter bezeichnet sich unter anderem auf der letzten Seite seiner Prospekte als „erster klimaneutraler Lebensmittelhändler“, zudem wirbt er mit der Aussage „wir handeln klimaneutral“. Das missfällt der Wettbewerbszentrale aus zwei Gründen. Zum einen, weil bei Verbrauchern der Eindruck entstehen könnte, Aldi Süd sei es gelungen, den eigenen CO2-Fußabdruck auf null zu reduzieren. Zum anderen, weil die Werbung von Aldi Süd verschweigt, wie der Händler seine Klimaneutralität tatsächlich erreicht.

Aldi argumentiert: „klimaneutral“ nicht gleich „emissionsfrei“

Aldi Süd macht auf Anfrage von BioHandel keine Angaben zum laufenden Verfahren. Der Discounter bestätigt aber die Kompensation nicht vermeidbarer CO2-Emissionen durch den Kauf von Ausgleichszertifikaten. Ein Konzept, das Aldi Süd zufolge den meisten seiner Kundinnen und Kunden geläufig sei.

Weiter teilt der Händler mit, der Begriff „klimaneutral“ beziehe sich auf eine insgesamt ausgeglichene CO2-Bilanz und sei damit nicht gleichbeutend mit dem Begriff „emissionsfrei“. Näheres zu den Klimaschutz-Maßnahmen des Unternehmens mache Aldi Süd auf dem firmeneigenen Nachhaltigkeitsportal transparent, das regelmäßig aktualisiert werde.

Der Wettbewerbszentrale fehlen dennoch entscheidende Informationen. Zwar begrüßt die Organisation, wenn überschüssige Treibhausgasemissionen bis zur vollständigen Umstellung auf klimaschonende Prozesse mithilfe von CO2-Ausgleichszahlungen kompensiert werden. In der Werbung müssten Unternehmen wie Aldi Süd jedoch klar darauf hinweisen, wie sie die beworbene Klimaneutralität erlangt haben: durch emissionssparende Maßnahmen im Unternehmen, oder durch den Kauf von CO₂-Zertifikaten – und welchen Anteil beide Varianten am Ergebnis haben. „Erst dann kann der Kunde eine informierte Entscheidung treffen.“, erklärt Vlah.

Die kostengünstigste Möglichkeit, um die CO2-Bilanz zu drücken, ist der Erwerb von Ausgleichszertifikaten mit denen Klimaschutzprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern unterstützt werden. Weitaus teurer sind Zertifikate für Klimaschutzprojekte in Deutschland und der EU. Finanziell am aufwändigsten ist für Unternehmen jedoch die klimafreundliche Umstellung der eigenen Prozesse. Die Wettbewerbszentrale will deshalb erreichen, dass Werbetreibende auch darüber aufklären, wo sich die von ihnen unterstützten Klimaschutzprojekte befinden.

Dr. Reiner Münker, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale, teilt mit: „Unternehmen, die ausschließlich oder zum großen Teil Ausgleichsmaßnahmen in Entwicklungsländern vornehmen, dürfen sich keinen unlauteren Wettbewerbsvorteil gegenüber denjenigen Unternehmen verschaffen, die bereits hohe Investitionen in die weitaus zeit- und kostenaufwändigere, aber nachhaltigere Umstellung der eigenen Prozesse tätigen.“ Nur so könne anstelle eines Kompensationswettbewerbs ein Innovationswettbewerb um das umweltschonendste Wirtschaften entstehen.

Wettbewerbszentrale strebt Rechtssicherheit an

Die Wettbewerbszentrale gilt als größte und einflussreichste Selbstkontrollinstitution für fairen Wettbewerb. In den Gerichtsverfahren will die Organisation, die von mehr als 1.200 Unternehmen und über 800 Wirtschaftskammern und -verbänden getragen wird, laut eigenen Angaben Rechtssicherheit für Unternehmen erreichen, die mit der Aussage „klimaneutral“ werben.

Bereits 2016 hatte die Wettbewerbszentrale in einem Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt die Aussage „der weltweit erste 100 % klimaneutrale Tiefkühl-Kartoffelspezialist. Vom Kartoffelacker bis ins Tiefkühlregal des Handels“ untersagen lassen, weil dadurch der falsche Eindruck erweckt wurde, dass es dem Unternehmen gelungen sei, sämtliche Emissionen in der eigenen Produktion zu vermeiden. Nun soll grundsätzlich geklärt werden, welche Anforderungen an eine rechtssichere Werbung mit der Aussage „klimaneutral“ gelten.

Weiterführende Links

Nachhaltigskeitsportal von Aldi Süd

Wettbewerbszentrale

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