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EU-Verpackungsverordnung: Was auf Hersteller und Händler zukommt

Mit einer neuen Verordnung will die EU Verpackungen nachhaltiger machen und Müll reduzieren. Warum das überfällig ist und was das für Hersteller und Handel bedeutet.

Vergangene Woche hat das EU-Parlament einer neuen Verpackungsverordnung zugestimmt, die für nachhaltigere Verpackungen und weniger Verpackungsmüll in der EU sorgen soll. Wird sie auch vom Rat förmlich gebilligt, kann sie in Kraft treten.

Verpackungen sind aus unserem Alltag kaum wegzudenken. Gut verpackt können Lebensmittel, Kosmetik und Co. besser geschützt, gebündelt, gelagert, transportiert und verkauft werden. Doch meistens landen Kunststoff, Glas, Aluminium, Pappe, Papier oder Folie nach einmaliger Nutzung im Müll. Laut Statistischem Bundesamt fielen 2021 pro Kopf in Deutschland rund 237 Kilo Verpackungsmüll an. Das ist ein trauriger Rekord, der Deutschland auch im europäischen Vergleich zur größten Verpackungsmüllschleuder macht. Die EU will der Müllflut nun mit der neuen Verordnung entgegensteuern.

Warum brauchen wir eine EU-Verpackungsverordnung?

Obwohl das Bewusstsein für Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz unter Verbraucherinnen und Verbrauchern in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat, wachsen die Müllberge. EU-weit ist in den vergangenen zehn Jahren die Menge der Verpackungsabfälle um 25 Prozent und damit schneller als die Recyclingmenge gestiegen. Die Zahlen verdeutlichen, dass die bisherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht greifen. Diese waren im Wesentlichen:

  • Die EU-Richtlinie 94/62/EG zielte darauf ab, nationale Maßnahmen zur Entsorgung von Verpackungsabfällen zu harmonisieren und negative Umweltauswirkungen durch Verpackungen und Verpackungsabfälle zu verringern.
  • Die EU-Richtlinie 2018/852 änderte und ergänzte Richtlinie 94/62/EG mit Maßnahmen zur Vermeidung von Verpackungsabfällen und zur Förderung der Wiederverwendung, des Recyclings und anderer Formen der Verwertung von Verpackungsabfällen.
  • In Deutschland regelt das deutsche Verpackungsgesetz das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die Verwertung von Verpackungen.

„Die bisherigen Richtlinien und Gesetze haben keine echte Konsequenz“, bemängelt die Ingenieurin und Verpackungsexpertin Carolina Schweig. „Die europäischen Vorgaben wurden in vielen kleinen Nationalgesetzen verwässert. Wer sich in Deutschland nicht an die Regeln des Verpackungsgesetzes hält, wird nicht bestraft. Außerdem fehlen finanzielle Anreize, um Verpackungen kleiner und recyclefähig zu machen.“

Ohne Gegenmaßnahmen könnten die Verpackungsabfälle in der EU bis 2030 um weitere 19 Prozent steigen. Kunststoffabfälle sind bedenklicherweise besonders im Trend – hier erwartet die EU bis 2030 einen Anstieg um 46 Prozent. Damit es nicht dazu kommt, soll die EU-Verpackungsverordnung (auf Englisch Packaging & Packaging Waste Regulation, abgekürzt: PPWR) gegensteuern.

Was regelt die neuen EU-Verpackungsverordnung?

Die Verordnung umfasst folgende Aspekte:

  • Pflicht zur Recyclingfähigkeit für alle Verpackungen
  • Vorschriften zu Mindestrezyklatanteilen in Kunststoffverpackungen
  • Beschränkung besorgniserregender Stoffe wie Ewigkeitschemikalien PFAS in Verpackungen
  • Harmonisierung der Kennzeichnungsvorschriften zur Verbesserung der Verbraucherinformation
  • Einführung verbindlicher Wiederverwendungsziele bzw. Mehrwegquoten
  • EU-weite Pflicht zur Einführung von Pfandsystemen
  • Einschränkung bestimmter Arten von Einwegverpackungen
  • Verpflichtung der Wirtschaftsakteure, möglichst wenig Verpackungen zu verwenden

Dass die EU mit der neuen Verpackungsverordnung einen schärferen Ton anschlägt, zeigt sich bereits in der Art der Rechtsvorschrift. Denn im Gegensatz zu Richtlinien, die innerhalb einer gesetzten Frist von einzelnen Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen, gelten Verordnungen unmittelbar nach Inkrafttreten.

Wann kommt die neue Verordnung?

Es wird damit gerechnet, dass die Verpackungsverordnung noch vor Juni offiziell verabschiedet wird. Ab dann haben Unternehmen 18 Monate Zeit, ihre Produkte und Prozesse so umzustellen, dass sie der Verordnung entsprechen. Nach Ende dieser Übergangsfrist wird es ernst. „Wer sich dann nicht an die europäischen Vorschriften hält, darf seine Produkte nicht mehr in der EU verkaufen“, sagt Carolina Schweig.

In Kombination mit der Green Claims Directive und der Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel erwartet die Expertin, dass die Verordnung längst überfällige Weichen für mehr Nachhaltigkeit und weniger Müll stellen wird. Die neuen Vorschriften dürften auch die technologische Entwicklung ankurbeln. „Beispiel Lebensmittel: in der EU dürfen Rezyklate bisher nicht in Kontakt mit dem Produkt kommen. Im Vereinigten Königreich ist die Entwicklung da schon etwas weiter.“ Allerdings seien Rezyklate nur eine Teillösung für unser Müllproblem. „Wir müssen die Verpackungsmenge insgesamt reduzieren“, fordert Carolina Schweig.

Chance für den Biohandel

Für den Biohandel sieht Schweig in den Gesetzesänderungen eine Chance, sich zu profilieren. „Bei der Biofach und Vivaness in Nürnberg organisiere ich regelmäßig Rundgänge und Vorträge rund um nachhaltige Verpackungslösungen. Viele Bio-Firmen sind bereits gut aufgestellt, doch sie dürfen ihre Bemühungen noch besser kommunizieren“, ermutigt sie. Denn Bio-Kundinnen und -Kunden seien bereits für Nachhaltigkeit sensibilisiert. Damit böten sie ein optimales Publikum für neue Verpackungslösungen und Ladenexperimente.

Bio-Händler und -Hersteller könnten beispielsweise Befragungen durchführen, um zu erfahren, welche Verpackungslösungen ihre Kundschaft unter welchen Bedingungen bevorzugt. Um das Bewusstsein zu schärfen, könnten sie auch online oder direkt am Point of Sale darüber abstimmen lassen, welche Verpackungen ihre Kundinnen und Kunden für wie nachhaltig halten. So könnte auch mit Verpackungsmythen aufgeräumt werden.

„Viele Menschen halten beispielsweise Papierverpackungen grundsätzlich für nachhaltiger als Plastik – dabei ist das häufig nicht der Fall“, sagt Schweig. Eine faktenbasierte Konsumentenaufklärung sei daher vor allem während der Übergangsphase wichtig, um Akzeptanz zu schaffen und nachhaltige Konsumentscheidungen zu unterstützen.

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