Biohandel

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Öko-Marketingtage

Umdenken und neue Allianzen für mehr Bio

Die 6. Öko-Marketingtage fanden unter erschwerten wirtschaftlichen Bedingungen für das Geschäft mit Bio-Lebensmitteln statt. 200 Entscheiderinnen und Entscheider diskutierten über Wege, wie dennoch mehr Bio auf die Teller kommt.

Der Umsatz von Bio-Lebensmitteln ist im vergangenen Jahr um 3,8 Prozent zurückgegangen. Die Produkte werden zwar weiter gekauft, doch greifen die Verbraucherinnen und Verbraucher verstärkt zu den Eigenmarken der Discounter und weniger zu den Markenprodukten aus dem Fachhandel. Darüber hinaus registrierte Hanna Kehl von der GfK-Marktforschung eine gewisse Abstumpfung und Desinteresse: Bio sei nicht mehr so wichtig, vor allem der Preis und die Nachhaltigkeit der Produkte spiele eine große Rolle, sagte sie bei den 6. Öko-Marketingtagen, die vergangene Woche auf Schloss Kirchberg stattfanden.

„Es herrscht eine gewisse Ratlosigkeit in der Branche, und es braucht neue Allianzen“, sagte Rudolf Bühler, einer der Initiatoren des prominent besetzten Branchentreffs. Er forderte die Weiterentwicklung zu Öko-Plus mit einer Ausrichtung auf eine klimaresiliente, ökologische Land- und Ernährungswirtschaft und gab in Anlehnung an Friday for Future-Bewegung das Motto „Öko for Future“ aus.

An drei Tagen war Schloss Kirchberg nun schon zum sechsten Mal das Zentrum der deutschen Bio-Szene. Zum Tagungsthema „Zeitenwende in der Bio-Branche: neue Märkte, neue Strategien“ tauschten sich 200 Entscheiderinnen und Entscheider der Bio-Branche aus. Laut Veranstaltern war die Tagung „restlos ausgebucht“.

Umdenken in der Branche

Alle Akteure bei den Öko-Marketingtagen – Erzeuger-Verbände wie Demeter, Bioland, Biokreis, Naturland und Ecoland, sowie der Fachhandel und Lebensmitteleinzelhandel, darunter Aldi, Lidl und Edeka – waren sich einig: ökologisch produzierte Lebensmittel sind gesund, schützen das Klima und fördern die Artenvielfalt. Unterschiedlich sind indes die Ansätze auf dem Weg zu mehr Bio.

Während der Kongress in der Vergangenheit eher ein Treffpunkt der wahren Bio-Verfechter war, die unter sich um bessere Konzepte und eine zielführende Kommunikation rangen, setzte nun ein Umdenken in der Branche ein: Die Entscheiderinnen und Entscheider mussten negativen wirtschaftlichen Entwicklungen ins Auge schauen und weitere Marktteilnehmer auf Augenhöhe akzeptieren.

So stellte etwa Julia Abou, Nachhaltigkeitsverantwortliche bei Aldi Süd, die Strategie des Discounters vor: Das Unternehmen strebe eine „Demokratisierung von Bio-Produkten“ an und wolle die Wertschöpfungsketten von den Erzeugern, über die Verarbeiter bis hin zum Handel verbessern, unabhängig von den Vertriebswegen. Damit das gelinge, müsse den Kundinnen und Kunden das Thema leicht verständlich nahegebracht werden.

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Laut Abou sei das bereits gelungen: Ihr zufolge sei das Bio-Logo von Aldi (ein lachender Bio-Schriftzug) bekannter als das Original EU-Bio-Siegel. Außerdem sei Aldi Süd mit rund 550 verschiedenen Bio-Artikeln Umsatzmarktführer in Deutschland. „Für die umfangreiche Verbreitung von Bio-Produkten benötigt man Akteure wie uns“, sagte die Aldi-Managerin. Der Discounter stehe für das 30 Prozent-Bio-Ziel der Bundesregierung, wolle es mit den anderen Marktteilnehmern erreichen und arbeite dafür mit Partnern aus der Branche zusammen, die sich auskennen. Seit diesem verkauft Aldi Süd mit „Nur Nur Natur“ eine Bio-Eigenmarke, deren Produkte von Naturland zertifiziert werden.

Zwischen den einzelnen Vorträgen und Diskussionsrunden kamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ins Gespräch und tauschten sich aus: Selbst Akteurinnen und Akteure, die Wettbewerber im Markt sind, kamen sich den Veranstaltern zufolge so näher. In Fachforen und Workshops konnten sie gemeinsam neue Ideen und Ansätze kennenlernen und weiterentwickeln. Darüber hinaus vergrößerten sie ihr eigenes Netzwerk.

Um überhaupt in die Nähe des 30 Prozent-Ziels zu kommen, braucht es die Politik. Silvia Bender, Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, gab erste Einblicke in die Bio- und Ernährungsstrategie des Bundes – den kompletten Plan präsentiert Bundesminister Cem Özdemir am Donnerstag.

Teilnehmende ziehen positives Fazit

Um Bio 30/30 zu erreichen, wolle das Ministerium vor allem die Forschung fördern, die Beratung und die Umstellung der Betriebe unterstützen, und die regionalen Wertschöpfungsketten stärken. „Ohne die Gemüseverarbeitung, die Mühle und den Metzger funktioniert unsere Strategie nicht“, betonte Bender. Um den Anteil von 30 Prozent zu schaffen, solle vor allem die nachhaltige Verpflegung in Betriebskantinen und Mensen unterstützt und „somit der Zugang zu gesundem, vielseitigem, ausgewogenem und ökologisch erzeugtem Essen verbessert“ werden.

Durch eine Kennzeichnung der Restaurants würden die Verbraucherinnen und Verbraucher erkennen, wo sie „Bio“ essen gehen können. „Die Bundesregierung will die Zeitenwende zu einem resilienten Ernährungssystem mitgestalten“, stellte Silvia Bender klar. „Dabei wollen wir Ihr Partner sein, denn Sie sind die Pioniere und Vordenker der Branche“, erklärte sie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Neben dem zweitägigen Hauptprogramm bot die Akademie Schloss Kirchberg einen Exkurs zur Zukunft der Fleischerzeugung an: In vielen Bereichen könne Kohlendioxid eingespart und so das Klima entlastet werden. Die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH) von Rudolf Bühler, erzeuge durch entsprechende Maßnahmen bereits heute schon 49 Prozent weniger CO2 als vergleichbare Schlachthöfe, berichtete der Agraringenieur über eine Studie. Derzeit gebe es ein Forschungsprojekt, um das Einsparpotenzial weiter zu untersuchen.

Die Entscheiderinnen und Entscheider zogen den Veranstaltern zufolge ein positives Fazit der Öko-Marketingtage: Es sei ein Aufbruch in der Branche spürbar gewesen, gemeinsam wolle man das Thema Bio weiter vorantreiben. Dabei seien Discounter, Produzenten und Hersteller von Bio-Waren weiter aufeinander zugegangen, um das Thema in die breite Öffentlichkeit zu tragen.

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