Biohandel

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„Wir wollten das Beste für das Unternehmen“

Ulrich Walter verkauft Pure Taste GmbH

Nach über 40 Jahren gibt Ulrich Walter die Zügel aus der Hand und übergibt die Anteilsmehrheit an der Pure Taste GmbH, zu der unter anderem auch Lebensbaum gehört, an eine Beteiligungsgesellschaft. Wir fragten den Bio-Pionier nach seinen Beweggründen und wie es mit dem Unternehmen weitergeht.

Herr Walter, was hat Sie bewogen, Ihr Unternehmen abzugeben?

Es war klar, dass ich spätestens mit 70 Jahren den Staffelstab abgeben werde. Ich habe schon vor zehn Jahren angefangen mir Gedanken zu machen, wie es mit dem Unternehmen weitergehen soll, wenn ich mich zurückziehe. Deshalb hat Dr. Achim Mayr als Geschäftsführer sukzessive das operative Geschäft übernommen, was gut geklappt hat. Und vor zwei Jahren haben wir begonnen, mit Hans-Ulrich Schatz eine Nachfolge für Achim Mayr aufzubauen. Auch das ist gut gelungen, er ist seit Oktober 2018 Geschäftsführer. So hat sich der Kreis jetzt geschlossen.

Nun hat die Beteiligungsgesellschaft Adiuva die Mehrheit der Pure Taste GmbH übernommen. War das Ihre Wunschkonstellation?

Definitiv. Wir arbeiten seit vier Jahren produktiv zusammen und teilen die selben Werte. Als ein großer Kunde von uns in Schwierigkeiten geraten ist, sind wir an dessen Seite geblieben, was für uns mit erheblichen Umsatzeinbußen verbunden war. Diese Entscheidung hat unser Mitgesellschafter damals voll mitgetragen. Ich wollte einen Nachfolger, der das Unternehmen versteht und sich nicht nur als Investor begreift.

Wer steht denn eigentlich hinter der Adiuva?

Eine Unternehmer-Familie aus Norddeutschland. Sie investiert hauptsächlich in mittelständische Unternehmen, die sich selbst behaupten können, denn die Familie will nicht in das operative Geschäft eingreifen. Adiuva ist beispielsweise auch in einer Bio-Kosmetikfirma engagiert, weil ein Familienmitglied einen sehr starken Bezug zu diesem Thema hat.

Kam eine familieninterne Lösung nicht infrage?

Wir wollten das Beste für das Unternehmen – unabhängig von der Familie. Es ist generell nicht gut, wenn Wohl und Wehe einer Firma von einer Person abhängen. Das birgt immer ein Risiko. Außerdem lebt meine eine Tochter seit rund 20 Jahren im Ausland, die andere hat zwar schon in unserem Unternehmen gearbeitet, wollte sich aber noch einmal selbstständig machen.

Warum haben Sie nicht beispielsweise an ein Unternehmen aus der Bio-Branche verkauft?

Das hat sich einfach nicht ergeben. Ich bin immer sehr offensiv und offen damit umgegangen, dass ich eine Nachfolge-Lösung suche, und habe auch mal vorgeschlagen, eine gemeinsame Holding mit mehreren Bio-Firmen zu gründen. Aber das hat nicht gefruchtet.

Und die Gründung einer Stiftung?

Ich halte viel von Stiftungen, aber nicht unbedingt in Zusammenhang mit Unternehmen. Zu glauben, eine Firma sei unverkäuflich, nur weil sie einer Stiftung gehört, ist Quatsch.

Inwieweit nimmt die Adiuva nun Einfluss auf die Geschäftspolitik von Lebensbaum?

Im operativen Geschäft gar nicht. Aber natürlich wird auch ein Mitglied der Unternehmer-Familie im Beirat vertreten sein, dessen Vorsitzender ich ab dem 1. Januar 2020 sein werde.

Welche Funktion hat dieser Beirat?

Es ist ein aktiver Beirat – das sieht man schon daran, dass mein Name auf den Geschäftspapieren steht. Achim Mayr und ich werden als die Bio-Experten eine starke beratende Position einnehmen. Aber wir werden nicht ins operative Geschäft eingreifen.

Fällt es Ihnen schwer, sich aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen?

Nein, mir geht es sehr gut damit. Mir war es wichtig, selbst zu entscheiden, wann es reicht – das habe ich auch in anderen Funktionen so gemacht. Aus dem operativen Geschäft habe ich mich seit vielen Jahren immer mehr zurückgezogen, um den Abnabelungsprozess zu unterstützen. Eigentlich bin ich also schon länger in dieser Rolle, nun wird das Ganze nur noch formal vollzogen.

Wird Lebensbaum auch künftig Fachhandelsmarke bleiben?

Aber sicher! Wir beliefern zwar Tegut, aber mehr auch nicht. Zu großen Ketten gehen wir nicht. Das wäre vielleicht gut für den Umsatz, würde aber die Marke kaputt machen. Dort wird alles nur über den Preis geregelt. Und wenn man mit einer LEH-Kette arbeiten will, braucht man eine sehr starke Außendienst-Mannschaft – das kostet sehr viel Geld. Der Fachhandel ist unsere Bühne, nicht große Ketten.

Also sind Sie optimistisch, was die Zukunft des Fachhandels angeht?

Der Fachhandel hat Zukunft, aber es gibt auch kritische Punkte. Zum Beispiel kann er sich nur profilieren, wenn er exklusive Marken führt, die es nicht im LEH gibt. Und was die Preisverhandlungen angeht, nähern wir uns längst dem LEH an. Der Fachhandel hat es aus meiner Sicht versäumt, sich ein wirkliches Profil zu erarbeiten, er ist nicht mehr beratungsstark und fährt Kampagnen, die der Verbraucher nicht versteht. Wir waren nie eine homogene Bio-Bewegung, dazu kommt, dass die heutigen Kunden die alten Geschichten nicht mehr verstehen.

Was müsste der Fachhandel tun?

Der Wahrnehmungsunterschied der Kunden von Fachhandel und LEH wird immer kleiner. Deshalb müssen wir unsere Kräfte bündeln und die Unterschiede herausarbeiten, die für die Verbraucher wirklich relevant sind. Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.

Welche Pläne haben Sie für sich persönlich für die nächsten Jahre?

Zum einen werde ich das Unternehmen als Beiratsvorsitzender sicher noch einige Jahre begleiten. Zum anderen haben wir mit der AUWA selbst ein Family Office, das mit Minderheitenbeteiligungen in verschiedenen Bio-Firmen engagiert ist. So wollen wir dazu beitragen, Kräfte zu bündeln, um den Fachhandel zu erhalten. Wir investieren in die Landwirtschaft und in Partnerbetriebe, unterstützen sie auch mit Darlehen. Außerdem bin ich ehrenamtlich in verschiedenen Jurys für Nachhaltigkeitspreise tätig. Mein Kalender ist also noch gut gefüllt!

Hintergrund

1979 übernahm Ulrich Walter einen Bioladen in der norddeutschen Kleinstadt Diepholz und machte sich auf die Suche nach Tee, Kaffee und Gewürzen in Bioqualität. Da er nicht fündig wurde, spezialisierte er sich selbst auf die Herstellung und etablierte seinen kleinen Laden Lebensbaum nach und nach zu einem mittelständischen Unternehmen.

Seither wurde Lebensbaum mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2014 mit dem CSR-Preis der Bundesregierung und 2015 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis. 2016 belegte Lebensbaum beim IÖW-Ranking der besten deutschen Nachhaltigkeitsberichte den 1. Platz. Ausgezeichnet wurde Lebensbaum für seine vorbildliche Transparenz.

Lebensbaum gehört zusammen mit der BiologX GmbH und der Niehoffs-Kaffeerösterei GmbH der Pure Taste GmbH, an der die Adiuva ab 1. Januar 2020 die Mehrheit hält. Die Adiuva ist eine Unternehmensbeteiligungsgesellschaft, die deutsches Unternehmerkapital in mittelständische Unternehmen investiert. Ihr Kerngeschäft ist die Strukturierung und Umsetzung von Nachfolgelösungen für diese Firmen, das erforderliche Kapital stammt von einer norddeutschen Unternehmerfamilie. Adiuva ist bereits seit 2015 an der Pure Taste GmbH beteiligt.

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