Die ersten Hinweise kamen aus dem Ausland: Laut des italienischen Online-Journals „Cronachedi“ hätten „Kontrollbehörden in Deutschland und den Niederlanden, später auch aus Frankreich, Österreich, Spanien, Dänemark und Belgien“ darauf hingewiesen, dass italienische Unternehmen konventionelle Mandeln und Tomatenkonserven als Bio-Produkte in die EU verkauft haben.
Die Produkte waren bei Routine-Analysen wegen ihrer Schadstoffgehalte aufgefallen. Daraufhin hätten Ermittler der italienischen Finanzpolizei und des Landwirtschaftsministeriums „weitere Mandel- und Tomatenproben der verdächtigen Unternehmen analysiert und die Zweifel der ausländischen Behörden bestätigt“, schrieb der „Corriere del Mezzogiorno“. Aufgrund der Ermittlungsergebnisse erließ ein Gericht für sieben Verdächtige ein zwölfmonatiges Betätigungsverbot.
Kalifornische Mandeln aus Italien
Bei den Verdächtigen handele es sich um sieben Unternehmer, die „bedeutende Unternehmen im Bereich des Handels mit Erzeugnissen des ökologischen Landbaus“ besitzen, zitierte der „Corriere“ aus einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Sie hätten von 2016 bis 2022 konventionelle Produkte wie Mandeln aus Kalifornien günstig importiert und mithilfe von Scheinrechnungen „willfähriger landwirtschaftlicher Unternehmen, die vor allem in Apulien, Kalabrien und Latium tätig sind“, in Bio-Produkte umdeklariert. Den Wert der illegalen Geschäfte beziffern die Ermittler auf mehr als 20 Millionen Euro.
Federführend seien dabei drei der Verdächtigen gewesen, schrieb der „Corriere“: Ein Geschäftsmann aus Caserta, der zwei Verarbeitungsbetriebe und einen landwirtschaftlichen Betrieb besitzt, ein Geschäftsmann aus Catania, der eine Import-Export-Firma für Mandeln und Trockenfrüchte besitzt, und ein dritter Geschäftsmann aus der Provinz Cuneo, der ebenfalls mit Trockenfrüchten und Tomatenkonserven handele.
Das sind die Verdächtigen
Das Online-Journal „Cronachedi“ nannte als Hauptverdächtige die vier Brüder Cantile mit ihrem Unternehmen Terranostra in Sessa Aurunca. Laut seiner Webseite verfügt das Unternehmen über 4,4 Hektar Anbaufläche, teilweise überdacht. Es produziert Erdbeeren, Aprikosen, Pfirsiche, Äpfel, Nüsse, Tomaten: „100% biologisch, keine Massenproduktion, kleine Produktionen für eine aufmerksame Kundschaft“. Vermarktet werden anscheinend auch die Produkte anderer Landwirte. Die Rede ist von 500 Hektar Fläche und 85 Prozent Exportanteil, der an Kunden in 40 Ländern gehe. Die Ermittler bezifferten den Umsatz mit rund 20 Millionen Euro.
Das Verbrauchermagazin „Il Salvagente“ nannte weitere Namen: Bei der Firma aus Cuneo soll es sich um die Expergreen Srl mit Sitz in Vezza d'Alba handeln. „Auf telefonische Anfrage von Salvagente wollte man die Nachricht weder bestätigen noch dementieren“, schrieb das Magazin. Das Zertifikat stamme von der italienischen Öko-Kontrollstelle Suolo e Salute. Expergreen wirbt auf seiner Webseite: „Wir sind bio, wir sind rückverfolgbar, wir sind transparent“. Beliefert werde „der internationale Lebensmittelmarkt“ mit Bio-Mandeln und Bio-Tomatenkonserven.
Als weiteres Unternehmen benannte „Il Salvagente“ die Di Sano Group of Bronte in Catania, ein Hersteller von Mandeln, Pistazien und Walnüssen, zertifiziert von der Kontrollstelle Ccpb. „Wir haben das Unternehmen angerufen, das nicht bestritten hat, in die Untersuchung verwickelt zu sein“, schrieb das Magazin. Erfolglos sei der Versuch gewesen, das von der Ecogruppo Italia zertifizierte Unternehmen Terranostra zu erreichen.
Bio-Verband fordert Reformen
„Vorfälle wie diese stellen einen ernsthaften Schaden dar, einen unlauteren Wettbewerb für alle ehrlichen Bio-Erzeuger“, kommentierte Paolo Carnemolla, Generalsekretär des italienischen Bio-Dachverbandes Feder-Bio die Ermittlungen. Er forderte die Regierung auf, das Zertifizierungssystem zu reformieren. Der Gebührenwettbewerb der Zertifizierer gehe zu Lasten genauerer Kontrollen.
„Wir haben die Regierung aufgefordert, ihre Vollmacht zur Reform des Zertifizierungssystems für ökologische Erzeugnisse umzusetzen, und diese Ermittlungen zeigen, dass wir keine Zeit mehr zu verlieren haben“, sagte Carnemolla. Für den Bio-Herstellerverband Asso-Bio verlangte dessen Präsident Roberto Zanoni, eine Plattform für die „Rückverfolgbarkeit von Bioprodukten vom Feld bis auf den Tisch, sowohl für Produkte italienischer Herkunft als auch für solche ausländischer Herkunft“.
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