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Pflanzenbasierte Ernährung

„Grüne Ernährung“: Welches Marktpotenzial pflanzliche Lebensmittel bieten

Der Handelsverband Lebensmittel (BLVH) und das Marktforschungsunternehmen Euromonitor International informieren in ihrem Sammelband „Grüne Ernährung“ über Chancen und Herausforderungen pflanzlicher Lebensmittel. BioHandel hat die wichtigsten Erkenntnisse für Handel und Hersteller zusammengefasst.

Der Handelsverband Lebensmittel (BVLH) und das Marktforschungsunternehmen Euromonitor International mit Sitz in London haben einen Sammelband zur pflanzlichen Ernährung veröffentlicht. Die Publikation mit dem Titel „Grüne Ernährung. Vom Nachhaltigkeitswert pflanzlicher Lebensmittel für Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft“ enthält Aufsätze renommierter Experten zu den Chancen und Herausforderungen einer pflanzenbetonten Ernährung. Sie wurde auf der Nahrungs- und Genussmittel-Messe Anuga Landwirtschaftsminister Cem Özdemir vorgestellt. Wir haben die wichtigsten Inhalte zusammengefasst:

Eine pflanzenbetonte Ernährung schont die Umwelt, fördert die Gesundheit, bietet Chancen für eine nachhaltige Lebensmittelwirtschaft – und liegt voll im Trend. Soja statt Schwein, Haferdrink statt Kuhmilch, Cashewkeese statt Camembert: Immer mehr Verbraucher:innen ersetzen tierische durch pflanzliche Alternativprodukte. Allein im Zeitraum 2017 bis 2021 hat sich deren Umsatz verdreifacht. Denn unser Ernährungsbewusstsein verändert sich – besonders in den Industrienationen Westeuropas und Nordamerikas. Ethische, gesundheitliche und ökologische Aspekte spielen bei der Wahl der Lebensmittel eine immer wichtigere Rolle.

Viele Konsument:innen – darunter insbesondere junge Erwachsene – sind deshalb bereit, ihre Ernährung pflanzenbetonter zu gestalten. Von 2020 bis 2021 hat sich laut einer Befragung die Zahl der vegetarisch und vegan lebenden Menschen in Deutschland verdoppelt. Und 40 bis 55 Prozent der Deutschen bezeichnen sich als Flexitarier: sie essen nur gelegentlich Fleisch und achten dann besonders auf Nachhaltigkeit und Qualität. Dem Trend zum Trotz sind allerdings seit 2022 Einkaufshäufigkeit und -menge bei fleischanalogen Produkten leicht rückläufig. Mit mehr Innovation und besserer Kommunikation können Hersteller und Händler entgegensteuern und zukunftsfähige Marktpotenziale ausschöpfen.

Verbraucher und Verbraucherinnen verstehen: Gründe für eine pflanzenbetonte Ernährung

Für viele Deutsche ist die Überzeugung, dass eine pflanzenbetonte Ernährung in Sachen Tierwohl und Umweltschutz punktet, bereits ein ausreichendes Kaufargument für pflanzliche Lebensmittel. Preisvorteile scheinen im Vergleich dazu eine eher untergeordnete Rolle zu spielen. Der Wunsch, durch das Weglassen oder Reduzieren tierischer Produkte Gesundheitsrisiken zu verringern, ist hingegen ein zentraler Kaufgrund.

Laut einer Umfrage von Euromonitor International steht der Gesundheitsaspekt bei rund einem Drittel der Befragten an erster Stelle. Studien bestätigen, dass das funktionieren kann – und prognostizieren bei pflanzlicher Ernährung bessere Chancen auf ein längeres Leben mit geringerer Krankheitslast. Allerdings leidet das gesundheitsfördernde Image pflanzenbasierter Ersatzprodukte an der vermehrten Wahrnehmung, dass diese unbekannte oder unnatürliche Zutaten enthalten und stark verarbeitet sind. Enttäuschen die Produkte dann auch noch geschmacklich, sind sie schnell weg vom Markt.

Neue Rohstoffe und neue Verfahren

Unter den Milchersatzprodukten hat sich in den letzten Jahren ein klarer Trend abgezeichnet: mehr Hafer, weniger Soja. Bei Fleischersatzprodukten wird nach wie vor viel experimentiert und geforscht. Neben Soja, Weizen, Pilzen und Erbsen kommen dabei auch exotischere Zutaten zum Einsatz. Da Weizen und Soja wegen ihrer Umweltauswirkungen häufig in der Kritik stehen, wird bereits erforscht, inwiefern zum Beispiel Grasproteine extrahiert und sensorisch so optimiert werden können, dass sie in Lebensmitteln eingesetzt werden können. Parallel zu den Rohstoffen entwickeln sich auch die Verarbeitungstechnologien weiter.

Um Soja-, Erbsen- oder Lupinen-Protein aufzubereiten sind bisher zahlreiche Verfahrensstufen zur Extraktion, Aufreinigung und Trocknung notwendig. Durch sogenannte Präzisionsfermentation könnten hingegen Hefeorganismen echte Ei- und Milchproteine in pflanzlichen Lebensmitteln herstellen. Und durch Nassextrusion – bei der die Rohstoffe gezielt gemischt, geknetet, gekocht und abgekühlt werden – können ohne Zusatzstoffe muskelähnliche Faserstrukturen erzeugt werden. Solche und ähnliche Verfahren entsprechen gleichzeitig dem Verbraucherwunsch nach mehr Naturbelassenheit und können Produktions- und Umweltkosten bei der Herstellung senken.

Gute Aussichten in einem wachsenden Markt

Ersatzprodukte sind längst auf dem Weg aus der Nische, hinein in den Massenmarkt. Und da die Aspekte Nachhaltigkeit und Gesundheit immer wichtiger und die Produkte zugleich sensorisch besser werden, stehen die Wachstumschancen weiterhin gut. Experten rechnen für die nächsten fünf Jahre mit 5 Prozent Wachstum für Fleisch- und Fischersatz und mit 6 Prozent für Milchalternativen. Außerdem ist zu erwarten, dass es neben Imitaten tierischer Produkte auch mehr eigenständige, neue pflanzliche Lebensmittel geben wird.

Kommunikation auf den Punkt: locker werben

Bei der Wahl der Werbebotschaften kann es sinnvoll sein, sich auf konkrete Verbrauchertypen zu konzentrieren. Vor allem ernährungsbewusste Konsumenten und Konsmumentinnen, die Essen als Grundvoraussetzung oder Optimierungstool für ihre Gesundheit erachten, können gut erreicht werden. Für Weltverbesserer sind beim Essen hingegen die Auswirkungen auf Umwelt, Tierwohl und Gesellschaft besonders wichtig. Sie können durch eine verständliche Kommunikation der Umweltauswirkungen (Beispiel Oatly) oder einen klaren Fokus auf Tierwohl (Beispiel Katjes) abgeholt werden. Werbespots wie jener von LikeMeat sprechen mit ihrer Botschaft „So gooood“ jedoch auch Genießer an, die Essen als Genussgrundlage betrachten. Und erwähnen erst gegen Ende, fast schon nebenbei, dass ihr Burger-Patty rein pflanzlich ist.

Von Belehrungen raten die Experten hingegen grundsätzlich ab. Denn obwohl viele Verbraucher:innen bereit sind, verantwortungsbewusst einzukaufen, möchten sie ihre Komfortzone selbst definieren. Statt Verzicht und Scham sollten Genuss, Spaß und Einfachheit bei der Zubereitung im Vordergrund stehen. Komplexere Zusammenhänge rund um Umwelt- und Tierwohl sollten auf griffige Bilder und Slogans heruntergebrochen werden. Außerdem hat sich die Einbindung Prominenter für den sogenannten „Social Proof“ und die Verwendung englischer Slogans und Marken bewährt. Dadurch kann die Kommunikation locker, weltoffen und unideologisch gestaltet und besonders junge Zielgruppen erreicht werden.

Tipps für den Handel

Neben den Herstellern sehen die Experten auch im Handel viele Möglichkeiten, pflanzenbetonte Ernährung gezielt zu fördern:

  • Über die Teilnahme an Kampagnen wie Veganuary hinaus empfehlen sie gezielte Marketing-Kampagnen und Verkostungsaktionen. Pflanzenbasierte Rezept-Inspirationen auf Social Media können zum Nachahmen anregen – besonders wenn sie zeigen, wie bequem und einfach es ist, pflanzliche Produkte in die Ernährung einzubauen.
  • Im Markt selbst ist eine transparente Kennzeichnung wichtig. Und obwohl sich die wirtschaftliche Lage aktuell etwas erholt und die Kundinnen und Kunden damit etwas weniger preissensibel sind als noch vor einem Jahr, sollten sich Handel und Hersteller auch mit der Preisgestaltung auseinandersetzen. Denn tierisches Fleisch und Milch sind vielerorts noch immer billiger als ihre pflanzlichen Pendants. Ungesunde Produkte bieten beim Einkauf derweil oft die „günstigsten“ und frisches Obst und Gemüse die „teuersten“ Kalorien.
Jetzt kostenlos downloaden: „Grüne Ernährung. Vom Nachhaltigkeitswert pflanzlicher Lebensmittel für Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft“

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