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WPR-Werbeaussagen

Frosch gegen Sonett: Darum geht's im Recyclingstreit

Werner & Mertz (Frosch-Reiniger) und der WPR-Hersteller Sonett streiten sich vor Gericht. Dabei geht es im Wesentlichen um wiederverwendete Kunststoffe aus dem Gelben Sack und die Frage, ob in den Rezyklaten Duft- und Schadstoffe enthalten sein können.

Der Streit begann mit einem Abmahnschreiben des für seine Frosch-Reinigungsprodukte bekannten Unternehmens Werner & Mertz Ende März 2022. Zwei Wochen später beantragte das Unternehmen eine einstweilige Verfügung. Adressat war Sonett. Der Hersteller von ökologischen Wasch- und Reinigungsprodukten sollte folgende Aussagen unterlassen, die in einer Anzeige im Bio-Kundenmagazin Schrot & Korn standen, das wie BioHandel im bio verlag herausgegeben wird:

  • „Die ersten Sonett Recycling-Flaschen“
  • „Sonett recycelt selbst!“
  • „Weil Recycling-PE aus dem Gelben Sack immer Rückstände von synthetischen Duftstoffen, Schwermetallen, Pestiziden etc. enthalten kann“.

Grund: Werner & Mertz verwendet bereits seit zehn Jahren Rezyklate aus dem Gelben Sack und stuft die Aussagen von Sonett als wettbewerbswidrig ein. „Durch Verwendung moderner und innovativer Technologien für Sortier- und Aufbereitungsprozesse ist es uns gelungen, aus den Plastikabfällen des Gelben Sacks hochwertiges Plastikmaterial zu gewinnen, welches frei von Kontaminationen, Stör- und Schadstoffen ist“, schreibt das Unternehmen aktuell auf Anfrage von BioHandel. Für die Frosch-PET-Flaschen setze Werner & Mertz seit 2023 zu 75 Prozent Rezyklate aus dem Gelben Sack ein.

Aus Sicht von Werner & Mertz wettbewerbswidrig: Die Aussage „Sonett recycelt selbst!“

Sonett dagegen verwendet nur Rezyklate aus eigenen Gebinden, die über ein Rücknahmesystem in Läden eingesammelt werden. „In allen Sonett-Produkten werden ausschließlich pflanzliche und mineralische Rohstoffe eingesetzt. Sie sind frei von synthetischen Düften und Konservierungsstoffen und zu 100 Prozent biologisch abbaubar. Organische Inhaltsstoffe wie Öle und ätherische Öle stammen aus biologischem Anbau, der ohne Herbizide und Pestizide arbeitet. Alle eingehenden Chargen sind auf Pestizide untersucht“, heißt es aktuell auf Anfrage.

Die retournierten Leergebinde kontrolliere Sonett manuell und sortiere alle Fremdflaschen und Fremdkanister aus: „Dadurch haben wir einen Inputstrom, der keinerlei synthetische Duft- und Konservierungsstoffe oder sonstige Gefahrstoffe enthält.“

Umweltbundesamt bestätigt Aussage von Sonett

Der Antrag von Werner & Mertz auf eine einstweilige Verfügung wurde am 20. Mai 2022 vom zuständigen Landgericht Frankfurt/Main abgelehnt. Das Unternehmen legte Berufung ein. Die Aussagen wurden daraufhin vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/Main im November 2022 mündlich verhandelt.

Das Gericht sah in der Tatsache, dass Werner & Mertz die Plastikabfälle aus dem Gelben Sack aufwendig reinigen müsse, eine Bestätigung der Aussage von Sonett, dass „Recycling-PE aus dem Gelben Sack immer Rückstände von synthetischen Duftstoffen, Schwermetallen, Pestiziden etc. enthalten kann“. Die Aussage sei rechtlich nicht zu beanstanden, Sonett bekam Recht, Werner & Mertz ging erneut in die Berufung.

Das Umweltbundesamt (UBA) gibt BioHandel zum Thema Migration von Stoffen in die Kunststoffmatrix aktuell folgende Auskunft und bestätigt damit praktisch die Aussage von Sonett: „Kunststoffe sind unterschiedlich aufnahmefähig für Stoffe: Bei Kunststoffen mit einer geringen Dichte können Stoffe sehr leicht in die Kunststoffmatrix migrieren. Das ist bei Polyolefinen wie Polypropylen (PP) oder Polyethylen (PE) der Fall. Mit steigender Dichte nimmt die Aufnahmefähigkeit dagegen ab. Polyethylenterephthalat (PET) ist z.B. aufgrund der im Vergleich hohen Dichte recht inert gegenüber Stoffen.“

Leitlinien für toxikologische Sicherheit von Rezyklaten

In den weiteren Ausführungen des UBA geht es um die Reinigung der Plastikabfälle: „Im Bereich des werkstofflichen Kunststoffrecyclings gibt es mittlerweile Verfahren zur Dekontamination wie die Heißwäsche oder Vakuumextraktion. Hierdurch können migrierte Substanzen besser entfernt und die Geruchsbelastung von Rezyklaten verringert werden", erklärt das Umweltbundesamt.

Und weiter: „Dadurch ist es möglich, diese Rezyklate wieder in hochwertigen Anwendungen wie Verpackungen einzusetzen – durchaus auch in Verpackungen für Kosmetika oder Lebensmittel. Essenziell ist, dass das Recyclingverfahren auf die späteren Einsatzbereiche der damit gewonnenen Rezyklate abgestimmt ist.“

Und zur Verwendung von Plastikabfällen aus Haushalten schreibt das UBA: „Rezyklate aus Kunststoffverpackungsabfällen aus dem gelben Sack/der gelben Tonne werden in der Regel in nicht sensitiven Verpackungen (oder Produkten) eingesetzt, also dort, wo es keine besonderen gesundheits- oder hygienespezifischen Anforderungen zu beachten gibt.

Ein Beispiel hierfür wären Verpackungen für Wasch- und Reinigungsmittel. Hier werden durchaus Rezyklate eingesetzt, die aus haushaltsstämmigen Kunststoffverpackungsabfällen gewonnen worden sind.“ Was die Kosmetik betrifft, habe sich das Konsortium Cospatox zum Ziel gesetzt, Leitlinien speziell für die toxikologische Sicherheit von Rezyklaten in Kunststoffverpackungen zu entwickeln.

Sonett sieht sich durch Studie bestätigt

Sonett habe in den vergangenen Jahren viele Rezyklate getestet und festgestellt, dass „selbst die bestgereinigten und desodorierten nach synthetischen Duftstoffen gerochen haben“. Das sei der Anlass gewesen, das Recycling selbst in die Hand zu nehmen.

„Sonett hat in seiner Stammkundschaft sehr viele Menschen, die an Duftallergien oder Multipler Chemiekaliensensibilität (MCS) leiden. Für diese ist es lebensnotwendig ‚saubere‘ Produkte erwerben zu können“, schreibt das Unternehmen. „Werden wie bei Werner & Mertz in den Rezepturen synthetische Duftstoffe eingesetzt, hat die Tatsache der möglichen Migration dieser Stoffe in die Produkte weit weniger Bedeutung.“

Bestätigt sieht sich Sonett auch durch die taufrische „PolyCycle“-Studie, die gemeinsam vom Fraunhofer Institut IVV in Freising, dem Österreichischen Forschungs- und Prüfinstitut (OFI) in Wien und der Fachhochschule Wien durchgeführt wurde. Dort sei gezeigt worden, dass bei Rezyklaten genotoxische beziehungsweise karzinogene Stoffe auftreten. Mit einem neu entwickelten Screening-Test, der dazu dient, ein breites Spektrum an genotoxischen beziehungsweise karzinogenen Stoffen zu detektieren, seien bei einem signifikanten Teil der Proben aus Polyolefinen (PE und PP) solche Stoffe gefunden worden. Die Veröffentlichung der Ergebnisse sei auf eine „sehr hohe“ Resonanz bei der Industrie gestoßen.

Strittige Aussagen sind rechtlich nicht zu beanstanden

Im Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Frankfurt/Main im Januar 2024 (AZ 3-12 O 19/23) hat Sonett ebenfalls Recht bekommen. Die strittige Aussage, dass „Recycling-PE aus dem Gelben Sack immer Rückstände von synthetischen Duftstoffen, Schwermetallen, Pestiziden etc. enthalten kann“, ist rechtlich weiterhin nicht zu beanstanden.

Auch die Aussage „Sonett recycelt selbst“ wurde als rechtlich zulässig angesehen und nicht als Schein-Projekt gewertet, weil die Beklagte in Zusammenarbeit mit den teilnehmenden Groß- und Einzelhändlern ein funktionierendes, in sich geschlossenes Recycling-System für die von ihr angebotenen Produkte geschaffen habe, wie das Gericht feststellte.

Für die Aussage „Die ersten Sonett Recycling-Flaschen“ hatte Sonett eine strafbewährte Unterlassungserklärung angeboten, die Werner & Mertz zunächst als nicht weitreichend genug abgelehnt hatte, nach der Niederlage in der ersten Instanz des Verfügungsverfahrens dann doch angenommen wurde.

Sonett durch Rechtsstreit finanziell überfordert

Was den Streit über die Aussage „Sonett recycelt selbst“ betrifft, scheiterte auch der Versuch einer außergerichtlichen Einigung. Aus Sicht von Sonett waren der Umfang der Verbreitung von Recyclingboxen am Markt, den Werner & Mertz gefordert hatte, nicht zu erfüllen.

Werner & Mertz hat gegen das Urteil im Hauptsacheverfahren Berufung eingelegt, ein Verhandlungstermin wurde noch nicht festgelegt. Dazu Sonett: „Wir bedauern, dass alle unsere Anstrengungen und Angebote, das Verfahren gütlich zu beenden, bisher erfolglos geblieben sind. Werner & Mertz spielt mit diesem Vorgehen seine Größe und Marktmacht aus und zwingt Sonett in eine Auseinandersetzung, die wir nie gesucht haben, die inhaltlich völlig unhaltbar ist und Sonett als viel kleineren Hersteller personell, zeitlich und vor allem finanziell völlig überfordert.“ Bis März 2024 seien bereits 170.000 Euro Kosten für den Rechtsstreit aufgelaufen, die eigenen Kosten nicht mitgerechnet.

Anmerkung: Im Rechtsstreit zwischen Werner & Mertz und Sonett ging es auch um die Rechtmäßigkeit der Climate Partner-Zertifizierung „klimaneutrales Unternehmen“, die für Sonett ausgestellt worden war. Das Gericht hat Sonett im November 2022 die Verwendung des Siegels unter Androhung einer Strafe von 250.000 Euro wegen Irreführung verboten, weil nicht sämtliche Emissionen berücksichtigt waren. Climate Partner verwendet das Label „klimaneutral“ inzwischen generell nicht mehr, es heißt jetzt „Climate Partner-zertifiziert“.

Kommentar: Zum Wettbewerb gehört Werbung

Horst Fiedler

Fest steht: Plastikabfälle aus Haushalten können Duft- und Schadstoffe enthalten, die sich in Rezyklaten wiederfinden. Ob sie sich spurlos eliminieren lassen, ist strittig. Das Umweltbundesamt schreibt, dass durch moderne Reinigungsprozesse migrierte Substanzen besser entfernt und die Geruchsbelastung von Rezyklaten verringert werden können. „Besser entfernt“ und „verringert“ heißt nicht vollständig eliminiert, also besteht zumindest ein Risiko. Sonett berichtet, Rückstände sogar riechen zu können.

Werner & Merz nimmt dagegen für sich in Anspruch, dass die verwendeten Rezyklate frei von Kontaminationen sowie Stör- und Schadstoffen sind. Diese Einschätzung soll offenbar indirekt durch eine Verurteilung von Sonett bestätigt werden, damit Verbraucher nicht auf die Idee kommen, bei Rezyklaten Gefährdungspotenzial zu vermuten. Das könnte schließlich dazu führen, dass Verbraucher zum Sonett- und nicht zum Frosch-Reiniger greifen.

Letztlich will Werner & Merz erwirken, dass Sonett sein Recycling-System und die Überlegungen bei der Rezyklat-Auswahl nicht offen kommunizieren darf. Doch das dürfte vor Gericht keinen Erfolg haben. Wenn zum Beispiel jemand ein Bio-Brot mit allen positiven Eigenschaften anpreist, dann kann ein konventioneller Bäcker auch nicht dagegen klagen, weil Kunden auf die Idee kommen könnten, dass sein Brot möglicherweise Pestizide enthält. Zum Wettbewerb gehört, das zu bewerben, was ein Produkt auszeichnet. Nicht mehr und nicht weniger hat Sonett gemacht.

Horst Fiedler

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