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Neue Gentechniken

EU-Ausschuss stimmt gegen Gentechnik-Patente

Der Umweltausschuss des Europaparlamentes hat seine Version für ein neues Regelwerk für Neue Gentechniken verabschiedet. Sie ist strenger als der Vorschlag der Kommission, stößt aber dennoch auf viel Kritik.

Eine Mehrheit im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments (ENVI) hat am Mittwoch für ein neues Regelwerk für Neue Genomische Techniken (NGT) votiert. Grundlage ist der Richtlinienentwurf der EU-Kommission.

Wie das Parlament mitteilte, sind die Ausschussmitglieder mit dem Vorschlag der Kommission einverstanden, zwei verschiedene Kategorien und zwei Regelwerke für NGT-Pflanzen einzuführen. NGT-Pflanzen der Kategorie 1, die als gleichwertig mit konventionellen Pflanzen angesehen werden, sollen demnach von den Anforderungen der Gentechnik-Gesetzgebung ausgenommen werden. Zudem fordern die Abgeordneten die Einrichtung einer öffentlichen Online-Liste aller NGT-1-Pflanzen. Für Pflanzen der Kategorie 2 soll das Gentechnikrecht gelten, einschließlich der obligatorischen Kennzeichnung von Produkten.

Darüber hinaus verlangt der Ausschuss in seiner Position, dass die EU-Kommission sieben Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie einen Bericht darüber vorlegt, wie die Verbraucher und Erzeuger die neuen Techniken – auch in Bezug auf Bio-Produkte – wahrnehmen.

Eine Übersicht, wie die Ausschussmitglieder bei einzelnen Punkten abgestimmt haben, hat der Informationsdienst Gentechnik dokumentiert.

Martin Häusling: Abstimmungsergebnis ist „mittlere Katastrophe“

In ihrem Vorschlag sprechen sich die Ausschussmitglieder ebenfalls für ein vollumfängliches Verbot von Patenten auf alle NGT-Pflanzen, das Pflanzenmaterial sowie auf alle genetischen Informationen und Verfahrensmerkmale aus. So sollen Rechtsunsicherheiten, erhöhte Kosten und neue Abhängigkeiten für Landwirte und Züchter vermieden werden, teilte das Parlament mit. Die Abgeordneten fordern außerdem bis Juni 2025 einen Bericht über die Auswirkungen von Patenten für Züchter und Landwirte.

Für Martin Häusling, den zuständigen Verhandlungsführer für die Grünen/EFA im Umweltausschuss, gehen die Vorgaben des Ausschusses nicht weit genug. Er bezeichnete das Abstimmungsergebnis als „eine mittlere Katastrophe für Umwelt und Verbraucherschutz“. Sollte das Votum Bestand haben, werde eine Nachverfolgbarkeit von NGT-Pflanzen unmöglich sein, so Häusling. Zwischen dem 5. und 8. Februar will das Europäische Parlament im Plenum über die NGT-Pläne abstimmen.

Auch der Bio-Dachverband BÖLW gab sich konsterniert ob der beschlossenen Vorschläge. „Ohne wissenschaftliche Grundlage und gegen den erklärten Willen von allein in Deutschland über 90 Prozent der Bevölkerung, zehntausenden von Bio-Bauernhöfen und Unternehmen peitschten vor allem die konservativen Abgeordneten einschließlich CDU und CSU ein Papier durch, das die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Gentechnik aushebelt, Bio-Betrieben und -Unternehmen die Zukunft verbaut und sie in die Abhängigkeit von Konzernen mit ihren Patenten auf Saatgut treibt", so die BÖLW-Vorstandsvorsitzende Tina Andres. „Würden die heute getroffenen Vorschläge Gesetz, würde eine gentechnikfreie Produktion faktisch unmöglich.“

Der Anbauverband Bioland und der europäische Bio-Dachverband IFOAM Organics Europe begrüßten derweil, „dass eine Mehrheit der Europaabgeordneten aller Fraktionen dafür gestimmt hat, das Verbot von Gentechnik aller Art in der ökologischen Produktion beizubehalten“. Der gänzlich freie Verkehr von NGT wurde damit abgelehnt. Bioland- und IFOAM-Europe-Präsident Jan Plagge sieht jedoch noch viele offene Punkte nach der Abstimmung im Ausschuss. Fragen zu Risiken, Patenten und dem Recht von Landwirten und Verbrauchern, NGTs zu vermeiden, seien nach wie vor ungelöst.

Unklar ist Martin Häusling zufolge weiterhin, wie damit umzugehen ist, wenn es zu Verunreinigungen von Biofeldern und -ware mit Gentechnik kommt. „Nach aktuellem Stand der Dinge gäbe es keinerlei Entschädigung für Landwirte und Verarbeiter, die Einkommenseinbußen durch verunreinigte Waren hinnehmen müssen. Lediglich Koexistenz-Maßnahmen, wie Abstandsregelungen, sollen die einzelnen EU-Mitgliedsländer individuell erlassen können“, kommentierte Häusling.

Noch viel Klärungsbedarf bei Patenten

Jan Plagge sieht insbesondere bei Patenten noch Klärungsbedarf. „Das Einzige, was Landwirte und Züchter derzeit vor rechtlichen Bedrohungen durch multinationale Konzerne schützt, die das Patentsystem missbrauchen, um Eigentumsrechte an der konventionellen Züchtung zu beanspruchen, ist das Rückverfolgbarkeits- und Kennzeichnungssystem, das für alle GVO (Gentechnisch veränderte Organismen, d. Red.), einschließlich NGTs, gilt“, so Plagge.

Und auch Häusling sieht die Patentfrage noch keinesfalls gelöst. Der entsprechende Text des Ausschusses sei eine „bloße Positionierung, die, wenn auch gut, rechtlich nicht bindend ist“. Eine Änderung des Europäischen Patentabkommens liege außerhalb des Einflusses der EU, so Häusling.

BÖLW verlangt Korrektur der Beschlüsse

Angesichts der vielen Unklarheiten warnten Häusling und Plagge vor einem Schnellschuss der Europaparlamentarier und plädierten für eine Verschiebung des Votums Anfang Februar. „Anstatt eine Abstimmung im Plenum zu überstürzen, sollten die Abgeordneten angemessen darüber diskutieren, wie Landwirte, Verbraucher und die Umwelt vor den mit NGTs verbundenen Risiken geschützt werden können“, so Plagge.

Tina Andres vom BÖLW forderte „alle Abgeordneten des Europaparlaments und insbesondere aus CDU und CSU auf, zu einem Kurs der ökologischen und ökonomischen Vernunft zurückzukehren und sich einer Aufweichung des Gentechnik-Rechts auf Kosten von Umwelt- und Verbraucherschutz und Ökolandbau entschlossen entgegenzustellen!“. Spätestens bei der Abstimmung im Plenum des Europaparlaments müsste die Beschlüsse des Ausschusses korrigiert werden, so Andres.

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