Biohandel

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Verpackung

Essbare Beschichtung kein Thema für Bio-Hersteller

Edeka und Rewe verkaufen seit kurzem Obst und Gemüse mit natürlicher Schutzschicht. Der Biofachhandel in Deutschland lehnt solche Verfahren ab. Anders in den USA: Dort soll es bald beschichtete Bio-Äpfel geben.

Seit Jahrzehnten arbeiten Wissenschaftler an natürlichen Schutzschichten für Obst, Gemüse, Käse und Fleisch. Zahlreiche Beschichtungen aus verschiedenen Ausgangsstoffen sind mittlerweile auf dem Markt. Sie schützen beispielsweise vor zu viel Wasserverlust und vor Keimen. Gleichzeitig sparen sie Verpackung und damit Müll, denn sie sind essbar. Zudem kommen die Produzenten mit weniger Pestiziden aus.

Im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel kommen bereits unterschiedliche Verfahren zum Einsatz. Rewe testet in bis zu 860 Rewe- und Penny-Märkten Avocados, die mit einer Schutzschicht aus Zucker, Zellulose und pflanzlichen Ölen überzogen wurden. Das Verfahren hat das britische Unternehmen Agricoat Natureseal entwickelt. Edeka hat sich unter anderem bei Avocados und Orangen für das Verfahren von Apeel Sciences entschieden. Dieses basiert auf fetthaltigen Substanzen, die in Tomatenschale, Obststielen oder Traubenkernen enthalten sind. Dabei orientiert sich das amerikanische Unternehmen an der natürlichen Schutzschicht Cutin, die zahlreiche Pflanzen nutzen.

Bio-Branche zweifelt an Zulässigkeit der Beschichtungen

Im Naturkostfachhandel sind diese Technologien kein Thema. „Aktuell setzen wir kein entsprechendes Beschichtungsverfahren ein und planen dies auch nicht zu tun“, sagt Dennree-Marketingleiter Lukas Nossol. Ähnlich sieht es bei Alnatura aus. Auch dort befinden sich weder beschichtete Produkte in den Auslagen noch plant das Unternehmen, diese Schutzmechanismen einzusetzen. „Unser Qualitätsmanagement müsste zunächst auch gründlich prüfen, welcher Art diese Substanz ist, mit der Obst und Gemüse beschichtet wird und ob diese für Bio-Produkte überhaupt zulässig ist“, ergänzt Sprecherin Stefanie Neumann.

Auch mehrere Bio-Siegel schließen die Technologie bislang aus. „Nach den aktuellen Vorgaben wäre solch ein Verfahren nicht zulässig und müsste zunächst einer umfangreichen Bewertung unterzogen werden“, heißt es dazu bei Demeter. Der Verein verweist auf die strengen Kriterien sowohl der Öko-Verordnung als auch der Demeter-Richtlinien. So sei beispielsweise selbst das Aufbringen einer künstlichen Wachsschicht auf Demeter-Äpfeln nicht zugelassen, ein Verfahren, das weit in die Zeiten der vorindustriellen Lebensmittelproduktion zurückreicht. Schon im 11. Jahrhundert überzogen Chinesen im Süden des Reiches Zitronen mit Wachs, damit diese die weite Reise in die Paläste des Nordens überstanden.

Bei Demeter weist man zudem auf ein weiteres Problem hin: Derzeit werden in zahlreichen Lebensmittelgeschäften konventionelle von Bio-Lebensmitteln lediglich anhand der Verpackung unterschieden.

Naturland sieht keine ausreichende praktische Erprobung von Apeel und Co.

Auch Naturland lehnt eine Beschichtung ab. „Zum einen müssten diese Konservierungsstoffe auf jeden Fall bio sein, was nicht gesichert ist“, heißt es dort. Ob Algen, Zucker und andere Ausgangsstoffe aus biologischem Anbau stammten, sei nicht klar. Außerdem sei das Verfahren in der Praxis nicht ausreichend erprobt. Diesem Argument stehen allerdings mehrere wissenschaftliche Studien entgegen, die bereits vor Jahren getestet haben, ob die Beschichtungen für die Praxis geeignet sind.

Darüber hinaus bezweifelt Naturland, ob der Nutzen des Verfahrens groß genug ist, den Einsatz zu rechtfertigen. Es ginge nicht nur darum, „ob etwas nicht schädlich ist, sondern eben auch darum, ob es überhaupt notwendig ist.“ Sprecher Markus Fadl stellt daher klar: „Die Naturland-Anerkennungskommission sieht derzeit keine Möglichkeit und keinen Grund, solche Verfahren für Naturland zertifizierte Produkte zuzulassen.“

Bioland-Sprecherin Susanne Rihm verweist darauf, dass es bei diesen Verfahren vor allem um Früchte mit weiten Transportwegen gehe: „Da Bioland heimisch zertifiziert, also nur in Deutschland und Südtirol, spielt dieses Verfahren keine große Rolle für uns.“

Weniger Verpackungsmüll, weniger Lebensmittelverschwendung

Nach Angaben von Rewe halten die behandelten Avocados doppelt so lange wie unbehandelte. „Das ist sowohl für uns als Händler als auch für unsere Kunden vorteilhaft, denn es werden weniger Avocados weggeworfen“, sagt Eugenio Guidoccio, Geschäftsleitung Ware Ultrafrische 1 bei der Rewe Group. Spanische Wissenschaftler konnten bereits 2012 nachweisen, dass entsprechend behandelte Kirschen 16 anstelle von acht Tagen haltbar sind. Laut Apeel Sciences verlängert sich auch die Haltbarkeit von Spargel um das Zwei- bis Dreifache.

Die Beschichtungen reduzieren somit nicht nur Verpackungsmüll, sondern auch die Verschwendung von Lebensmitteln. Allein in Deutschland landen nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr im Müll. „Bei einer 50-prozentigen Reduzierung der Lebensmittelabfälle könnten laut Gutachten der wissenschaftlichen Beiräte für Ernährungs-, Agrar- und Waldpolitik sechs Millionen Tonnen CO2-Äquivalente an Treibhausgasemissionen in Deutschland eingespart werden“, heißt es dazu in einer Veröffentlichung des Ministeriums. Nach Berechnung der Welternährungsorganisation FAO wäre der Lebensmittelmüll – so er eine Nation wäre – der drittgrößte Emittent von Treibhausgasen hinter den USA und China.

Abseits von Deutschland gibt es für die natürlichen Beschichtungen bereits Kunden aus der Biobranche. Mit Hilfe der Apeel-Technologie wolle die amerikanische Sage Fruit Company beschichtete Bio-Äpfel auf den Markt bringen, heißt es bei dem US-Beschichtungshersteller auf Anfrage.

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