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Coronakrise

Ernährungssysteme krisenfest machen

Die Corona-Pandemie hat das weltweite Ernährungssystem an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Wie es dazu kommen konnte und was die Lehren daraus sind, haben internationale Nachhaltigkeitsexperten zusammengestellt.

Unter den Ausgangssperren und dem Herunterfahren der Wirtschaft im Zuge der Corona-Krise leiden die ärmsten Länder und Menschen am meisten: Kinder, für die das Schulessen die einzige Mahlzeit am Tag war. Tagelöhner, die nichts mehr verdienen und kein Essen mehr kaufen können. Länder, die keine Grundnahrungsmittel mehr importieren können.

„Durch die Corona-Krise sind die Schwächen, Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten in Gesundheits- und Ernährungssystemen zutage getreten“, heißt es in einem Bericht internationaler Agrar- und Ernährungsexperten (IPES, International Panel of Experts on Sustainable Food Systems). Deshalb müssten die zur Eindämmung der Krise ergriffenen Maßnahmen die Ernährungssysteme so umbauen, dass die Widerstandsfähigkeit auf allen Ebenen gestärkt werde. Eine Rückkehr zu einem „bussiness as usual“ dürfe es nicht geben, warnen die IPES-Experten.

Industrielle Lebensmittelsysteme haben ausgedient

Als positive Beispiele für Krisenreaktionen erwähnen sie das plötzliche Interesse an solidarischer Landwirtschaft in mehreren Ländern oder die vom indischen Bundesstaat Kerala zusammen mit Frauengruppen eingerichteten kostenlosen Gemeindeküchen. Auch dass Konzerne wie Unilever plötzlich Zahlungen an Lieferanten vorziehen, anstatt sie bis zum letztmöglichen Tag zu verzögern, verbuchen sie als Fortschritt.

Gleichzeitig listen sie aber auch auf, wie Lebensmittelwirtschaft und Agrarindustrie versuchen, anstehende Regelungen zum Umwelt- und Verbraucherschutz mit Verweis auf die Corona-Krise zu sabotieren. „Industrielle Lebensmittelsysteme werden neu als die Lösung präsentiert, trotz ihrer Rolle als treibende Kräfte von Armut und Unsicherheit, beim Klimawandel und bei der Zerstörung von Ökosystemen“, heißt es im IPES-Bericht. Dieser empfiehlt vier Strategien, um die Ernährunsgsysteme krisenfester zu machen:

Lehren aus der Krise

  • Sofortmaßnahmen ergreifen, um den verletzlichsten Bevölkerungsgruppen zu helfen. Dazu zählen nicht nur Lebensmittelprogramme, sondern auch sichere Arbeitsbedingungen für Landarbeiter, bessere Hygienebedingungen für kleine Märkte und Hilfsprogarmme für die Menschen in Slums.

  • Krisenfeste agrarökologische Ernährungssysteme aufbauen. Die Vorteile aus Sicht des IPES: Diese Systeme verringern die Abhängigkeit von meist importierten Düngern und Pestizide. Ihre kurzen Versorgungsketten sind weniger krisenanfällig, sie stärken die Landwirte und lokale Gemeinschaften. Regionale Züchtung von Pflanzen und Tieren verringert deren Krankheitsanfälligkeit.

  • Es braucht einen neuen Pakt zwischen Staat und Gesellschaft, um wirtschaftliche Macht und das Wohl der Allgemeinheit wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die Krise habe gezeigt, dass Regierungen zum Schutz der Bevölkerung drastische Maßnahmen ergreifen könnten. Gleichzeitig seien sie bei der Umsetzung aber auf die Unterstützung der Zivilgesellschaft angewiesen. Insbesondere dörfliche Organisationen, Bauerngruppen und Kooperativen hätten sich als wirksame Puffer gegen Krisenauswirkungen erwiesen, schreibt IPES und plädiert für eine gemeinwohlorientierte Verwaltung, bei der die Zivilgesellschaft mit einbezogen wird.

    Auch dürften die Milliarden an Wirtschaftshilfe nicht einfach verwendet werden, um Unternehmen zu retten und die Nachfrage anzukurbeln. „Die Gelegenheit darf nicht verpasst werden, dieses Geld zu verwenden, um die Wirtschaft zu transformieren“, heißt es im Bericht. Er fordert gesetzliche Maßnahmen, um Marktversagen zu korrigieren, Monopole und weitere Konzentrationsprozesse zu verhindern und dafür zu sorgen, dass Lebensmittelunternehmen die negativen gesellschaftlichen und ökologischen Kosten ihrer Geschäfte auch bezahlen.

  • Die internationale Organsiation der Ernährungssicherung reformieren. Hier empfiehlt IPES, den UN-Ausschuss für Welternährung zu stärken und in den Gesprächen im Rahmen der Klima- und der Biodiversitätskonvention die Rolle der Landwirtschaft noch stärker zu thematisieren.

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