Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Edeka Center Warnow Park

„Einfach Bio-Produkte ins Regal stellen funktioniert nicht“

Um 30 Prozent Bio-Anbaufläche bis 2030 zu erreichen, sind besonders die LEH-Outlets gefordert, mehr Bio-Waren zu vertreiben. Wie das gehen kann, macht das Edeka-Center Warnow Park in Rostock vor.

Bei Edeka gibt es bereits mehrfach Versuche, Bio-Umsätze stärker zu steigern. Mit Naturkind-Inseln in bestehenden Märkten wird derzeit experimentiert, nachdem sich separate Naturkind-Läden offenbar nicht durchsetzen können. Solche Einheiten sind in der Regel notwendig, um Fachhandelsmarken listen zu können und dadurch auch kaufkräftige Fachhandelskunden zu gewinnen.

Die sogenannte Biowelt im Edeka-Center Warnow Park in Rostock erfüllt diese Voraussetzungen mit 17.800 Bio-Artikeln und viel Engagement im Bereich Soziales und Umwelt. Insgesamt hat der Markt 110.000 Artikel im Angebot, davon sind bis zu 78.000 Lebensmittel.

Eine „Biowelt“ auf 600 Quadratmetern

Der Kern der Biowelt mit Trockenware und Mopro erstreckt sich auf einer Fläche von 600 Quadratmetern bei einer Gesamtfläche des Marktes von 9.000 Quadratmetern. Hinzu kommen Flächen für O&G und Platz für Bio-Produkte in konventionellen Sortimentsregalen und Theken.

Trotz Warnungen vor Misserfolgen hatte sich das Team um Geschäftsführer Stephan Cunäus bereits vor über vier Jahren für die Biowelt entschieden und diese ständig weiterentwickelt. Mitte 2021 übernahm Cunäus als selbstständiger Kaufmann mit eigener Firma den Markt und hat dadurch weitere Möglichkeiten, Bio-Lieferanten anzusprechen und zu gewinnen.

Zunächst habe es die Empfehlung gegeben, die Biowelt gleich hinter der O&G-Abteilung zu platzieren. Aber: „Wir als Team sagten, die muss in die letzte Ecke“, so Cunäus. Grund: „Ein Bio-Kunde möchte stöbern, möchte lesen, beschäftigt sich mit Nährwerttabellen. Der deckt nicht nur sein Grundbedürfnis ab, sondern er beschäftigt sich damit. Und wenn die Biowelt hinter der O&G-Welt liegt, dann sind die Bio-Kunden im Trubel und dann ist die Biowelt keine Biowelt.“ Der bioaffine Kunde sei bereit, die „Extrameile“ zu gehen für seine Überzeugung, die er in sich trage.

Auch nicht zertifiziertes Bio wird verkauft

Doch die Biowelt in der Ecke habe zunächst sehr steril gewirkt. Durch Beschilderungen, Leuchtwürfel an der Decke, Wegkennzeichungen und Warenpräsentationen an Gondelköpfen habe die Abteilung einen eigenen Charakter bekommen. In den Regalen ist laut Cunäus praktisch das gesamte Listungsangebot von Grell Naturkost präsent, dazu Alnatura- und Naturkind-Produkte sowie die Handelsmarke Edeka-Bio.

Viele Bio-Marken sind auch in konventionellen Sortimentsregalen zu finden. Das E-Center Warnow Park fährt also zweigleisig, um sowohl bioaffine Kunden gezielt anzusprechen als auch Kunden bei der Auswahl in den Sortimentsbereichen Bio-Alternativen anbieten zu können. Nicht bio-zertifizierte Ware kann auch in der Biowelt stehen, zum Beispiel wenn ein kleiner, ökologisch wirtschaftender Hersteller die Kosten für die Zertifizierung nicht aufbringen kann. Im Zweifel weist ein grüner Rahmen an den Preisschildern auf echtes Bio hin.

„Bio-Ware einfach reinstellen funktioniert aber nicht“, betont Cunäus, der seinen Job auf den Großflächen der Schwarz-Gruppe gelernt hat und bei der Metro Filialleiter war. „Du kannst 17.800 Bio-Artikel platzieren, bist aber am Ende der Kapitalist. Bio braucht Profil“, sagt er voller Überzeugung. Kommunikation nach außen sei deshalb wichtig.

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Von 8 bis 9 Uhr gibt es die „Stille Stunde“

Hilfreich dabei seien Publikationen, die alle acht Wochen erscheinen und über Aktionen innerhalb des Hauses und von den Tätigkeiten der Beschäftigten berichten. Dazu ein Youtube-Kanal, auf dem die Arbeit von Lieferanten vorgestellt wird und etwas Eigenwerbung gemacht wird. Angebotsflyer werden bereits seit anderthalb Jahren nicht mehr verteilt.

Mit vier geschulten Fachkräften werde signalisiert, dass Bio einen hohen Stellenwert habe. Im sozialen Bereich wird die „gute Bezahlung“ genannt. Auch einen Betriebsrat gibt es für die 185 Beschäftigten. „Zufriedene Mitarbeiter sind die Grundvoraussetzung für zufriedene Kunden“, sagt Cunäus.

Eine soziale Komponente ist auch bei der „Stillen Stunde“ im Spiel. Durch Verzicht auf volle Beleuchtung, Musik und durch reduzierte Einräum-Aktivitäten haben nicht nur Kunden täglich von 8 bis 9 Uhr eine Stunde der Entspannung, sondern auch Beschäftigte, die seit sechs Uhr im Einsatz sind. Beim Umwelt- und Klimaschutz ist Cunäus vor allem stolz auf die Einsparung von 500.000 Kilowattstunden pro Jahr durch Installation von Bewegungsmeldern.

Auch das Problem der Lebensmittelverschwendung wird im E-Center Warnow Park ernst genommen. Die Tafel und der Rostocker Zoo erhalten bereits regelmäßig Ware. Seit Mitte September besteht auch eine Kooperation mit der Organisation Foodsharing, die montags bis samstags um 17 Uhr abgelaufene Ware abholt und per Internet an Bedürftige vermittelt. Die Müllentsorgung ließe sich dadurch deutlich reduzieren. Eine Zusammenarbeit mit der Organisation Too Good To Go, die überschüssige Lebensmittel zu einem vergünstigten Preis vermittelt, passt nicht in das Konzept.

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Endverbraucher müssen motiviert, geschult und aufgeklärt werden

Beim Ziel 30 Prozent Bio-Anbaufläche bis 2030 ist Cunäus skeptisch: „Die Frage ist, wo setze ich die Anreize? Wir als Vertrieb müssen mehr tun. Wir dürfen nicht müde werden, den Endverbraucher zu motivieren, zu schulen und aufzuklären: Ja, Du hast jetzt gespart, weil Du einen Discount-Artikel gekauft hast. Aber überlege Dir, was tust Du mit diesem Kauf. Du beeinflusst auch Markt und Vertrieb. Bei uns gibt es die Wahl auf andere Produkte zuzugreifen. Die Ausrede, ich habe nicht die Wahl, ist kein Grund mehr.“ Steuersenkungen bei Bio-Lebensmittel seien auch eine Möglichkeit, um in der Sache voranzukommen.

Neben der Biowelt arbeitet Cunäus mit seinem Team auch an einer Regionalwelt. Diese besteht aus Produkten, die ausschließlich aus Mecklenburg-Vorpommern stammen. „Wir leben in einem sehr stolzen, identifikationsstarken Raum“, sagt der gebürtige Berliner über die Region.

Die Regionalwelt trage zur Kundenbindung bei: „Wenn ich hier einkaufe, dann tue ich automatisch etwas Gutes.“ Das beziehe sich jedoch nicht nur auf heimische Ware: „Wir zahlen unsere Steuern und unsere Kapitalertragssteuern hier, weil wir privat sind. Jeder der bei uns kauft, tut direkt etwas für die Region“, so Cunäus.

„Wir haben Kunden, die sagen, uns ist Regionalität wichtig und umweltfreundliche Landwirtschaft. Deshalb machen wir eine Biowelt und eine Regionalwelt. Und beides trägt extrem Früchte.“

Stephan Cunäus, Geschäftsführer Edeka-Center Warnow Park

Den Produzenten aus Mecklenburg-Vorpommern widmet das Edeka-Center Warnow Park besondere Aufmerksamkeit. Um sie bekannt zu machen, lässt Cunäus Videos drehen, die im hauseigenen Blog auf der regionalen Webseite und auf Social-Media-Kanälen gezeigt werden. Für die meist kleinen Hersteller ist das kostenlose Werbung, allerdings schwenkt die Kamera auch mal in die Verkaufsräume des Edeka-Centers um zu zeigen, wo man die Produkte kaufen kann.

„Das alles macht ein einziger Grafiker, der sich freut, einer konservativen Branche mal einen neuen Umhang zu verleihen“, sagt Cunäus nicht ohne Stolz auf das „bezahlbare“ Storytelling. Bereits 63.000 Views mit einer Verweildauer von 1,45 Minuten habe er im Durchschnitt pro Video registrieren können. Das sei bei einer Einwohnerzahl von 210.000 in Rostock beachtlich.

Cunäus: „Wir haben Kunden, die sagen, uns ist Regionalität wichtig und umweltfreundliche Landwirtschaft. Deshalb machen wir eine Biowelt und eine Regionalwelt. Und beides trägt extrem Früchte.“

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