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Bodan schiebt grüne Logistik an

Der Bio-Großhändler Bodan und der BNN luden ein und 80 Interessenten kamen zu einer bis dato einzigartigen Veranstaltung: Mit Vorträgen und Probefahrten wurde mit Hilfe von Experten viel Wisssenswertes über grüne Logistik vermittelt.

Beim Anlassen ertönt ein Geräusch, das an das freundliche Pling eines Thermomix erinnert. Und dann: Nur ein leises Sirren, wie in einer ultramodernen Straßenbahn. Wir fahren in einem 18-Tonner, der ausschließlich mit Strom betrieben wird, Vor- und Rückwärtsgang auf Knopfdruck. Das Fahrzeug der Schweizer E-Force One AG beschleunigt besser als ein Diesel-Lkw und schafft 20 Prozent Steigung. Maximale Geschwindigkeit 90 km/Stunde, 150 bis 250 Kilometer Reichweite.

Elektroantrieb ist eine von vielen Lösungen auf der Suche nach einer umweltfreundlicheren und weniger lärmenden Transport- und Kühltechnik. Dieter Hallerbach, Geschäftsführer Logistik bei Bodan, befasst sich schon seit längerem intensiv mit diesem Thema. Jetzt rief er, gemeinsam mit dem Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN), Experten aus dem Bereich Logistik-Entwicklung zusammen, die bei einem „Forum Grüne Logistik“ Anwendern in der Bio- und auch Nicht-Bio-Lebensmittel-Branche ihre Lösungswege in Theorie und Praxis präsentierten.

Flavio Cueni, Business Development Manager bei E-Force One, informierte über den E-Transporter: Benötigt werde nur ein Drittel des Energiebedarfs eines Diesel-Lkw, beim Bremsen werde Energie zurückgewonnen. Das Aufladen dauere sechs Stunden, ein Akku lasse sich aber in wenigen Minuten auswechseln. Wenn dafür deutscher Strommix herangezogen werde, sei die CO2-Emission in der Bilanz dennoch nur halb so groß wie beim Diesel-Antrieb. Unterwegs fallen keine Abgase an und Lärmfreiheit ist ein Pluspunkt für Nachtfahrten und Innenstädte. Noch wiegt eine Batterie neun Tonnen – daher plant die AG zunächst nur den Ausbau des Angebots auf größere Lkw. Eine Hemmschwelle ist sicherlich der Preis, der im sechsstelligen Bereich liegt.

Antrieb mit hydriertem Pflanzenöl

Einen Antrieb mit Hybridtechnologie der VW-Tochter Scania präsentierte Stefan Ziegert, Product Manager Sustainable Transport Solutions. Das Unternehmen verbindet Diesel- mit Elektroantrieb, der Motor verträgt auch HVO-Kraftstoff (Hydrotreated Vegetable Oil = Hydriertes Pflanzenöl). Die Reichweite des Akkus beträgt zwei, maximal fünf Kilometer. Geladen wird er über den Motor, also ohne Plug-in. Das Umschalten auf lärmfreien Elektroantrieb erleichtert die Nachtanlieferung. Insgesamt lässt sich 18 Prozent Kraftstoff einsparen und entsprechend reduzieren sich die Emissionen. Für die Zukunft arbeitet Scania an einem Hybrid, der Gas mit Elektro kombiniert.

Treibstoffgewinnung durch Restverwertung

HVO-Kraftstoff stellte Alexander Stöhr, Business Development Manager bei Tool-Fuel Services, vor. Das Unternehmen hat sich sein Herstellungsverfahren für CARE-Diesel patentieren lassen. Der Kraftstoff entsteht aus tierischen Abfallfetten der Nahrungsmittelindustrie, Reststoffen aus der Pflanzenöl-Verarbeitung und aus nachhaltig angebautem Pflanzenöl, wobei letzteres den geringeren Anteil von 20 Prozent ausmacht. Der Kraftstoff sei emissionsarm, annähernd CO2-neutral, kältestabil und gut lagerfähig. Anlieferungen kann das Unternehmen momentan nur in den norddeutschen Raum leisten.

Der Nutzfahrzeughersteller Iveco arbeitet mit E-ForceOne zusammen, wenn es um Elektroantrieb geht. Ansonsten stehen Erdgas-Alternativen im Fokus der Entwicklung. Nachhaltigkeitsmanager Mario Männlein referierte über Methan-Gas, das deutlich weniger Emissionen verursache als Diesel oder Benzin. Es lässt sich als fossiles Erdgas aus natürlichen Quellen gewinnen, aber auch durch Gärung oder Synthese. Gärungsmethan entsteht aus Biomasse, beispielsweise von Müllkippen, Lebensmittelabfällen, Kläranlagen oder aber aus extra zu diesem Zweck angebauten Pflanzen. Synthesegas, auch P2G (Power-to-gas) genannt, ist Solar- oder Windenergie, die mit Hilfe von Wasser-Elektrolyse zu Gas umgewandelt wird, laut Mario Männlein „technologisch möglich, aber noch teuer“.

Öffentliche Methan-/CO2-Tankstellen fehlen

Um Methan als Kraftstoff einzusetzen, kann es verdichtet werden. CNG (Compressed Natural Gas) wird durch Druck komprimiert, LNG (Liquified Natural Gas) wird mit Hilfe von Kühltechnik verflüssigt und so stärker verdichtet als CNG, was die Reichweite verlängert. Iveco setzt auf CNG, LNG und Biomethan. Allerdings: In Deutschland gibt es bislang gerade mal eine öffentliche LNG-Tankstelle.

Doch nicht nur über alternative Antriebe und Energieträger lässt sich der Transport im Lebensmittelbereich umweltfreundlicher gestalten. Das Fachpublikum am Bodensee begutachtete auch innovative Kühltechnik. Flüssiges wiederverwertetes Kohlendioxid durchläuft in Kühlschlangen das Wageninnere und hält mit Hilfe elektrisch betriebener Ventilatoren die Ladung in der gewünschten Temperatur. Das Konzept CryoTech von Thermo King senkt die gesamte CO2-Bilanz auf 75 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen dieselbetriebenen Kühlsystemen und es produziert unterwegs keine Abgase, kein Stickoxid, keinen Feinstaub. Mit 58 dB(A) erreicht es gerade mal Gesprächslautstärke. Das nötige CO2 ist nicht brennbar, kann auf dem Firmengelände gelagert werden. Ein Manko: Bislang gibt es in Deutschland nur eine öffentliche CO2-Tankstelle.

Fracht-Kühlung durch Sonnenenergie

Auch mit Sonne lässt sich kühlen, vorausgesetzt das Dach des Lieferwagens ist mit Photovoltaikpaneelen bestückt – eine Technik, die TBV Kühlfahrzeuge zur Verfügung stellt. Vorzüge im Vergleich zum Diesel-Aggregat: weniger Lärm und keinerlei Abgase. Außerdem läuft die Kühlung auch bei ausgeschaltetem Motor. Nachts arbeiten der geladene Akku und die Lichtmaschine weiter, nur die Einspeisung über die Solarzellen fällt weg. Ausbaufähig soll hier die Service-Infrastruktur sein. Nicht jeder Betrieb sei in der Lage, das Kältemittel Propangas zu tauschen. Und bislang ist Null Grad die niedrigste Temperatur, die sich auf diesem Weg erreichen lässt.

Der Wartungsservice müsste ausgebaut werden, die Tankstellen-Infrastruktur reicht längst nicht aus, die Temperatur, der Energieverbrauch, der Lärmpegel, die Preise könnten noch deutlich sinken. Alle in diesem Rahmen vorgestellten Innovationen zeigen eine Zwischenbilanz, aber sie zeigen auch, dass es Wege gibt, an die Logistiker anknüpfen können. Bodan wird hier eine Leuchtturm-Funktion bescheinigt. Schon heute tankt die Flotte HVO statt Diesel, zwei der 23 Lieferfahrzeuge fahren vorzugsweise mit Biomethan, das zu 100 Prozent aus Abfall- und Reststoffen gewonnen wird und neuerdings gehört auch ein Hybrid-Lkw zum Fuhrpark. Bei der Transportkühlung setzt Bodan auf Kohlendioxid. Erklärtes Ziel des Großhändlers: Bis 2020 sollen die Treibhausgas-Emissionen des Fuhrparks aus der Verbrennung fossiler Kraftstoffe auf Null Prozent reduziert werden.

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