BioHandel: Herr Müller-Sarmiento, Real hat heute die vierte Markthalle eröffnet. Welche Philosophie steckt hinter diesem Ladenkonzept?
Patrick Müller-Sarmiento: Wir wollen den besten Wochenmarkt kreieren. (…) Wir haben hier eine Markthalle, die von ihrem Auftritt her sicherlich vergleichbar ist mit tollen und bekannten Wochenmärkten wie z.B. dem Viktualienmarkt. (…) Wenn Sie dort die Kunden sehen, haben die ein Lächeln im Gesicht, und sind immer im Austausch. So wie Sie es auch kennen von den Bio-Fachhändlern: im Gespräch mit den Kunden. Das hatten wir ein bisschen verlernt und das wollen wir unbedingt wieder zurückholen.
Wie sind Sie darauf gekommen, dass das die Kundschaft will? Sie könnte ja weiterhin auf den Wochenmarkt gehen.
Das werden viele Kunden aber nicht machen, weil ihnen das einfach zu teuer ist. Da haben wir einfach bessere Preise und eine bessere Auswahl.
Wie ist denn die Preisgestaltung bei Bio?
Wir fahren Bio auf drei Schienen von EU-Bio bis hin zu Produkten aus Permakultur. Erstens bieten wir Produkte nach dem „Europäischen Standard“, das ist für uns Preiseinstiegs-Bio. Da kann man diskutieren: „ist das überhaupt richtig Bio?“ Und dann muss man aber gucken, was ist denn dafür der richtige Preis? Weil wir möchten ja nicht, dass bei den Kunden hängenbleibt "Bio ist gleich teuer". De facto sehen wir aber auch, dass bei Permakultur-Erzeugern die Produktivität auf einem Hektar oder vom Quadratmeter her viel höher ist als im konventionellen Anbau. Das heißt, dass die Ware eigentlich günstiger sein könnte. Das Problem ist nur, der Preis, den wir bei konventioneller Ware sehen, unterliegt nicht den gleichen Marktmechanismen.
Preise konventioneller Obst- und Gemüse-Artikel sind Dumpingpreise, die sind subventioniert. Selbst Bio-Ware ist auch noch nicht richtig bepreist, auch diese müsste eigentlich einen anderen Preis bekommen.
Aber Sie setzen dann schon eher auf faire Preise?
Faire Preise, ja. Das steht bei uns auch in der Vision drin. Und da machen sicher auch wir noch Fehler, das gebe ich gerne zu. Daran müssen wir arbeiten. Aber wir sagen jetzt auch nicht mehr ein Kilo Bananen gibt es für 69 oder 89 Cent. Die beiden von uns angebotenen Bananen, die Demeter-Banane sowie die Tip-Banane, sind beide Bio.
Was kostet gerade das Kilo?
Derzeit 1,69 Euro, was immer noch günstig ist, aber es geht in die richtige Richtung.
Mit den Marktküchen haben Sie den Convenience-Gedanken neu umgesetzt. Früher gab’s die Dose, jetzt stehen hier an die zehn Köche und kochen frisch. Weshalb der Aufwand?
Wir sehen ja heute, dass Kunden keine Zeit mehr zum Kochen investieren wollen, jedoch alles in Bio haben wollen und abgepackt darf es auch nicht sein. Die Frage, die sich uns stellt ist: Wie reagieren wir jetzt darauf? In unserer Marktküche können wir genau darauf reagieren. Unsere Antwort: Der Kunde kann einkaufen gehen, parallel etwas zum Essen bestellen und es dann hier gleich verzehren, ganz gleich ob es Veggie-Burger oder Pasta ist. Wir können das auch so zubereiten, dass man es mit nach Hause nehmen kann und dort einfach kurz erhitzt. Aber ich würde mir schon wünschen, dass wir noch mehr Kunden haben, die auch die Produkte wertschätzen. Und das ist unsere Aufgabe, das wieder hinzubekommen, und deshalb auch diese offene Marktküche, die auch den Dialog ermöglicht, dass Köche und Kunden über die Ware sprechen.
Tun Sie auch was gegen Lebensmittelverschwendung?
Wir tun schon eine ganze Menge, aber es ist wahrscheinlich nie genug, weil es einfach viel zu viel ist, aber wir versuchen das zu vermeiden. Wo zu schrumpeligen Tomaten früher unsere Qualitätssicherung gesagt hat ‚Komm, das müssen wir rausnehmen‘ und die meistens in der Tonne gelandet sind, können wir diese jetzt in der Marktküche weiterverarbeiten. Je älter die Tomate ist, desto besser ist auch der Geschmack, und das wissen auch unsere italienischen Pizzabäcker und machen daraus den Sud. Mit der App „Too Good Too Go“ verkaufen wir an allen Standorten Ware, die übrig bleibt, als Überraschungstüten für drei, vier, fünf Euro. Natürlich geben wir auch viele der Waren, die verkehrsfähig sind, an die Tafeln weiter, Und wir versuchen, dass wir auch kleinere Verpackungsgrößen anbieten, etwa für Single-Haushalte.
Die kleineren Verpackungen bedeuten dann aber vergleichsweise viel Plastik, oder?
Das ist mehr Plastik, ja, und auch da müssen wir neue Wege gehen. Es gibt ja schon neue Verpackungen aus nachwachsenden Ressourcen, zum Beispiel aus Zuckerrohr. Da tut sich eine ganze Menge, und da bin ich sehr zuversichtlich, dass wir das Thema zukünftig noch besser gestalten werden.
Wird es in Zukunft noch andere Real-Märkte geben oder werden die alle nach und nach zu Markthallen umgebaut?
Nicht alle Märkte, die wir haben, werden jetzt zu Markthallen werden, aber alle werden zu Wochenmärkten werden. Und da muss das nicht so fancy sein mit so einer Marktküche, man kann auch einfach nur die gute Ware zeigen.
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