Biohandel

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Demeter erarbeitet neue Vertriebsstrategie

Beschleunigt durch rechtliche Bedenken will der Demeter-Verband seine Vertriebsstrategie ändern. Die neue Strategie ist mit einer weiteren differenzierten Öffnung zum konventionellen Handel verbunden, weil bestehende Verträge mit dem LEH Bestandsschutz haben sollen. Im Naturkostfachhandel hält sich die Begeisterung in Grenzen. // Horst Fiedler / Leo Frühschütz

Beschleunigt durch rechtliche Bedenken will der Demeter-Verband seine Vertriebsstrategie ändern. Die neue Strategie ist mit einer weiteren differenzierten Öffnung zum konventionellen Handel verbunden, weil bestehende Verträge mit dem LEH Bestandsschutz haben sollen. Im Naturkostfachhandel hält sich die Begeisterung in Grenzen.
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Horst Fiedler / Leo Frühschütz

Die jetzt geplante Umstellung der Vertriebsstrategie auf verbindliche Qualitätskriterien ist laut Vorstandssprecher Alexander Gerber die Umsetzung eines Mehrheitsbeschlusses im Demeter-Verband. Bislang hatte es eine Vielzahl von Einzelentscheidungen gegeben.

Die Eile jedoch, mit der die neuen Kriterien für die Vergabe von Marke und Siegel des Anbau-Verbandes verabschiedet werden sollen, sei rechtlichen Bedenken am alten Vergabeverfahren geschuldet. Bereits am 26. Oktober 2016 soll die Delegierten-Versammlung den Paradigmenwechsel auf einer außerordentlichen Sitzung beschließen.

Biodynamische Gemeinschaft zusammenhalten

Was den Demeter-Verband auch zur Eile drängt, ist die angebliche Absicht der Drogeriemarkt-Kette dm, ein eigenes Siegel für biodynamisch produzierte Ware auf den Markt zu bringen, wenn es nicht zu einer Einigung mit Demeter kommt. Die Karlsruher würden gern wieder entsprechend ausgelobte Waren in ihre Regale stellen, die ihr durch die Trennung von Alnatura verlorengegangen sind. Bislang informiert der Drogist seine Kunden so: „Der Demeter-Verband vergibt das Demeter-Warenzeichen nach eigenen Grundsätzen. Obwohl wir dessen Anbaugrundsätze erfüllen und in der Vergangenheit bereits Produkte mit Demeter-Siegel angeboten haben, konnte sich der Demeter-Verband bisher nicht dazu entschließen, mit uns direkt zusammenzuarbeiten. Auf dem Etikett ist demnach kein Demeter-Warenzeichen vorzufinden.“

Neben der Einführung von qualitativen Kriterien für die Verwendung der Demeter-Marke soll es die Möglichkeit geben, biodynamisch erzeugte und verarbeitete Produkte unter einem biodynamischen Siegel zu vermarkten, sofern die entsprechenden Richtlinien eingehalten werden. Mit dieser neuen Regelung könne auch dm ein Angebot gemacht und die biodynamische Gemeinschaft so unter dem Dach der Darmstädter zusammengehalten werden, formuliert Gerber das Ziel.

Bio-Umsatz ein Qualitätskriterium für den LEH

Der allgemeine Bio-Umsatz der Vertriebsstätte soll künftig ein Maßstab dafür sein, ob jemand Demeter-Ware führen darf oder nicht. Von fünf Prozent Bio-Umsatz im Einzelhandel ist im derzeitigen Beschlussvorschlag die Rede. Alexander Gerber kann sich vorstellen, dass diese Zahl aktuell noch nach oben korrigiert wird. Die Anforderung dürfe jedoch nicht die bestehenden Handelsbeziehungen gefährden. Den prozentualen Umsatzanteil, der sich am durchschnittlichen Bio-Umsatz des gesamten Lebensmitteleinzelhandels orientiert, soll die Delegierten-Versammlung laut Beschlussvorlage regelmäßig „anpassen“.

Wer Demeter-Ware vertreiben will, muss sich darüber hinaus einem Anerkennungsverfahren unterziehen und sich vertraglich verpflichten, Qualitätsanforderungen zu erfüllen, die den ideellen Ansprüchen des Verbandes genügen. An der Frage der Umsetzung wird laut Gerber aktuell noch gearbeitet. Sie werde aber Folgendes beinhalten: vertragliche Regelungen, Meldepflichten, Durchführung von Betriebsentwicklungsgesprächen, Stichprobenkontrollen und die Empfehlung, den von Demeter entwickelten Fragebogen zur Qualität der Zusammenarbeit in den Jahresgesprächen anzuwenden.

Keine Demeter-Ware für Discounter

In der 17-seitigen Beschlussvorlage für die außerordentliche Mitgliederversammlung, Version 2 vom 20.9.2016, sind die einzelnen Anforderungen aufgeführt und erläutert. So soll beispielsweise in den Abverkaufsstätten außerhalb des Naturkostfachhandels eine breites Bio-Sortiment (Richtgröße 350 Bio-Produkte) stehen. Im LEH muss zudem Info-Material zur Biodynamischen Wirtschaftsweise vorgehalten werden. Das Personal soll mindestens alle drei Jahre durch eine von Demeter anerkannte Schulung geschult werden. Und die Produkte müssen als Premium-Produkte in qualitativ hochwertiger, natürlicher Anmutung, präsentiert werden. Für Drogeriemärkte gelten laut Gerber ebenfalls fünf Prozent Bio-Anteil am Gesamtumsatz. Discounter sollen durch Ausschlusskriterien nicht mit Demeter-Ware beliefert werden.

Eigene Regelung für Handelsmarken

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Statements von Marktteilnehmern zur geplanten Änderung der Vertriebsstrategie

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"Mehr Zeit für die fachliche und rechtliche Ausformulierung“

Ein sicheres Nein zur bisher präsentierten Beschlussvorlage wird es auf der Delegiertenversammlung von Gerhard Sailer, Einkaufschef der Basic AG, geben. Er ist jedoch einer von wenigen Vertretern des Naturkosteinzelhandels, die in der 60-köpfigen Delegierten-Gruppe eine Minderheit darstellen. Für ihn ist eine Demeter-Marke in einem Umfeld, das die Werte des Naturkostfachhandels nicht lebt, unvorstellbar. Sailer schlägt vor, das Demeter-Zeichen für den Fachhandel einzusetzen und das bio-dynamische Siegel für die übrigen Vertriebswege. Dadurch könne Demeter-Ware bei Produktionsspitzen auch außerhalb des Fachhandels abgesetzt werden. Eine klare Abgrenzung sei notwendig. Sailer fordert mehr Zeit für eine „fachliche und rechtliche Ausformulierung“. „Eine Siegelentscheidung vorab pro dm sollte dies nicht verhindern“, schreibt er an den Demeter-Vorstand.

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„Brauche das Demeter- oder Bioland-Siegel nicht auf meiner Ware“

Michael Radau, Vorstand der SuperBioMarkt AG, sieht im Streit zwischen dm und Demeter ein Paradebeispiel dafür, wie der Fachhandel in seiner Naivität hilflos den Machtinteressen des konventionellen Handels gegenübersteht. Er geht davon aus, dass es Bioland ähnlich ergehen wird. „Das Rad ist schwer zurückdrehbar. Wir im Fachhandel müssen gucken, dass wir Zeichen setzen, was ein guter Fachhandel ist. Ich brauche das Demeter- oder Bioland-Siegel nicht zwingend auf meiner Ware“, sagt er. Was das Leistungsgebende bei Demeter und Bioland sei, wüssten ohnehin die wenigsten. Und noch weniger würden beispielsweise den Unterschied zwischen holländischem und deutschem Demeter kennen. „Bioland und Demeter haben in den vergangenen Jahren nicht an Schärfe gewonnen, die Marken sind deshalb nicht profilgebend für den Fachhandel“, argumentiert Radau. Der Naturkostfachhandel stehe vor der Aufgabe, stärker an seinem Profil zu arbeiten. Selbstverständlich spielten die Anbaumethoden für den Fachhandel weiter eine herausragende Rolle, aber sie ließen sich auch anders kommunizieren als über Verbands-Zeichen und Siegel.

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„Fachhandel zu zersplittert und zu schwach“

Lothar Wondrak, Mitgesellschafter der Terra Verde-Märkte in Hessen, hatte nach Aufhebung des Fachhandelsbeschlusses 2011 bereits mit einer Inflation der Demeter-Marke im LEH gerechnet. Grundsätzlich sieht auch er das Handeln als ureigene Aufgabe eines Einzelhändlers und nicht das Pochen auf Fachhandelstreue. „Man kann so etwas nur für einen Moment blockieren. Der Biofachhandel ist zu zersplittert und zu schwach, um sich dauerhaft gegen die Macht des Marktes stemmen zu können“, sagt er. Zudem sei man sich in der Branche nicht einig und es gebe keine Struktur, die mit Unternehmen oder Verbänden in verbindliche Verhandlungen treten könne. Wondrak plädiert daher für einen Verbund, etwa für den gemeinsamem Einkauf und eine gemeinsame Abrechnung. Dieser sei heute nötiger denn je. Denn alle Fachhändler hätten beim Engagement von Fachhandelsmarken im LEH die gleichen Probleme, auch die Filialisten. Für diejenigen Biohändler, die seit vielen Jahren als Demeter-Aktiv-Partner Gebühren an den Anbauverband zahlen, sieht er eine vertrackte Situation: „Damit finanziert der Verband jetzt womöglich seine Vertriebsstrategie im LEH.“

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"Bio für alle war das ursprüngliche Ziel"

Thomas Brandt, Geschäftsführer des Füllhorn-Biomarktes in Bruchsal, besinnt sich auch auf sein händlerisches Können und hat grundsätzlich kein Problem damit, dass Ware mit dem Demeter-Zeichen und Fachhandelsmarken im LEH stehen. „Bio nur im Fachhandel wäre traurig. Erst seit der Einlistung im LEH ist Bio gesellschaftsfähig geworden“, sagt er und verweist darauf, dass „Bio für alle“ in den Anfangszeiten der Bio-Bewegung das ursprüngliche Ziel gewesen sei. Die Nachbarschaft zu einem Rewe-Center und dessen großem Bio-Sortiment sei unproblematisch für seinen Biomarkt. Mögliche Probleme sieht er jedoch bei der Frage, wer bei Knappheit des Rohstoffangebotes letztlich die Ware bekommt – der Fachhandel oder der LEH? Auch ein Preiskampf sei verheerend für den Fachhandel.

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„Finde vieles von den Demeter-Leitsätzen nicht wieder“

Thore Quednau, Vertriebsleiter der Ulrich Walter GmbH (Lebensbaum), hat sich im Vorfeld der Diskussion über die Neuausrichtung noch mal die Demeter-Leitsätze angesehen. „Vieles davon finde ich in der Beschlussvorlage nicht wieder“, stellt er fest. Zudem seien die Qualitätskriterien nicht ausdiskutiert und kein Monitoring vorgesehen: „Welche Zertifizierungsstelle überprüft die Verkaufsstellen, ob sie die Anforderungen von Demeter erfüllen?“ Für ihn sei die Diskussion noch ein Prozess, der vieles offen lasse. Auf rund 20 Prozent vom Gesamtumsatz beziffert Quednau den Demeter-Umsatz von Lebensbaum. „Was wir dort an Gebühren reingeben, soll ausschließlich dem Fachhandel zu Gute kommen und nicht zum Aufbau des LEH-Vertriebs dienen“, fordert er.

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„Immer ausreichend Demeter-Ware für den Fachhandel“

Zuversichtlich, dass im Sinne des Fachhandels entschieden wird, ist Volkmar Spielberger: „Bislang ist die Demeter-Vertriebsstrategie noch nicht abschließend neu entwickelt. Sie wird erst Ende Oktober besprochen und beschlossen. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass die Fokussierung auf den Bio-Fachhandel auch mit der neuen Strategie sichergestellt wird.“ Dass es Verteilungskämpfe um Demeter-Rohstoffe geben wird, glaubt er für seinen Betrieb nicht: „Die Spielberger Mühle produziert nur Demeter-Produkte exklusiv für den Fachhandel. Durch unsere jahrzehntelangen, engen Lieferantenbeziehungen ist sichergestellt, dass immer ausreichend Demeter-Ware für den Fachhandel zur Verfügung steht.“

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[nbsp]„Ich befürworte die neue Vertriebsstrategie“

Markus Kampf, Vorstand der Naturata AG, begrüßt die neue Vertriebsstrategie: „Ich befürworte die neue Vertriebsstrategie und bin froh, dass qualitative Kriterien für die Vertriebskanäle definiert werden, sowie verbindliche Aussagen, wer was darf und wer nicht.“ Wichtig findet er, dass Handelsmarken nur das Siegel „bio-dynamisch“ tragen dürfen und nicht das Demeter-Logo (Anm. d. R.: Für Alnatura und andere soll eine dreijährige Übergangsfrist gelten). „Wir beliefern den LEH nicht und haben das auch nicht vor. Es gibt ja nicht mehr Mengen aufgrund der Öffnung für neue Vertriebswege, die Verfügbarkeit von Demeter-Rohstoffen ist eher knapp.“ Naturata hat seine Wertschöpfungskette im Griff. Und wir haben unsere Demeter-Projekte, aus denen wir Rohstoffe beziehen. Wir handeln auch nicht mit Commodities, sondern mit hochwertigen Lebensmitteln, wir haben kein Haferflockenmüsli.“

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„Juristische Ressourcen fehlen, um sich gegen Konzerne zu wehren“

Friedemann Vogt, Geschäftsführer der Molkerei Schrozberger, hat den bundesweiten Edekanern allerdings schon vor zehn Jahren einen Korb gegeben, verkauft nur vor Ort auch an ein paar selbstständige Einzelhändler. „Wir sind von den großen Molkereien die einzige fachhandelstreue“, sagt er. Er sieht ein Problem darin, dass Demeter gar nicht die juristischen Ressourcen habe, sich gegen Konzerne zu wehren und nennt als Beispiel die Schweizer Großmolkerei Emmi, die den Demeter-Eishersteller Rachelli geschluckt hat. „Welche Chancen hat Demeter, wenn Emmi Demeter-Eis in nicht erlaubte Vertriebskanäle gibt?“ Alles läuft für ihn darauf hinaus, dass sich Fachhändler weniger an einem Verbandslogo orientieren, sondern gezielt mit den Herstellern zusammenarbeiten, deren Qualität und Ansprüche zu ihnen passen.

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„Immer mehr Hersteller mit Hauptmarke in verschiedenen Vertriebswegen“

Christoph Soika, Vertriebsleiter des Großhändlers LogiBio, wundert sich nicht, dass angestammte Marken inzwischen auch außerhalb des Fachhandels zu finden sind. „Unternehmen, die Kapazitäten ausbauen, unterwerfen sich automatisch den Marktgesetzen“, erläutert er. Bio sei nicht mehr in der Nische. Kaum jemand sei noch fachhandelstreu. Soika rechnet damit, dass immer mehr Hersteller über kurz oder lang ihre Zweitmarken aufgeben und nur noch mit der Hauptmarke in verschiedenen Vertriebskanälen unterwegs sein werden.

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Änderungen der Beschlussvorlage zu erwarten

Spätestens am 18. Oktober 2016 soll eine neue Beschlussvorlage an die Delegierten versandt werden. Demeter-Vorstand Alexander Gerber spricht von guten Vorschlägen aus dem Fachhandel, die zu einem gemeinsamen Vorgehen beitragen. Der Naturkostfachhandel sei Demeter-Partner par Excellence und habe einen großen Vorsprung vor anderen Vertriebskanälen, was die Anforderungen an den Vertrieb von Demeter-Produkten angehe. Aber auch der Fachhandel sei aufgerufen, die Marke Demeter zu entwickeln und dürfe seine Aktivitäten nicht nur auf den Wunsch beschränken, Demeter-Erzeugnisse exklusiv verkaufen zu können, so Gerber.

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Zusammensetzung der Delegierten

Der Kurs des Demeter e.V. wird von der Delegiertenversammlung mit 60 Delegierten bestimmt, die sich aus Vertretern der verschiedenen Fachgruppen wie Bäcker, Markenartikler, Verbraucher oder Forscher und den landwirtschaftlichen Regionen zusammensetzt. Dabei handelt es sich um folgende Gruppen: 30 Erzeuger, 18 Verarbeiter, 6 Händler, 4 Forscher, 2 Verbraucher.

Die Fachgruppe „Handel“ besteht aus sechs Delegierten aus den Bereichen Naturkost-Einzelhandel (Demeter-Aktiv-Partner), Naturkost-Großhandel und konventioneller Großhandel. Darunter sollten mindestens zwei delegierte Naturkost-Einzelhändler (Demeter-Aktiv-Partner) bzw. -Großhändler sein.

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