Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

4. Marktgespräch

Im Wettbewerb um Bio bestehen

Für die Zukunftssicherung der Naturkostbranche ist noch keine einvernehmliche Lösung in Sicht. Das 4. Marktgespräch förderte jedoch Ansätze zutage, an denen weitergearbeitet werden soll. Dazu gehört, die Qualitäten und Werte der Branche auch außerhalb der Läden erlebbar zu machen, um neue Kunden zu gewinnen und abtrünnige zurückzuerobern.

Rund 60 Branchenakteure hatten sich in Fulda zusammengefunden, um eine Strategie zu entwickeln, mit der dem Wettbewerbsdruck von LEH und Discountern begegnet werden kann. Susanne Eichholz-Klein, Bereichsleiterin am Institut für Handelsforschung (IFH), skizzierte die schwierige Ausgangssituation für den Naturkostfachhandel, die sich aus Kundenverhalten und den vielfältigen Uptrading-Aktivitäten der konventionellen Wettbewerber ergibt. So wollen 86 Prozent der Konsumenten ihren Lebensmitteleinkauf bei nur einem Händler erledigen und der sollte zudem gut erreichbar sein. Eine Befragung des IFH hatte zudem ergeben, dass der LEH aus Sicht von 75 Prozent der Verbraucher nach wie vor das beste Preis-Leistungs-Verhältnis hat. Von der hohen Qualität der Produkte waren 70 Prozent überzeugt – eine Steigerung von 10 Prozent innerhalb von fünf Jahren.

LEH profiliert sich mit Mehrwert-Themen

Zum Uptrading-Konzept des konventionellen Handels gehört laut Eichholz-Klein das Ziel, zum Rundumversorger zu werden und somit eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Der Wunsch der Verbraucher nach mehr Freizeit habe zudem den Ausbau der Convenience-Bereiche im LEH und bei den Discountern beflügelt. So biete Aldi inzwischen gekühlte Snacks und Kaffee aus Automaten an. Die Trennung von Einkaufen und Essen werde in manchen LEH-Outlets inzwischen praktisch aufgehoben. Der LEH sei auf dem Weg, Teil der privaten Erlebniswelt zu werden.

Auch bei Trend-Themen wie Gesundheit mischen LEH und Discounter mit. Über 80 Prozent der unter 30-jährigen wollen dafür mehr Geld ausgeben. Diese sogenannten Smart Natives trügen ihre Themen in die Familien, z.B. die vegane Ernährung, und seien deshalb relevant für den Handel. Bei dieser Zielgruppe spiele die Kommunikation eine große Rolle. Die Image-Videos der großen Ketten deuten darauf hin, dass sie die Nachwuchskunden im Blick haben. Für Aufmerksamkeit bei den Verbrauchern sorgten auch Pop-up-Stores von Aldi (anlässlich der Weinmesse in Düsseldorf) und Lidl (Bekleidung).

„Konsequent regional“ als mögliche Strategie

Einen Schritt in Richtung Lösung für den Naturkostfachhandel machte der zweite Referent, Cyriacus Schultze, Food and Wine Culture-Unternehmensberatung. Er riet den Einzelhändlern zu hinterfragen, warum Kunden bei ihnen einkaufen und woran der Kunde den Unterschied zu anderen Outlets erkennen könne. Marken allein gäben nicht den Ausschlag, sie seien nur zu 25 Prozent relevant für die Entscheidung zugunsten eines Ladens. Sie müssten meist noch durch Storytelling von den Herstellern positiv aufgeladen werden (Beispiel Bio Planète).

Um unterscheidbar zu werden, empfiehlt der Unternehmensberater die „regionale Genusskultur“ zu betonen. Dazu müsse der Kontakt zu Herstellern kommuniziert werden. So werde Vertrauen geschaffen. Der Mehrwert im Laden könne durch eine Reihe von Zusatzangeboten erbracht werden: Dazu gehörten mehr Snacks, Verkostungen, Weinproben, Kochabende, Rezepte und Küchenzubehör. Außerdem sollten Produzenten (Bäcker, Metzger usw.) eingeladen werden. Die Attraktivität des Ladens ließe sich durch durchgehende Öffnungszeiten, Packdienst und Seniorenservice erhöhen. Und durch das Angebot von loser Ware ließe sich bei der Verpackung ein Signal setzen.

Sichern Stammkunden das Überleben?

Schultze hatte in Vorbereitung auf seinen Vortrag drei Naturkostläden unterschiedlichen Alters und Größe besucht, um in Erfahrung zu bringen, wie die sich gegen Bio von Rewe, Edeka sowie Aldi und Co behaupten. Zwei Antworten:

„Unser Geschäft ist Treffpunkt. Wir haben sehr loyale Kunden, die Nachhaltigkeit durch ihren Einkauf bei uns fördern wollen. Wir veranstalten Weinproben und Verkostungen mit Herstellern.“

„Wir sind Treffpunkt in der Region. Kunden fühlen sich verbunden. Man weiß wer wir sind, was wir leisten und dass wir mit dem Herzen 100 Prozent hinter dem stehen, was wir tun. Das kann kein Supermarkt leisten. Auch regelmäßige Verkostungen.“

Der Unternehmensberater kommt zu dem Schluss, dass Kunden in einer digitalen Welt nach analogen Einkaufserlebnissen und Sicherheit suchen.

Gefühle auf Basis von Fakten vermitteln

Einen anderen Ansatz, die Unterschiede von LEH und Naturkostfachhandel herauszustellen, hat Hilmar Hilger, Sprecher des Bundesverbandes Naturkost Naturwaren (BNN). Er plädiert dafür, die von BNN und Naturkost Süd erarbeiteten Sortimentsrichtlinien den potenziellen Kunden näher zu bringen. „Wir wollen Gefühle auf Basis belastbarer Fakten vermitteln“, so Hilger. Durch ein 100-Prozent-Bio-Zeichen solle der Verbraucher wie beim Fairtrade-Siegel den Nutzen erkennen. Für das angedachte gemeinsame Zeichen für den Fachhandel sei der „Werkstattprozess“ noch nicht abgeschlossen. Zu Jahresbeginn 2018 soll ein Ergebnis vorliegen.

Mehr Events schaffen

Den Ideen und Möglichkeiten, was die Zukunft des Fachhandels angesichts der zunehmenden Bedrohung durch den LEH sichern kann, wurde auch am Nachmittag in drei Workshops nachgegangen. Dabei thematisierte ein Workshop unterschiedliche Ansätze, wie Hersteller und Handel gemeinsam besser zusammenarbeiten können, um insbesondere neue Kunden in den Fachhandel zu bekommen.

Ein Ergebnis waren mehr gemeinsam von Herstellern und Handel ausgerichtete Events in den Fachgeschäften – bieten Sie doch außerhalb der normalen Einkaufs- und Öffnungszeiten eine attraktive Möglichkeit, über besondere Themen wie z.B. eine Weinprobe potenzielle neue Kunden in die Fachgeschäfte zu führen. Bislang erführen die Kunden erst im Laden, was die Biobranche leiste. So seien keine neuen Kunden zu gewinnen, hieß es.

Ein weiterer Workshop sah die Notwendigkeit für Außenauftritte. So könnten sich beispielsweise mehrere Läden bei passenden Anlässen (z.B. Heldenmarkt) mit Herstellern zusammenschließen und dort für ihre Werte und Produkte werben. Dazu sei es erforderlich, Werte und Qualitäten zu verbinden und verständlich zu machen. Für ein gemeinsames Zeichen sei die Branche zu vielfältig. Sie müsse zunächst in einen Selbstfindungsprozess eintreten und klären, wer dazu gehöre und wer nicht. Die für Kunden und potenzielle Kunden geschaffenen Erlebnisse könnten jedoch eine „Vorstufe“ für ein gemeinsames Zeichen sein.

Eine Idee war auch das „andere Wirtschaften“ positiv zu kommunizieren (aber wie?) und bestimmte Sachen, die man bewusst nicht macht, hervorzuheben. Einigkeit bestand darin, dass bei allen Vorhaben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Augenhöhe eingebunden werden, damit sie die Begeisterung teilen und an die Kunden weitergeben.

Marktgespräch

Bei den Marktgesprächen diskutieren die Teilehmer mit Experten und Branchenakteuren über Entwicklungen im Bio-Fachhandel – und entwickeln Strategien für die Zukunft.

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