Dass Kosmetikhersteller so gerne zu der Zutat Glycerin greifen, hat einen einfachen Grund: Die Substanz reichert Feuchtigkeit in der Haut an. „Drei bis fünf Prozent Glycerin in einer Creme und die Haut ist gut mit Feuchtigkeit versorgt“, sagt Heinz Jürgen Weiland, Chemiker und Geschäftsführer des Naturkosmetik-Herstellers Ayluna.
Glycerin ist Teil des hauteigenen Feuchthaltesystems sowie ein natürlicher Bestandteil aller pflanzlichen und tierischen Öle und Fette. Diese bestehen aus Triglyceriden: drei langen Fettsäuremolekülen, die Glycerin an ihrer Basis zusammenhält. Das gesamte Molekül kann man sich ähnlich wie einen Kamm mit drei Zinken vorstellen.
Glycerin fällt immer dann an, wenn die Fettsäuren getrennt voneinander verarbeitet werden sollen und man es deshalb abspaltet. Das passiert im großen Stil dort, wo aus Palm-, Soja- oder Rapsöl Biodiesel hergestellt wird. Auch beim Verseifen von Fetten wird Glycerin frei (siehe Kasten). Zudem lässt sich die Substanz auch aus Erdgas herstellen. Kurzum: Glycerin ist eine leicht zu produzierende Substanz. Im Alltag begegnet sie uns zum Beispiel auch als Frostschutzmittel.
Die Menge in der Creme macht´s
Für Kosmetik ist Glycerin interessant, weil es hygroskopisch ist: Es zieht Wasser aus der Umgebung an, bindet es und gibt es nur langsam wieder ab. Das Wasser stammt aus Creme oder Shampoo, und wenn das Glycerin noch mehr binden kann, auch aus der Luft. So kann der Stoff die Haut sehr wirkungsvoll dabei unterstützen, Feuchtigkeit zu halten. Zusätzlich sorgt Glycerin dafür, dass die hauteigene Feuchtigkeit weniger stark verdunstet.
Allerdings gibt es auch Skeptiker, die der Meinung sind, dass Glycerin der Haut Feuchtigkeit aus tieferen Schichten entzieht und sie daher auf Dauer austrocknen würde. Das ist nach Ansicht der Naturkosmetik-Expertin Heike Käser, die die Website www.olionatura.de betreibt, allein eine Frage der Konzentration. Nur wenn sehr viel Glycerin in einer Rezeptur wäre, könne sich die feuchthaltende Wirkung in ihr Gegenteil verkehren. Doch das geschehe erst bei mehr als 30 Prozent Glycerin. Und so viel enthält in der Regel kein Kosmetikprodukt.
Der langjährige Kosmetikentwickler Heinz Jürgen Weiland sieht das ebenso: „Üblich sind maximal 5 Prozent in Cremes und 10 Prozent in Shampoos.“ In Shampoos mildert Glycerin die austrocknende Wirkung von reinigenden Tensiden auf die Kopfhaut.
Woraus Glycerin gewonnen wird
Naturkosmetik-Hersteller setzen nur pflanzliches Glycerin ein. Meistens wurde es aus konventionellen Rohstoffen gewonnen. Auf dem Markt gibt es Glycerin aus Palmöl und – etwas teurer – palmölfreie Varianten aus Raps-oder Sojaöl. Hersteller, die beim Einkauf auf palmölfreie Lieferketten achten, loben diesen Mehrwert meist eigens aus. Denn aus der Zutatenliste wäre die Herkunft nicht erkennbar.
Nur selten prangt hinter dem Glycerin ein Sternchen*, das signalisiert, dass der Glycerin-Rohstoff aus Bio-Anbau stammt. Dass viele Naturkosmetik-Hersteller sich zurückhalten, liegt am Preis: „Bio-Glycerin aus Bio-Kokosöl oder Bio-Palmöl ist etwa zehnmal teurer als konventionelles Glycerin, bei Bio-Soja aus Indien als Rohstoff beträgt der Preis etwa das Fünffache“, erklärt Christina John, Produktmanagerin für Bio-Glycerin bei Cremer Oleo. „Das Unternehmen war eines der ersten auf dem europäischen Markt, das Bio-Glycerin anbot.“
Das gilt für die Bio-Auslobung
Von den großen Herstellern setzt Dr. Hauschka standardmäßig Bio-Glycerin ein, das in diesem Fall aus Bio-Leinöl produziert wird. „Unser Anspruch der Bio-Qualität gilt auch für hochverarbeitete Rohstoffe“, sagt Nicoline Wöhrle, die die Kommunikation bei Dr. Hauschka leitet.
„Bei Benecos, BenecosBio und GRN wird wo immer möglich Bio-Glycerin eingesetzt“, sagt Jeanine Gensler vom Hersteller Cosmondial, schränkt aber ein: Es gebe Zutaten, die aus mehreren unterschiedlichen Inhaltsstoffen bestehen, von denen einer konventionelles Glycerin sein kann. So sei es möglich, dass in einer Formulierung beides – Bio-Glycerin und konventionelles Glycerin – enthalten sind. „Dann darf man das Bio-Glycerin nicht in der Zutatenliste ausloben“, erläutert Gensler.
Glycerin in der Seife
Beim gängigen Seifensieden werden Pflanzenöle mit starker Lauge bei über 100 Grad gekocht. Dabei spalten sich die Fettsäuren vom Glycerin ab. Anschließend wird Kochsalzlösung zugegeben, wodurch sich neben anderem auch das Glycerin absetzt und die Seife übrig bleibt. Oft fügen Hersteller wieder etwas Glycerin hinzu, weil das die Seife geschmeidiger macht.
Früher war das Seifensieden ein Handwerk, heute liefern große Chemiekonzerne den Herstellern die gewünschten Seifengrundstoffe. Naturkosmetik nutzt meist pflanzliche Bio-Öle. Kleine Seifenmanufakturen arbeiten bei Temperaturen zwischen 40 und 80 Grad und ohne Salzlösung. Dadurch bleiben Glycerin und andere Inhaltsstoffe des Öls in der Seife.
Aus Sicht der Manufakturen erhöht sich so das pflegende Potenzial. Ein Überschuss an Öl soll zudem dafür sorgen, dass die Seife rückfettend wirkt. Der von Manufakturen oft verwendete Begriff Naturseife ist übrigens weder genau definiert noch geschützt. Wer wissen will, wie die Seife entstand, muss nachfragen.
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