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Worauf es beim Verkauf von bio-fairem Kaffee ankommt

Lange Zeit war Kaffee im Bioladen einfach nur bio, doch auch faire Handelsaspekte gewinnen immer mehr an Bedeutung. Was Kaffee darüber hinaus zu bieten hat, sollten Ladner offensiv betonen.

Zwei Punkte sind für Kaffee im Bioladen wichtig: Umweltschonender Anbau sowie faire soziale Standards sowohl in der Produktion als auch im Handel. Die Auswahl an Kaffees, die diese Kriterien erfüllen, ist groß. Kaffeekenner wissen an der braunen Bio-Bohne allerdings noch mehr zu schätzen.

Umsatz mit Kaffee

Kaffee verzeichnet auch in unsicheren Zeiten Zuwachsraten – von etwa drei Prozent im März und April gegenüber dem Vorjahreszeitraum spricht der Deutsche Kaffeeverband 2020. Im Bio-Fachhandel lief der Verkauf von Röstkaffee (ohne Espressobohnen) bereits zuvor moderat steigend und seit des Lockdowns im Frühjahr sogar mit zweistelligem Umsatzzuwachs: insgesamt 13,5 Prozent über den gesamten Zeitraum von August 2019 bis Juli 2020.

Spitze war der März mit fast 35-prozentiger Steigerung. „Hintergrund dürfte neben Bevorratung sein, dass der Außerhausverzehr von Kaffee massiv zurück gegangen ist und daher möglicherweise durch Konsum daheim und im Homeoffice ersetzt wurde“, kommentiert Fabian Ganz von Biovista diese Entwicklung. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach fairem Kaffee, der ebenfalls Bio-Kriterien erfüllt: 76 Prozent der fair gehandelten Kaffees sind inzwischen bio-zertifiziert, gibt das Forum fairer Handel für 2019 bekannt.

Umsatz mit Kaffee steigern

Eine besondere Rolle kann der Biofachhandel in diesem Produktsegment spielen. Denn das, was Kunden suchen, sind verlässliche bio-faire Produkte. Die ‚faire‘ Siegel- und Zeichenvielfalt beim Bio-Kaffee ist jedoch nicht ganz einheitlich, weil viele Siegel kursieren. Das birgt Erklärungsbedarf (siehe Infobox „Fairer Kaffee“). Gleichzeitig solle die geschmacklich hohe Qualität und die Vielfalt der braunen Bohnen in den Vordergrund gestellt werden, meint Florian Hammerstein von Original Food, denn hier habe das Sortiment mehr Stärken als vielen bekannt.

Auswahl zwischen Pulver und ganzer Bohne

Für die Platzierung der Kaffees im Laden, ebenso für die Sortimentsbreite gibt es keine generell beste Lösung. „Auch beim Bio-Kaffee zeigt sich ein großer Trend in Richtung ganzer Bohne“, stellt Karsten Suhr von Mount Hagen fest. Laut Biovista entfallen fast 60 Prozent der Röstkaffee-Umsätze auf gemahlen, 35 Prozent auf die ganze Bohne (ohne Espresso und Instantkaffee). „Stark geröstete dunkle Espressi sollten genauso wie milde Varianten fest mit im Programm sein. Immer im Blick, eine ausgewogene Mischung von Bohne wie Pulver“, empfiehlt Eva Kiene von Rapunzel.

In städtischen Lagen mit vielen Single- und Zwei-Personen-Haushalten sieht Florian Hammerstein ein Potenzial zu portionierten Kaffeeeinheiten. Individuelle Lösungen, je nach Lage des Geschäftes und nach Kundenbedürfnissen, müssten ausgetestet werden. Anne Drepper, Mitinhaberin von Naturkost Slickertann in Münster erzielte durch ein Umräumen der Ware im Regal einen ordentlichen Verkaufsschub: Seit die Kaffees auf mehrere Meter in den drei oberen Etagen verlegt wurden, greifen die Kunden messbar häufiger zu.

Kaffeeduft hilft

„Zweitplatzierungen, vorzugsweise in speziellen Displays, lohnen zeitweise in Kombination mit dezenten Aktionsrabatten“, empfiehlt Karsten Suhr. Ist ein Bistro-Bereich vorhanden, bietet das Vorteile. „Der Kaffeeduft hilft und es können Aktionswochen, beispielsweise mit Wildkaffee, gestartet werden“, empfiehlt Florian Hammerstein.

Zusätzliches Dekorationsmaterial wie Kaffeesäcke, Rohkaffee, ausgestreute Kaffeebohnen, Plakate, Postkarten und Infobroschüren schaffen die passende Atmosphäre – unterstützt wird das zum Thema Fair Trade z.B. von Gepa oder Weltpartner. Ebenso steht gut aufbereitetes Infomaterial von Altomayo, Lebensbaum, Original Food oder Rapunzel bereit. „Wir schicken auch mal einen Barista“, verrät Lebensbaum-Vertriebschef Thore Quednau. Denn wenn dem Kunden der Kaffee im Laden besonders gut mundet, kauft er ihn auch für zu Hause.

Tipps von der Kollegin

Anne Drepper, Geschäftsführerin Slickertann Naturkost, Münster (150 Quadratmeter)

  • Wir haben ein gut bestücktes Kaffeeregal. Wir bieten über vierzig Artikel von etwa fünf verschiedenen Marken an. Die Kaffees haben auf drei Böden übereinander etwa neun Meter Platz, davon sind ein Drittel mit entcoffeiniertem und Getreidekaffee sowie Kakao belegt. Wichtig ist uns die Platzierung auf bequemer Augenhöhe.
  • Etwa zwei Mal im Jahr machen wir eine Kaffeeaktion, gestützt von Mount Hagen. Da wir deren Kaffee auch im Ausschank haben, kann man Stimmung für Kaffee machen und die Geschichten, die hinter Single Origins und Fairtrade stehen, darstellen.
  • Anstelle von Verkostungen sind Probenpackungen von Kaffee, wie sie beispielsweise Altomayo anbietet, eine gute Möglichkeit, den Kunden auf den Geschmack zu bringen.

Basiswissen

Etwa 166 Liter Kaffee lässt sich jeder Deutsche laut Deutschem Kaffeeverband jährlich schmecken. Damit wird sogar der Mineral- und Tafelwasserkonsum von etwa 142 Litern getoppt. Der Weg vom Anbau der Bohne hin zum schwarzen Aufguss in der Tasse ist allerdings ein recht weiter.

Ökologischer Anbau und faire Bezahlung

Bio-Kaffee stammt aus nachhaltigem Anbau mit begleitenden Schattenpflanzen wie Bananenstauden oder wird sogar wild gesammelt. „Die schonende Bewirtschaftung sorgt für den Erhalt eines Ökosystems, das in seiner Lebendigkeit dem ursprünglichen Regenwald relativ nahekommt“, erklärt Lebensbaum-Vertriebschef Thore Quednau. Kein Einsatz von Pestiziden, organische Düngung, schonende Ernte von Hand und gesunde Arbeitsbedingungen für die Bauern, erläutert auch die Firma Rapunzel ihre ökologischen Prinzipien. Noch natürlicher: Original Food bringt Wildkaffee aus Bergregenwäldern Äthiopiens (Kaffa) in die Läden und hilft so, die Urwälder zu bewahren sowie Existenzen zu sichern.

Generell können Kaffeebauern und Kooperativen für bio-faire Bohnen auf eine einträgliche Bezahlung mit Preisen über Weltmarktniveau und zusätzlicher Unterstützung ihrer örtlichen Infrastruktur zählen. Direkt gehandelter Kaffee, der ohne Zwischenhändler vom Röster beim Kaffeebauern gekauft wird, kann Missstände und unangemessene Bezahlung beim Erzeuger vermeiden helfen.

Wo die Kaffeepflanzen wachsen

Im gut bestückten Kaffeesortiment ist die halbe Welt vertreten. Einige Bio-Spezialitäten stammen aus Äthiopien, andere kommen aus Mittel- und Südamerika, weitere aus östlichen Regionen wie Indien oder aus dem pazifischen Inselstaat Papua Neuguinea. Bei fast allen Artikeln gibt die Verpackung die genaue Herkunft der Bohnen preis.

Viele Hersteller bieten fein abgestimmte Mischungen aus verschiedensten Ländern an, manchmal auch als Melange oder Blend bezeichnet. Zusätzlich ergänzen Spezialitäten das Sortiment – sogenannte Single Origins – die allein aus einem bestimmten Land oder gar Gebiet stammen. Die Spitze bilden Plantagen-Kaffees aus ausgesuchten Gärten. Sie versprechen hohe Kaffeekunst und verzeihen keine Fehlaromen, die durch die Beimischung anderer Bohnen ausgeglichen werden könnten.

Zwei Kaffeepflanzen liefern die Rohstoffe. Coffea Arabica, die mitunter auch als die ‚feinere‘ aber auch empfindlichere Bohne bezeichnet wird, bevorzugt höhere Lagen. Zwischen 1.400 und 2.200 Metern über dem Meeresspiegel reifen die Kaffeekirschen über einen langen Zeitraum heran. Das Gros der Kaffees besteht aus diesen Bohnen. Für kräftigere Aromen und dunkle Röstung setzen Hersteller auf die unempfindlichere Sorte Robusta. Diese Varietät wächst meist in niedrigeren Lagen. Kaffee, der über 1.500 Metern Höhe geerntet wird, trägt häufig die Bezeichnung Hochlandkaffee.

Verarbeitung der Kaffeefrüchte

Die Ernte des bio-fairen Kaffees ist aufwendige Handarbeit. Unreife Früchte bleiben dabei außen vor. Danach geht es den Kaffeekirschen an die Kerne. Hierfür bedarf es einer sorgfältigen Aufbereitung, deren Art und Weise wiederum die späteren Aromen der Bohnen beeinflusst. Häufig werden die Kerne im Wasserbad gewaschen, fermentiert und geschält.

Dass hierbei umgerechnet im Extremfall bis zu 140 Liter Wasser pro Tasse Kaffee verbraucht werden, belastet die Öko-Bilanz. Eine Tatsache, die auch Bio-Produzenten herausfordert, kontinuierlich an Wassersparmaßnahmen zu arbeiten. Natürlichste Methode, jedoch sehr arbeitsintensiv, ist das Sonnentrocknen. Florian Hammerstein von Original Food ist sich sicher: „Diese Verarbeitung ist nicht nur ein ökologischer Vorteil, wir arbeiten so auch die letzten Qualitätsspitzen des Kaffeearomas heraus“.

Schonende Röstung

Sind das Fruchtfleisch von den Kirschen getrennt, die Kaffeesamen getrocknet und das Pergamenthäutchen von den Kaffeebohnen entfernt, werden diese nach Größe, Gewicht und Defekten aussortiert, in Säcken abgepackt, verschifft und landen dann in der Rösterei. Hier erfolgt einer der maßgebenden Veredelungsschritte. Alle Bio-Kaffeeanbieter im Fachhandel achten auf schonende Langzeitröstung. „Wir behandeln unsere Kaffees in Trommelröstern mindestens 11 Minuten“, sagt Karsten Suhr von Mount Hagen.

Dabei wird in kleinen Chargen in großen geschlossenen Trommeln unter regelmäßigem Umwälzen der Bohnen erhitzt und anschließend mit Luft gekühlt. Bei der industriellen Röstung vieler konventioneller Kaffees werden die Bohnen nur zwei bis vier Minuten bei sehr hohen Temperaturen erhitzt und wassergekühlt. Bei zu langer oder zu heißer Prozedur verbrennt die Bohne und es überdecken bittere Aromen die milden. Eine schonende Langzeitröstung ergibt reizstoffärmere Kaffees mit ausgewogenem Säureprofil und vollmundigem Aroma.

Was Kunden wissen wollen

Pulver oder Bohne?

Für Filterkaffee ist Pulver zeitsparender. Angebrochenes Kaffeepulver sollte kühl, trocken, luftdicht gelagert und innerhalb von ein bis zwei Wochen aufgebraucht werden. Grundsätzlich halten ganze Bohnen die Aromen besser bei sich. Frisch gemahlen haben sie in puncto Aroma die Nase vorn.

Wofür ist das Ventil?

Kaffee verpacken ist eine Herausforderung. Alles muss trocken und luftdicht sein, damit Qualität und die feinen Röstaromen bis zum MHD erhalten bleiben. Dafür sorgen luftdichte Folien. Spezielle Aromaventile gewährleisten, dass die Röstgase von innen nach außen gelangen können und nicht die Packung zum Platzen bringen.

Wie wird Bio-Kaffee entkoffeiniert?

Zum Entkoffeinieren nutzen Bio-Hersteller keine chemischen Lösungsmittel, sondern Druck und CO2, meist sogenannte Quellkohlensäure. Ein kleiner Teil Koffein, bis maximal 0,1 Prozent, bleibt entkoffeinierten Bohnen erhalten.

Fairer Kaffee: Siegel und Herstellerversprechen kennen und erklären können

Die Kennzeichnung von biologisch produziertem Kaffee ist eindeutig, dank gesetzlicher Regelung und EU-Bio-Zeichen oder Siegeln, die zeigen, dass nach Demeter- und Naturland-Kritierien produziert wurde. Anders ist es mit der ‚fairen‘ Kennzeichnung von Kaffee.

Genaues Hinsehen und ein kritisches Auseinandersetzen mit den fairen Kriterien der Produkte ist eine Arbeit, die Biohändler und Mitarbeiter im Verkauf ihren Kunden abnehmen können. Bio-Marken wie Dennree, Naturata, Mount Hagen oder Kaffa und Bonga Red Mountain kennzeichnen ihre Waren mit eingetragenem und bekanntem Fairtrade-Siegel. „Obwohl eine Fair-Zertifizierung in der Lieferkette kostspielig ist“, sagt Florian Hammerstein von Original Food, „sollten die Hersteller nur behaupten, was durch unabhängige Zertifizierungen belegbar und nachvollziehbar ist. Deshalb ist uns ein offizielles Fairtrade-Siegel sehr wichtig.“

Fair-Branchenvorreiter Gepa, ebenfalls als eingetragenes Fairtrade-Unternehmen offiziell extern geprüft und zertifiziert, verzichtet auf das Fairtrade-Siegel und nutzt seit 2011 das eigens kreierte Gepa-Fair-Plus-Zeichen, das noch höhere Anforderungen an die Produkte und Handelspartner stellt. Weltpartner-Kaffee trägt das eigene Fair plus bio-Zeichen und teilweise das noch relativ junge Naturland-Fair-Label, das sowohl ökologische als auch faire Standards setzt. Einen ebenso hohen Anspruch hat Rapunzel, das mit seinem zwar firmeneigenen, aber extern und unabhängig zertifizierten Handelslogo ‚Hand-in-Hand‘ das bio-faire Handeln mit einem hohen Aufwand und Investitionen konsequent verfolgt und etabliert.

„Ökotopia - seit 40 Jahren einer der aktivsten und wichtigsten Wegbereiter des öko-fairen Handels für Kaffee, Tee und Kakao – ist Mitglied der WFTO (World Fair Trade Organisation) und als Unternehmen Fairtrade-geprüft“, betont Geschäftsführerin Franziska Geyer. Dennoch kennzeichnet Ökotopia nur mit eigenem symbolisch hervorgehobenem „Highlighter-Text“ auf den Verpackungen mit dem Hinweis „seit 1980 FairTradition.de“ und fährt nach eigenen Aussagen gut damit.

Altomayo verdeutlicht ebenfalls mit eigenem Label ‚Auténtico Directo‘ den fairen Handel, wobei die Kennzeichnung und Kontrollen nicht explizit ausgelagert sind. Altomayo-Geschäftsführerin Dr. Esmilda Huancaruna Perales baut dafür auf ihre langjährigen familiären Verbindungen aus ihrem Geburtsland Peru: „Wir haben langjährige direkte Beziehungen zu den Kaffeebauern vor Ort. Das zahlt sich aus - auch gegenüber Großröstern, die mittlerweile ebenfalls an fairen Handelsbeziehungen arbeiten.“ Die Marketingabteilung von Altomayo sieht die Firmenphilosophie „sozialverträgliche Arbeits- und Lebensstandards zu optimieren und angemessene und faire Entlohnung der Kaffeebauern zu garantieren“, mit dem eigenen Kennzeichen als ausreichend kommuniziert: „Die Kunden verstehen es und vertrauen uns“.

Weitere Bio-Kaffeeanbieter wiederum nutzen keinerlei faire Siegel oder Kennzeichen und beschreiben ihre fairen Handelsmaßnahmen lediglich in der aufgedruckten Produktbeschreibung. Nicht das Einsparen von Zertifizierungskosten spiele dabei eine Rolle, sondern die Optik der Kaffeeverpackung, gibt beispielsweise Geschäftsführerin Monika Linden der Kölner Kaffeerösterei Van Dyck zu bedenken: „Das Fairtrade-Siegel könnten wir aufdrucken, es passt jedoch nicht zu unserem Verpackungsdesign“. Alle Kaffeeerzeuger und Kooperativen, von denen Van Dyck Bio Fair Trade Kaffee importiert, sind F.L.O.-zertifiziert (Fairtrade Labelling Organizations International).

Hersteller und ihre Produkte

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