Auf Laufstegen sieht man derzeit Models, die Rouge nicht nur auf den Wangen, sondern sogar auf den Augenlidern tragen. Mit der mädchenhaft wirkenden Frische zelebriert die Modebranche den natürlichen Glow, zu Deutsch Glanz oder Leuchten. Vorbild ist die junge Haut: Gut durchblutet hat sie einen natürlichen Schimmer.
Im Alltag vieler Kundinnen schlagen sich solche extravaganten Trends gewöhnlich nicht nieder. Zu Rouge – oder Blush, wie das Wangenrot neuerdings heißt – greifen viele oft nur, wenn sie einen müden Teint etwas auffrischen möchten. „Rouge wird beim Thema Make-up oft komplett vergessen“, sagt Katharina Adomat vom Belladonna in Berlin. Das erlebt sie mitunter selbst bei Kundinnen, die nach hochdeckendem Make-up suchen. Dabei brauche es gerade hier etwas Farbe auf den Wangen, damit die Schminke nicht maskenhaft wirke.
Fest, lose oder cremig
Zur Auswahl im Bioladen gehören festes und loses Puder sowie cremiges Rouge, wobei letzteres seltener zu finden ist. Das liegt daran, dass umweltbelastende Silikonöle und Paraffine aus der Mineralölindustrie in naturkosmetischen Produkten verboten sind. Diese chemisch-synthetischen Substanzen sorgen für eine fedrig leichte Textur und langen Halt ohne einen öligen Glanz. Das können Pflanzenöle und -Fette in ihrer natürlichen Zusammensetzung nicht leisten. Deshalb fehlen flüssige Rouges im Naturkosmetikangebot.
Mikroplastik ist Tabu
Tabu für naturkosmetisch zertifiziertes Rouge sind außerdem alle chemisch-synthetischen Substanzen, die die Grundlage von konventionellen Rouges ausmachen. In der INCI ist Mikroplastik keine Seltenheit, dazu kommen Füllstoffe, synthetische Feuchthaltesubstanzen oder Polyethylenglykole (PEGs), die als Emulgatoren fungieren und die Haut durchlässiger machen.
Lavera gehört zu den wenigen Naturkosmetik-Herstellern, die ein cremiges Mousse-Rouge anbieten. Dafür setzt der Hersteller die aus Pflanzen gewonnene Fettkomponente Dodecanin in Kombination mit gehärteten Pflanzenfetten und -wachsen ein. Damit lässt sich ein ähnlich leichtes, pudrig-trockenes Hautgefühl erzeugen, wie es die Kunden von konventionellen Produkten kennen.
Das größte Angebot gibt es bei festem Rouge-Puder, in Monofarben, als Duo oder Trio mit aufeinander abgestimmten Farben. Grundlage sind Talk (auch Talkum, Talc) und/oder Mica. Beide standen in der Vergangenheit aus unterschiedlichen Gründen in der Kritik: Mica, auch Glimmer genannt, ist ein glitzerndes Material mineralischen Ursprungs, etwa aus Marmor oder Granit. Wichtiges Herkunftsland ist Indien, wo häufig Kinder in den Steinbrüchen schuften, um es abzubauen. Die Responsible Mica Initiative, der weltweit agierende Kosmetikkonzerne angehören, will diesen Zustand bis 2022 beenden. Bei Naturkosmetikfirmen mit CSE (Certified Sustainable Economics)- Zertifizierung durchlaufen die Lieferanten grundsätzlich ein Audit, das Kinderarbeit verbietet. Andere Naturkosmetikunternehmen wie Wala (Dr. Hauschka) sichern sich bezüglich Kinderarbeit eigens bei ihren Lieferanten ab.
Talc, Talkum oder Talk steht für mineralischen Puder, gewonnen aus Talkgestein wie Speckstein. 2009 diskutierten Experten des Bundesamtes für Risikobewertung (BfR) über ein Verbot in Babypuder, weil das Material von Natur aus asbestähnliche Fasern enthalten kann, die beim Einatmen zu Entzündungen in der Lunge führen können. Es darf unter bestimmten Voraussetzungen – verschlusssicherer Deckel und Hinweise auf der Verpackung – weiterhin in Babypuder eingesetzt werden. 2017 stand der Rohstoff erneut in der Kritik. Ein amerikanisches Gericht sprach einer an Eierstockkrebs erkrankten Frau einen Millionenbetrag zu. Sie hatte über Jahrzehnte ein mit Talkum hergestelltes Körperpuder im Intimbereich eingesetzt. Ein Zusammenhang ist wissenschaftlich umstritten. Beim Industrieverband Körperpflege und Waschmittel (IKW) heißt es: „Talkum ist ein sicherer und häufig verwendeter Inhaltsstoff für kosmetische Mittel, insbesondere für dekorative Kosmetik wie beispielsweise Puder. (...) Es gibt keine wissenschaftlichen Studien, die belegen, dass die Verwendung von talkumhaltigen
kosmetischen Mitteln für das Auftreten von Krebserkrankungen verantwortlich ist.“
Weil Kunden immer wieder mal nachfragen, beziehen einige Hersteller, etwa und Gretel oder Benecos auf ihrer Homepage Stellung. Sie verwenden Talkum in gebundener Form, so dass es bei normalem Gebrauch nicht eingeatmet wird.
Talkumfreie Alternativen
Wer sucht, findet auch talkumfreie Alternativen. Lavera verzichtet beispielsweise in der gesamten Rouge-Palette auf diesen Inhaltsstoff. Das Unternehmen lobt das werblich nicht aus, „aus rechtlichen Gründen“, sagt Sarah Honerkamp von der Pressestelle. Als Ersatz kommt Maisstärke zum Einsatz oder Mica. Talkumfrei sind auch die Rouges der neuen Marke GRN der Benecos-Gründer Silke und Stephan Becker. Das Kosmetikunternehmen setzt in der Pudergrundlage auf Zeolith. Der bislang eher selten genutzte Kosmetikrohstoff kommt in der Natur vor allem in Vulkangestein und in der Umgebung heißer Quellen vor. „Zeolith hat so viele positive Eigenschaften auf die Haut, dass es eigentlich schon fast verwunderlich ist, dass er nicht häufiger in den Inhaltsstofflisten zu finden ist“, sagt Michaela Dengler von der betreuenden PR-Agentur Carlcom. Dazu gehöre etwa eine antioxidative Wirkung, außerdem soll das vulkanische Pulver vor Strahlung und UV-Licht schützen und den Zellen beim Regenerieren helfen.
Neben festen gehören lose Puder zum Naturkosmetiksortiment. Darin spielt Talk heute keine Rolle mehr. Angeboten werden sie etwa von Marken wie Marie W., Provida, Angel Minerals, Zuui oder Couleur Caramel. Grundlage ist Mica, dazu kommen meist nur noch ein oder zwei Hilfsmittel, die etwa die Haftfähigkeit unterstützen und dafür sorgen, dass das Pulver nicht verklumpt.
Puderbasis mit Pigmenten
In diese Puderbasis – ob fest oder lose – werden bunte mineralische Pigmente eingearbeitet. Zu den wichtigsten gehören Eisenoxide von ocker über rot bis dunkelbraun. Abgemischt mit den Weißpigmenten Zink- und/oder Titandioxid entstehen die gewünschten Rottöne. Häufig eingesetzt wird außerdem Carmin (INCI 75470). Es handelt sich um den roten Farbstoff der Cochenille-Laus, auf den Hersteller im klassisch roten Rouge schwer verzichten können. Vegane Alternativen in der Naturkosmetik (zum Beispiel von Angel Minerals, Lavera, Provida, Benecos, Marie W.) tendieren farblich oft zu Nude-, Rosa-, Pink-, Pfirsich- und Bronzetönen.
Durch die wenigen Zutaten und fehlende Füllstoffe sind die losen Mineralpuder pur, hochkonzentriert und sehr ergiebig. „Für Anfänger empfehle ich sie eher nicht“, sagt Katharina Adomat von Belladonna in Berlin, „weil für die Anwendung eine Technik nötig ist, die etwas Übung braucht.“ So wird‘s gemacht: Etwas Puder in eine Schale geben, mit einem Pinsel aufnehmen. Dann den Pinsel mit den Haaren nach oben auf eine feste Unterlage stellen und ein paar Mal aufklopfen. So verschwindet der Puder im Pinsel, das ermöglicht einen gleichmäßigen Auftrag. Werden die hochpigmentierten Pulver zu üppig aufgetragen, kann das Gesicht schnell wie angemalt aussehen.
Pflegende Inhaltsstoffe
Ein angenehmer Nebeneffekt naturkosmetischer Rouges sind die pflegenden Inhaltsstoffe, insbesondere in den festen und cremigen Produkten. Pflanzenöle wie Jojobaöl, Shea- und Kakaobutter und Pflanzenextrakte und -Auszüge etwa von Mairose, Malve oder Wundklee sollen die Haut pflegen, beruhigen und mit hochwertigen Fetten und Feuchtigkeit versorgen. Logona lobt mit den Inhaltsstoffen Cranberry-, Apfelsamen- und Braunalgenextrakt eine Anti- Aging-Wirkung aus.
Tipps von der Kollegin
Katharina Adomat arbeitet bei Belladonna in Berlin im Verkauf. Der ca. 80 m2 große Laden führt rund 150 Marken. Adomat kümmert sich um die Pflege des Online-Shops, übernimmt aber öfter auch Schminkberatungen für spezielle Anlässe.
- Viele Kunden wollen wissen, wie sie Lippenstift und Rouge passend kombinieren. Ich empfehle dabei immer in der gleichen Farbfamilie zu bleiben.
- Wenn es unkompliziert sein soll: Der Lippenstift kann auch als Rouge eingesetzt werden. Es sollte dann aber kein Gloss sein.
- Wichtige Grundregel bei der
Anwendung: Feucht auf feucht, trocken auf trocken. Das heißt: Puderrouge
kommt immer auf eine pudrige Grundlage, cremiges Rouge direkt nach der
Foundation auftragen. In beiden Fällen fixiert transparentes Puder zum
Schluss das Make-up.
- Für Einsteiger sind zarte, gering pigmentierte Farbtöne ideal. Damit kann man nicht viel falsch machen.
Titandioxid in der Diskussion
Zum Farbenmix in festen, cremigen und den losen Rouge-Pudern gehört sehr häufig das weiße Mineralpigment Titandioxid. Bekannt ist es in der Kosmetik vor allem als UV-Filter in Sonnenschutzprodukten. In Rouge und Make-up mischt Titandioxid mit seinem aufhellenden Effekt den Farbton ab, erhöht die Deckkraft des Produkts und unterstützt mit seinem leichten Schimmer eine optische Faltenglättung. 2017 stufte die EU-Chemikalienbehörde ECHA Titandioxid als „vermutlich krebserregend bei Inhalation“ ein. Das SCCS, das zuständige wissenschaftliche Beratergremium der EU-Kommission, rät seither von Sonnensprays mit Titandioxid und Zinkoxid in Nanogröße ab, bewertet aber grundsätzlich die Verwendung von Titandioxid in kosmetischen Produkten als sicher. Aktuell befasst sich die EU-Kommission wieder mit diesem Inhaltsstoff. Diskutiert wird eine Kennzeichnung als „Potenziell krebserregend“ für bestimmte Formen wie Stäube.
Anbieter von Rouge
Logona Blush No. 01, Blush No2 und Blush No. 03
Lavera Colour Cosmetics 01 und Natural Mousse Blush 02
Sante Multi Effect Beauty Blush 01 + 02, Rouge silky magnolia 03, silke mallow No 02 und silky terra No. 01
Benecos Natural Compact Blush mallow rose, sassy salamon, toastet toffee, Natural Refill Blush peach please, rose pleas, berry please und Natural Trio Blush fall in love
Couleur Caramel Rouge in Peach, Fresh Pink, Light pink und old rose
Provida Earth Minerals Luminous Shimmer Rouge und Satin Matte Blush
Angel Mineral Vegan Mineral Rouge Cool Rose glossy, golden glossy, pink glossy, lightpink satin, Maroon, Tan Satin, Peach Satin, Rosequarz und Tany Touch Glossy
Marie W. Rouge No 1 – 3 Tau Frisch/ Vital Warm
Börlind Puderouge
Dr. Hauschka Blush Duo Rouge 01, 02, 03
GRN Blush Powder watermelon, coral reef und rosewood
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