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Zweiter Start für Lopino - Geestland unter neuer Regie

Portrait Geestland (November 1999) Zweiter Start für Lopino - Geestland unter neuer Regie Nur ein schmales Brett führt über den Drainageschacht in den zukünftigen Firmensitz der geestland biologische Lebensmittel GmbH, als wir das Unternehmen Ende Juli im niedersächsischen Visbek besuchen. Die Arbeiten laufen auf Hochtouren, denn für Ende August war der Produktionsbeginn für Lopino geplant - unter neuer Leitung, einem funkelnagelneuen Dach und an einem neuen Standort

Portrait Geestland

(November 1999)


Zweiter Start für Lopino - Geestland unter neuer Regie

Nur ein schmales Brett führt über den Drainageschacht in den zukünftigen Firmensitz der geestland biologische Lebensmittel GmbH, als wir das Unternehmen Ende Juli im niedersächsischen Visbek besuchen. Die Arbeiten laufen auf Hochtouren, denn für Ende August war der Produktionsbeginn für Lopino geplant - unter neuer Leitung, einem funkelnagelneuen Dach und an einem neuen Standort. Aloys Albermann, bisheriger Assistent der Geschäftsleitung, hat das Unternehmen von Paul Bremer übernommen. Er will mit den Süßlupinenprodukten in eine verheißungsvolle Zukunft starten.

Karin Heinze

Zwar wird viel herumexperimentiert im Lebensmittelbereich, doch grundlegend neue Rohstoffe gibt es nur noch selten. Eine dieser Ausnahmen war vor nunmehr sechs Jahren das Produkt Lopino, so der in vierzehn Ländern geschützte Name. Der Grundstoff besteht aus Süßlupinenbohnen und Wasser, mehr nicht. Von Konsistenz und Aussehen ähnlich dem aus Sojabohnen hergestellten Tofu, ist Lopino laut Aussagen von geestland (geestland mit kleinem g steht für die Süßlupinenprodukte, Geestland mit großem G für die Tofu-Produkte) ebenso vielseitig verwendbar, ausgesprochen gut für Allergiker verträglich und sehr eiweißreich. Außerdem verfügt das Süßlupinen-Produkt über alle essentiellen Aminosäuren. Was den Vitamin B12-Gehalt betrifft, so streiten sich die Experten. Mehrere Analysen der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt Kiel bestätigten ihn, andere Untersuchungen führen die Spuren dieses Vitamins auf zufällige Verunreinigungen zurück.

Das neue Lebensmittel absolvierte in der Naturkostbranche rasch eine ziemlich steile Karriere. Nach einer aufwendigen Entwicklungszeit hatte Lopino gleich bei der ersten Messeteilnahme den Sprung ganz nach vorne geschafft: 1995 wurde es in Frankfurt auf der BIO FACH zum Produkt des Jahres gekürt. Das war ein prima Einstieg, erinnert sich Aloys Albermann, der seit 1993 die Produktentwicklung begleitete, wir hatten eine enorme Nachfrage. In den ersten beiden Jahren konnten insgesamt rund zwei Millionen Mark Umsatz mit der Lebensmittel-Neuheit erzielt werden.

Auf hoffnungsvollen Start folgten Rückschläge

Allerdings folgte auf den hoffnungsvollen Start eine wechselvolle Geschichte für die Entdeckung von Paul Bremer, des damaligen Inhabers der Firma, deren Hauptprodukt bis dahin Tofu war. Von neun Lopino-Produkten, mit denen Geestland bundesweit den Naturkosthandel belieferte, waren zwei instabil. Es gab Probleme mit Schimmelbildung vor Ablauf des MHD. Die Teigwaren mit Lopinofüllung wurden aus dem Sortiment genommen. Das hatte für die Panne einen Absatzrückgang von ca. 15 Prozent zur Folge, doch blieb das allgemeine Interesse an den Süßlupinenprodukten bestehen, wie auch vermehrte private Anfragen von Verbraucherseite bewiesen.

Trotz der Schwierigkeiten war die Einführung eines neuartigen Lebensmittels gelungen, dachte der Hersteller. Immerhin wurde die Produktreihe bei 17 deutschen und drei europäischen Großhändlern gelistet. Firmeninhaber Paul Bremer war so überzeugt von seinem Lopino, dass er eine kontinuierliche Werbung nicht für nötig hielt und statt dessen auf einen Selbstläufer baute. Wie begeistert der Pionier von dem neu entdeckten Rohstoff war, lässt sich in seinen zwei Büchern über die Eiweißwunderpflanze Lupine nachlesen. Dort stellt er die Vorzüge vom Anbau bis zu den breit gefächerten Möglichkeiten der Verarbeitung dar.

Im Frühjahr 1998 geriet Geestland mit gentechnisch verunreinigten Tofu-Produkten in die Schlagzeilen. Durch eine Rückholaktion, umfangreiche Untersuchungen und die Beschaffung neuer Soja-Rohware versuchte Paul Bremer, so gut es ging auf den Vorfall zu reagieren und den Imageschaden zu begrenzen. Nach dem Schock, der Hersteller und Handel gleichermaßen betroffen machte, wollte sich Bremer stärker auf die Lopino-Produktschiene konzentrieren. Doch es kam anders. Der Geestland-Chef stieg ganz aus der Firma aus und verkaufte sie an seinen Geschäftsführungsassistenten Lu Albermann.

Alles neu: Produktion, Rezepturen, Werbung

Neuer Schwung, neue Rezepturen und pfiffige Werbung sollen nun die Lopino-Produkte besser im Naturkostmarkt platzieren. Mit diesem Anspruch hat Albermann als geschäftsführender Gesellschafter den Firmennamen und die Eurolizenz für die Herstellung von Lopino aus kontrolliert biologisch angebauter Süßlupinenrohware von Paul Bremer übernommen. Mit dem Wechsel des Firmeninhabers verbunden war auch der Umzug der Firma geestland vom Bremerhavener Fischereihafen, wo die Produktion bislang untergebracht war, ins rund 130 Kilometer südwestlich gelegene Visbek. Dort - an seinem Heimat- und Wohnort - investierte Albermann im neu entstehenden Industriegebiet der Kleinstadt rund 700.000 Mark in den Bau einer 600 Quadratmeter großen Halle. Der großzügige helle Produktionsraum ist gekachelt und mit einem speziellen, reinigungsfreundlichen Bodenbelag versehen.

Beim Innenausbau mussten strenge hygienische Auflagen, wie im Molkereigewerbe, berücksichtigt werden, erzählt der Bauherr. Auch wurden aus der alten Produktionsanlage nur zwei Maschinen übernommen, um sowohl den neuesten EU-Hygienestandards zu entsprechen wie auch für zukünftige Anforderungen gerüstet zu sein. Nicht nur für die Herstellung bietet der Neubau Platz, sondern auch für Lagerung (Kühlräume) und Kommissionierung sowie für Produktentwicklung und Qualitätskontrolle im eigenen Labor. Wenn der frisch gebackene Unternehmer auf die rückwärtige Wand der Halle deutet und davon spricht, dass hier direkt der Anbau anschließen kann, wird offenkundig, wie optimistisch der 44-Jährige in die Zukunft schaut. Insgesamt flossen über zwei Millionen Mark in die umfangreichen Produktions,- Qualitäts- und Marketingmaßnahmen.

Absatz über Naturkost-Großhandel und tegut...

Mitte September ist die Lopino-Produktion in Visbek angelaufen. Zwei Monate zuvor hatte die Firma Fabrikation und Verkauf in Bremerhaven eingestellt. Über die Herstellungspause und den Produktionsneustart waren alle Abnehmer rechtzeitig informiert worden, so dass sie sich auf die Lieferpause einstellen konnten. Lopino ist bei fast allen regionalen Großhändlern im Bundesgebiet sowie bei dennree gelistet. In Großbritannien werden die Produkte über windmill, in der Schweiz über via verde und in Österreich über Akzent vertrieben. Das Auslandsgeschäft macht vierzehn bis fünfzehn Prozent vom Lopino-Umsatz aus.

Im Bereich des LEH hat sich die Supermarktkette tegut... bereits seit längerem stark für das Produkt engagiert (zwölf bis 13 Prozent vom Lopino-Umsatz gingen hierhin). Die in Hessen, Teilen von Thüringen und Nordbayern vertretenen Filialisten werden sich weiter dafür einsetzen, ist Aloys Albermann überzeugt, die Verantwortlichen glauben an Lopino. Grundsätzlich, so der Geschäftsführer, gelten für den Naturkost-Großhandel wie für den LEH die gleichen Einkaufsbedingungen.

Verhandlungen mit Neuform dagegen scheiterten, da der Verband nicht bereit war, Lopino unter dem Markennamen in die Kühlregale zu nehmen. Eine Zweimarkenpolitik kommt für Geestland nicht in Frage, da will Albermann konsequent sein. Verschiedene Reformhäuser kaufen die Produkte nun direkt bei geestland ein.

Evolution statt Revolution bei Sortiments-Entwicklung

In Visbek wird nicht mit Soja, sondern ausschließlich mit der Süßlupine gearbeitet. Darauf will sich Albermann nun ganz konzentrieren. Denn er ist überzeugt, dass mit mehr Einsatz ins Marketing und optimaler Qualität der Produkte eine gute Zukunft bevorsteht. Als momentan weltweit einziger Anbieter für Lupinenprodukte in dieser Form rechnet sich der studierte Sozialwissenschaftler einige Chancen aus.

Zunächst, so die Vermarktungsstrategie, soll das Grundprodukt Lopino natur Schwerpunkt der Herstellung und Umsatzbringer bleiben. Für die Phase des Neustarts plant man so lange mit einem gestrafften Sortiment, bis der neue Betrieb rund läuft und der Absatz floriert. Dinge, die organisch wachsen sind stabil, ist eine Grunderkenntnis, auf die Albermann setzt. Mit insgesamt acht Lopino-Produkten beliefert die Firma ab September zu etwa 85 Prozent den Naturkosthandel im In- und Ausland und zu etwa zwölf Prozent tegut....

Von diesen acht Produkten werden sieben in Kooperation mit kompetenten Partnern hergestellt. Die vier Sorten Bratlinge kommen von de vuurdoop aus Holland, drei verschiedene Brotaufstriche produziert Zwergenwiese aus dem Lopino-Grundstoff, der aus Visbek geliefert wird. Wir haben für jede Produktlinie Profis beauftragt, verweist Albermann auf den Qualitätsanspruch, der ihm ganz besonders am Herzen liegt. Gerade für die Neukundengewinnung ist Vertrauensarbeit ganz wichtig. Deshalb bemüht er sich auch um eine wissenschaftliche Begleitung der Produktentwicklung und hat Kontakte zur Uni Hamburg sowie den Fachhochschulen in Bremerhaven und Wilhelmshaven aufgebaut.

Der Lopino-Grundstoff wird weitgehend maschinell hergestellt, so dass ein Molkereimeister als Produktionsleiter ausreicht, um den Überblick zu behalten. Mit insgesamt acht Mitarbeitern bewältigt das Unternehmen bislang alle Bereiche von der Herstellung bis zur Büroarbeit. Der geplante Umsatz soll im Jahr 2000 bei zwei Millionen liegen. Mit in diese Kalkulation einbezogen ist der Tofu, dessen Vertrieb ebenfalls in der Hand von Geestland bleibt. Die Herstellung des Produkts, das bei vier Großhändlern gelistet ist, ist allerdings inszwischen ausgelagert und wird von Albert's Tofuhaus in Lautersheim übernommen.

Die bundesweite Distribution von Tofu und Lopino erfolgt täglich - teils durch eine Kühlspedition, teils durch den Großhandel, der die Ware in Visbek abholt.

Die Süßlupinenbohnen kommen aus Frankreich, wo Albermann gute Erfahrungen mit den Qualitäten gemacht hat, die er über einen Bio-Händler einkauft. Jährlich wurden bislang etwa 100 Tonnen verarbeitet, das entspricht circa 25 Hektar Anbaufläche. Um die neue Anlage auszulasten, soll die Menge innerhalb des nächsten Jahres auf das Doppelte gesteigert werden. Die Süßlupine hat noch eine Karriere vor sich, die nicht unterschätzt werden darf, wirbt der neue geestland-Inhaber. Die Rohwarenmengen für die geplanten Produktionszuwächse sind jedenfalls schon gesichert.

Kecke Werbekampagne setzt auf Genuss statt auf Gesundheit

Für eine Überarbeitung der Rezepturen konnte Albermann den Vollwertkoch- und Erlebnisgastronomen Frank Nuscheler gewinnen, so dass die Bratlinge und Aufstriche sich jetzt mit neuem Aroma präsentieren. Die Zukunft soll noch mehr Produktvarianten von natürlich mit Lopino bringen, auch an eine Flüssigwürze in verschiedenen Geschmacksrichtungen ist dabei gedacht. Sechs bis zehn neue Artikel sind derzeit im Entwicklungsstadium.

In den Vordergrund seiner Marketingoffensive will Albermann nicht den Gesundheitsaspekt setzen. Er will auch nicht zu sehr mit dem Bio-Fähnchen winken, denn das sei für ihn eine Selbstverständlichkeit und Basis seiner Arbeit, betont er. Zusammen mit der Agentur Ökologie & Marketing setzt der neue geestland-Chef auf Genuss. In erster Linie soll Lopino schmecken. In der Anzeigenkampagne treten somit die inhaltlichen Qualitäten und die ökologische Erzeugung in den Hintergrund, denn sie sind selbstverständlicher Standard bei Lopino-Produkten, erklärt Michael Ständer von Ökologie & Marketing. Die Freude am Erleben, am Geschmack im weitesten Sinne soll transportiert werden. Der Verbraucher werde durch vertraute Produktbezeichnungen, wie zum Beispiel Curry-Burger, zum Kauf animiert und entdecke erst später die wertvollen Inhaltsstoffe, was auch durch die Unterzeile natürlich mit Lopino vermittelt werde. Die Werbeaussage zum Anbeißen sei, wie Michael Ständer erläutert, kein typischer Werbespruch, sondern stehe am Ende einer Produktentwicklung. Ein neues Geschmackserlebnis plus wertvollem Inhaltsstoff, das sei eben einfach zum Anbeißen.

Die Kampagne wird unterstützt durch wechselnde Rezeptkarten, die den Produkten beigepackt sind und den Verbraucher zum Ausprobieren einladen sollen - ebenso wie Paul Bremers Buch Eiweißwunder Lupine mit einem ausführlichen Rezeptteil, das die Einzelhändler neben dem Produkt platzieren können.

Insgesamt sind für die Werbekampagne und den neuen Markenauftritt zehn Prozent des voraussichtlichen Umsatzes eingeplant. Das ist keine kleine Summe, doch solle der Mediaplan, der auch Auftritte auf der BIO FACH, bei Hausmessen von Weiling und Terra Frisch vorsieht, das Geld, was man zum Fenster rauswirft, zur Türe wieder hereinbringen, meint Aloys Albermann augenzwinkernd.

Als wichtiges Mittel, die Werbung für Bio-Lebensmittel zu verstärken, sieht der Lopino-Fabrikant das ÖPZ : Das ÖPZ hätte ich lieber heute als morgen, denn ich halte sehr viel von einem einheitlichen Gütezeichen. Seiner Meinung nach muss sich das Prüfzeichen jedoch erst einmal Attraktivität und einen großen Bekanntheitsgrad erwerben, bevor der Hersteller zur Kasse gebeten werden darf.


Eine Bohne mit vielen Eigenschaften

Die Süßlupine bietet noch viele interessante Möglichkeiten, die allerdings derzeit nur bedingt ausgeschöpft werden. Der bei der Verarbeitung der Bohnen anfallende Ballaststoff Okara (Faseranteil) geht derzeit größtenteils an die konventionelle Aromastoff-Industrie, für die er wegen des hohen Flüssigkeitsaufnahmevermögens ein begehrter Trägerstoff ist. Doch auch in der Verarbeitung von Öko-Lebensmitteln wäre Okara eine attraktive Komponente, zum Beispiel für Knabbereien und Riegel. Dazu, so Albermann, müsse jedoch noch ein passender Partner für die Produktentwicklung und Herstellung gefunden werden. Das Gleiche gilt für die anfallende Molke, die konventionell als Viehfutter entsorgt wird.

Weitere Ideen zur Verwendung von Inhaltsstoffen der Süßlupine sind der Kaffee-Ersatz oder die Emulgatorfunktion (als Ersatz für Soja-Lecithin). Doch das ist noch Zukunftsmusik.

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