Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Preissteigerungen

Zucker wird teurer – und Kekse weniger süß?

Die Preise für Zucker belasten zunehmend das Budget von Verbrauchern, Händlern und Verarbeitern. Ein Blick auf die Gründe und mögliche Konsequenzen.

90 Gramm Zucker konsumiert laut Statista durchschnittlich jeder Deutsche pro Tag. Das ist fast doppelt so viel wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen. Dabei schadet ein hoher Zuckerkonsum nicht nur der Gesundheit, sondern belastet zunehmend das Budget von Verbrauchern, Händlern und Verarbeitern. Doch obwohl die Bio-Preise ähnlich wie die konventionellen Zuckerpreise steigen, gibt es hier einige Besonderheiten.

Um die Marktdynamiken rund um Zucker zu verstehen, lohnt es sich, einige Jahre in die Vergangenheit zu blicken: 2017 wurde der Zuckermarkt in Europa liberalisiert. In der Konsequenz stand der europäische Rübenzucker plötzlich im freien Wettbewerb mit dem aus tropischem Zuckerrohr. Viele Zuckerwerke wurden geschlossen, damit sich Angebot und Nachfrage wieder ausgleichen konnten. Heute bestehen weltweit etwa 76 Prozent des Zuckers aus Zuckerrohr und nur 24 Prozent aus Zuckerrüben. In der Biobranche ist der Rübenanteil sogar noch geringer, doch das ändert sich allmählich.

„Jahrzehntelang wurde gepredigt, dass nachhaltig angebauter Rohrzucker der einzig wahre Bio-Zucker sei.“

Berthold Dreher, Dreher Bio GmbH

Berthold Dreher handelt seit 25 Jahren mit ökologischen Agrarrohstoffen, darunter auch mit Zucker. Er weiß: „Jahrzehntelang wurde in der Biobranche gepredigt, dass nachhaltig angebauter Rohrzucker, etwa aus Südamerika und Indien, der einzig wahre Bio-Zucker sei.“

Mittlerweile ist bekannt, dass raffinierter Rohrzucker aus dem Ausland weder gesundheitlich besser ist noch in Punkto Nachhaltigkeit besser abschneidet als regionaler Rübenzucker. Eine Studie des Schweizer Forschungsinstituts für ökologischen Landbau aus dem Jahr 2017 hatte sogar belegt, dass regionaler Bio-Rübenzucker sowohl unter ökologischen als auch unter sozialen Aspekten etwas nachhaltiger ist als südamerikanischer Fair-Trade-Rohrzucker aus biologischem Anbau.

Rübenzucker immer gefragter

Seit einigen Jahren steigen Nachfrage und Angebot bei Bio-Rübenzucker – allerdings nur langsam. „2015 stammte noch weniger als fünf Prozent des Bio-Zuckers in Deutschland von Zuckerrüben. Inzwischen sind es etwa 13 Prozent”, schätzt Berthold Dreher.

Dass immer mehr Verbraucher und Produzenten Wert auf Nachhaltigkeit und damit verbunden auf regionale Produkte und Rohstoffe achten, hat auch Anke Sostmann, Sprecherin von Südzucker, beobachtet. „Wir sehen eine höhere Wachstumsrate beim Bio-Rübenzucker und verhältnismäßig geringere Wachstumsraten beim Bio-Rohrzucker“, teilt sie mit.

Sogar Bio-Puderzucker, der aus deutschen Rüben gewonnen wird, hat es inzwischen in die Regale geschafft und steht etwa in den Denns-Filialen von Bio-Händler Dennree. Den größeren Anteil macht zwar nach wie vor der Rohrohrzucker aus. „Doch wir spüren, dass die Nachfrage nach regionalen Zuckersorten wächst,“ sagt Frank Künzel, Leitung Wareneinkauf Trocken und Getränke beim BioMarkt Verbund.

Ernteeinbußen bei Rübenzucker

Dank Züchtung und technischem Fortschritt bei der Unkrautbekämpfung sei Zuckerrübenanbau in Bio-Qualität inzwischen durchaus gewinnbringend, weiß Josef Brunnbauer, Geschäftsführer des Bio-Anbauverbands Biokreis. Aber das ist noch nicht alles: „Ihr Anbau wirkt sich bodenverbessernd aus und ist eine Bereicherung für getreidebetonte Fruchtfolgen“, so Brunnbauer.

Doch die Klima- und Energiekrise setzen Landwirte und Zuckerfabriken unter Druck: Trockenheit und Gasknappheit erhöhen Preise für regionalen Rübenzucker. Bei Hitze und Wassermangel werden die Blätter der Zuckerrübe früher gelb. Sie können dann keine Fotosynthese mehr betreiben, die Pflanze wächst nicht mehr. „Außerdem war der Boden mancherorts durch die Dürre so hart, dass die Rüben sich nicht entfalten konnten“, berichtet Berthold Dreher.

Aufgrund der geringen Niederschläge erwartet Andrea Greule von der Bioland-Erzeugergemeinschaft „rebio“ für die diesjährige Ernte vor allem in Unterfranken und Baden-Württemberg 40 Prozent weniger Bio-Zuckerrüben als im fünfjährigen Durchschnitt.

Zusätzlich steigen derzeit durch höhere Mindestlöhne, Transport- und Energiepreise die Kosten entlang der gesamten Lieferkette. Da Zuckerrüben nicht gut lagerfähig sind, müssen sie zügig nach der Ernte weiterverarbeitet werden. Die Zuckerproduktion, die in der Regel von September bis Januar stattfindet, fällt damit unausweichlich in ein Zeitfenster, in dem Energie sowieso knapp wird.

Hohe Transportkosten für Rohrzucker

Verarbeiten Zuckerwerke sowohl konventionelle als auch Bio-Rüben, ergibt sich noch ein Nachteil für die Bio-Landwirte: um Kontamination zu vermeiden, werden Bio-Rüben in der Regel als erstes verarbeitet, was zu noch geringeren Ernten führen kann. Ist angesichts all dieser Herausforderungen Rohrzucker aus Übersee also womöglich doch wieder die bessere Variante?

Zuckerrohr kann unterschiedlich stark verarbeitet werden, was sich auf Geschmack, Farbe und Produktionskosten auswirkt. Für Vollrohrzucker wird der Zuckerrohrsaft nur eingedickt, getrocknet und gemahlen. Rohrohrzucker wird einmal raffiniert, weißer Rohrzucker mehrmals. Die Rechnung ist simpel: je häufiger raffiniert wird, desto höher die Energiekosten.

Noch stärker dürften bei Rohrzucker nun jedoch die Logistikpreise ins Gewicht fallen, erwartet Berthold Dreher: „Für die letzte Ernte aus Paraguay lagen die Transportkosten bei etwa 80 Euro pro Tonne. Für die neue Ernte kann mit bis zu 500 Euro pro Tonne gerechnet werden – das ist mehr als das sechsfache.“ Das bestätigt auch Bio-Hersteller Rapunzel, der ausschließlich Rohrzucker von seinen „Hand-in-Hand“-Partnern aus Südamerika verarbeitet. „Außerdem erwarten wir aufgrund des Dollarkurses weitere Preiserhöhungen“, ergänzt Pressesprecherin Eva Kiene.

Insbesondere bei Rohrzucker bestehen zwischen Bio-Firmen und ihren Lieferanten oft enge, langfristige Partnerschaften, die die Existenz zahlreicher kleinbäuerlicher Betriebe sichern. Abnahmegarantien und faire Preise wurden vor allem mit der Liberalisierung des europäischen Zuckermarktes 2017 nochmals wichtiger.

Die Verwendung von Rohrzucker hat für viele Firmen keinesfalls nur ideologische Gründe. Andreas Bentlage vom Müslihersteller Barnhouse weist etwa darauf hin, dass die beiden Zuckersorten auch aus Qualitäts- und Geschmacksgründen nicht ohne weiteres austauschbar sind: „Während viele unserer Krunchys alternativ gesüßt sind, verwenden wir für einem Teil unseres Sortiments Bio-Rübenzucker aus Bayern. Doch unser Krunchy Klassik Hafer backen wir mit Vollrohrzucker. Dieser ist mit seiner karamelligen Süße wesentlich für den Geschmack.“

Hersteller reduzieren Zucker

Angesichts der ökonomischen und klimatischen Herausforderungen rund um den süßen Rohstoff könnte eine Reduktion von Zucker in Lebensmitteln künftig also nicht nur aus gesundheitlichen Gründen, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sein. „Bei unserem Stammsortiment haben wir vor einigen Jahren den Zuckergehalt erfolgreich etwas gesenkt. Und unsere Low Sugar Krunchies enthalten weniger als fünf Gramm Zucker pro 100 Gramm“, sagt Andreas Bentlage von Barnhouse.

Die Bohlsener Mühle stellt ihr Sortiment ebenfalls regelmäßig auf den Prüfstand. „Unsere Kinderkekse sind bereits komplett kristallzuckerfrei – hier kommen Früchte, Bananenflocken, Apfel- und Dattelmehl sowie Agavendicksaft und Honig zum Einsatz“, berichtet Pressesprecherin Saskia Lackner.

Doch beim Thema Zuckerreduktion stößt das Unternehmen auch auf Herausforderungen. „Zucker bringt eine besondere Knusprigkeit in ein gebackenes Produkt und unterstützt zum Beispiel auch den Fruchtgeschmack“, erläutert Lackner. Gemeinsam mit der Hochschule Bremerhaven geht der Bio-Hersteller dem Thema auch wissenschaftlich auf den Grund: innerhalb des Forschungsprojekts „ReformBIO“ soll eine Strategie entwickelt werden, wie der Zuckergehalt bei der Produktion von Bioprodukten reduziert werden kann, ohne Geschmack und Optik zu beeinträchtigen.

Alternativen wie Kokosblütenzucker und Reissüße erfreuen sich in Handel und Verarbeitung ebenfalls zunehmender Beliebtheit. Womit Bio-Hersteller ihre Produkte überhaupt süßen dürfen, ist etwa in den Richtlinien des Demeter-Verbandes geregelt. Wieviel Zucker ein Produkt insgesamt enthalten darf, dazu finden sich jedoch weder Vorschriften im EU-Bio-Standard, noch nehmen die Verbände darauf aktiven Einfluss. Pascale Weiß-Naumann, die bei Naturland für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, sagt: „Wir geben unseren Handelspartnern keine Vorgaben in Bezug auf die Zusammensetzung ihrer Rezepte, solange die Inhaltsstoffe den Naturland Richtlinien für die Verarbeitung entsprechen. Die Rezeptur ist allein Sache der jeweiligen Hersteller.“

Kaum Zuckeraustauschstoffe in Bio-Lebensmitteln

Die meisten Zuckeraustauschstoffe, etwa Birkenzucker oder und Stevia, sind in Bio-Lebensmitteln nach wie vor nicht zugelassen. Eine Änderung gab es im Oktober 2021: seither dürfen Bio-Lebensmittel mit Erythrit gesüßt werden – einem Stoff, der aus Maiskolben ausgekocht und von Mikroorganismen fermentiert wird.

Die Bio-Verbände lehnen Zuckeraustauschstoffe weiterhin ab. Problematisch wäre, wenn in der Folge Bio-Lebensmittel als ungesünder wahrgenommen werden als viele konventionelle Produkte, die auf Ersatzstoffe setzen. Susanne Rihm von Bioland fordert daher, dass das Nutri-Score-Label angepasst werden müsse: „Es kann nicht sein, dass eine Cola Light mit reichlich Zuckeraustauschstoffen besser abschneidet als ein natürlicher Bio-Apfelsaft, dem keinerlei Süßungsmittel zugeführt wurden.“

Rund um Zucker gibt es viele Missverständnisse

  • Gesundheitswert: Raffinierter Rohr- und Rübenzucker enthalten gleich viele Kalorien und Nährstoffe.Nicht-raffinierter Vollrohrzucker enthält geringfügig mehr Mineralstoffe, doch das fällt bei der geringen Verzehrempfehlung von Zucker nicht ins Gewicht.
  • Farbe: Auch dass Rohrzucker immer braun und Rübenzucker immer weiß ist, ist eine Legende. Denn die Farbe von Zucker hängt in erster Linie davon ab, ob und wie stark dieser raffiniert wurde.
  • Geschmack: Lediglich geschmacklich gibt es Unterschiede: vor allem nicht-raffinierter Vollrohrzucker weist durch die enthaltene Melasse einen karamelligen Eigengeschmack auf.
  • Nachhaltigkeit: Laut einer Schweizer Studie aus 2017, in der sowohl der ökologische Fußabdruck als auch die sozialen Risiken von regionalem Bio-Rübenzucker und biologischem Fairtrade-Rohrzucker miteinander verglichen wurden, ist regionaler Bio-Rübenzucker etwas nachhaltiger als sein internationales Pendant.

Kommentare

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maravd

Sie beziehen sich bei Ihren Aussagen zur Nachhaltigkeit auf einen Schweizer Studie aus 2017. Handelt es sich dabei vielleicht um die Studie, die damals durch die Schweizer Zucker AG in Auftrag gegeben wurde? Wäre das dann nicht etwas einseitig und befangen? 
Die Schweizer Zucker AG ist nicht nur selber ein großer Rübenzucker-Hersteller, sondern auch der EINZIGE Zucker Hersteller in der Schweiz, ein Monopolist. Das ist vermutlich nicht gerade die beste Quelle, um neutrale Rückschlüsse über die Nachhaltigkeit zu ziehen. 
Die Studie der Schweizer Zucker AG basiert dabei auch nur auf einem einzigen Zuckerhersteller in Paraguay. Vorausgesetzt die Analyse dieses Herstellers wären objektiv geführt worden, kann man dann die Ergebnisse ohne Weiteres auf die gesamte Rüben- und Rohrzucker-Branche übertragen? Das erschein mir fragwürdig.
Und in wie fern kann man behaupten, dass die europäische Rübenzuckerproduktion ökonomisch nachhaltig sei, wo diese doch immer noch durch staatliche Subventionen und extrem hohe Einfuhrzölle künstlich geschützt wird?
Abschließend wäre es auch wichtig zu bedenken welche Wirkung auf die soziale Nachhaltigkeit einen Rückgang der Nachfrage auf Bio-Rohrzucker gegenüber Bio-Rübenzucker haben würde. Ich kann mir vorstellen, dass es dem kleinen Rohrzucker Produzenten in Paraguay dabei deutlich schlechter ergehen würde als seinem europäischen Pendant. 

Ina Hiester

Vielen Dank für Ihren wertvollen Hinweis! Es handelt sich tatsächlich um die Studie der Schweizer Zucker AG. Diese ist nun auch in der Kurzfassung unter dem Artikel verlinkt, sodass Leser*innen die Glaubwürdigkeit der Quelle bei Interesse selbst einschätzen und den Details der Studie auf den Grund gehen können.

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