Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Tierhaltung

Wie Julia Klöckner ihre eigene Kommission ausbremst

Im Februar 2020 hatte die Borchert-Kommission Vorschläge vorgelegt, wie die Nutztierhaltung nachhaltiger und tiergerechter werden könnte – und wie sich das finanzieren lässt. Mit der Umsetzung spielt Landwirtschaftsministerin Klöckner seitdem erfolgreich auf Zeit.

Offenbar hindert Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ihr eigens einberufenes „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ an der Umsetzung von Vorschlägen zu einer nachhaltigeren und gerechteren Nutztierhaltung, die sogar Finanzierungsempfehlungen beinhalten.

Die Aufgabe sogenannten „Borchert-Kommission“ ist es, „die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen aus allen Bereichen der Nutztierhaltung analysieren und Lösungswege für das Ministerium vorschlagen“. Auch sollte die Kommission unter Leitung des ehemaligen Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert aufzeigen, wie sich die gesellschaftliche Akzeptanz der Nutztierhaltung verbessern lässt.

Das tat die Kommission mit Experten aus unterschiedlichsten Bereichen mit ihren Empfehlungen, die sie im Februar 2020 vorlegte. Die Ausgangslage fassten die Fachleute so zusammen: „Es zeigt sich ein erheblicher Handlungsbedarf zur Verbesserung des Tierwohlniveaus in der Nutztierhaltung, die im scharfen Kontrast zur bisher zögerlichen Weiterentwicklung sowohl des europäischen und des deutschen Ordnungsrechts, wie auch der Förderpolitik in diesem Bereich steht.“ Die bisherigen politischen Ansätze seien ungenügend.

Abgabe auf Fleisch als Kernpunkt

Deshalb entwickelte die Kommission Zeitplan und Ziele für einen tiergerechten Umbau der Tierhaltung bis 2040. Die höheren Kosten tiergerechter Haltungsverfahren sollen mit einer Kombination von Prämien zur Abdeckung der laufenden Kosten und einer Investitionsförderung für den Umbau der Ställe weitgehend ausgeglichen werden. Zu deren Finanzierung schlug die Kommission „eine mengenbezogene Abgabe auf tierische Produkte“ vor. Sie sollte sozialpolitisch flankiert werden, „da die Ausgabenanteile für tierische Produkte in Haushalten mit niedrigen Einkommen höher sind“.

Als Abgabensätze nannte die Kommission 40 Cent pro Kilogramm Fleisch, zwei Cent pro Kilogramm Milch und Frischmilchprodukte sowie Eier und 15 Cent pro Kilogramm Käse, Butter und Milchpulver. Schon als sie das Gutachten entgegennahm, sagte die Ministerin lediglich, sie wolle es prüfen und kündigte als ersten Schritt eine Machbarkeitsstudie an.

Die Studie zur Studie

Es dauerte bis Anfang März 2021, bis die Machbarkeitsstudie einer teuren Anwaltskanzlei endlich vorlag. Sie war mit 275 Seiten 13 mal umfangreicher als die Borchert-Empfehlungen selbst. Das Ergebnis fasste die Ministerin so zusammen: „Die Studie zeigt, dass den Empfehlungen des Kompetenznetzwerkes keine grundsätzlichen Bedenken entgegenstehen.“

Als nächstes soll nun eine Folgenabschätzung „weitere wichtige Erkenntnisse für unsere Konzeption“ liefern, sagte die Ministerin. Sie erwarte deren Ergebnisse im April. Und danach, Frau Ministerin? „Ich lade ein zu konstruktiven Gesprächen über den besten Weg, um dieses Ziel (Anmerkung der Redaktion: mehr Tierwohl) zu erreichen.“ Mehr wird in den wenigen Monaten bis zur Sommerpause und der Bundestagswahl im September wohl nicht mehr passieren.

„Außer Spesen nicht viel gewesen“ kommentierte Agrarheute.de Klöckners Machbarkeitsstudie: „Wirkliche neue Erkenntnisse darin muss man mit der Lupe suchen. Wenn man sie findet, sind sie nicht schmeichelhaft für die Leitung des Bundeslandwirtschaftsministeriums.“ Eines der Ergebnisse der Studie formuliert Agrarheute.de so:Es braucht einen starken politischen Willen, um die Umsetzung der Borchert-Vorschläge zu realisieren.“

Klöckner sollte Druck machen

„Das Erstaunliche am Vorschlag der Borchert-Kommission ist die breite Zustimmung: Fast alle landwirtschaftlichen Verbände, wichtige NGOs, Wissenschaft, Bundestag und Bundesrat stehen dahinter“, schreibt das Fachblatt Top Agrar. Der Kommissionsvorsitzende Jochen Borchert selbst sagte in einem Interview, er hoffe, dass der Wahlkampf die Pläne positiv befeuere und sie zügig umgesetzt würden. „Agrarministerin Klöckner sollte beim Borchert-Plan Druck machen und vor der Wahl Fakten schaffen“, kommentierte Top Agrar. Doch bisher sieht es nicht so aus, als würde die Ministerin dem Folge leisten.

Kommentare

Registrieren oder anmelden, um zu kommentieren.

Weiterlesen mit BioHandel+

Melden Sie sich jetzt an und lesen Sie die ersten 30 Tage kostenfrei!

  • Ihre Vorteile: exklusive Berichte, aktuelles Marktwissen, gebündeltes Praxiswissen - täglich aktuell!
  • Besonders günstig als Kombi-Abo: ausführlich in PRINT und immer aktuell mit ONLINE Zugang
  • Neu: das BioHandel e-Paper inkl. Archivfunktion
30 Tage kostenlos testen
Sie sind bereits Abonnent von BioHandel+? Dann können Sie sich hier anmelden.

Auch interessant: