Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Rohstoffknappheit und hohe Energiepreise

Wie die Bio-Branche auf die Krise reagiert und was die Politik jetzt tun sollte

Rohstoffknappheit, teure Transporte, Logistikengpässe, hohe Energiepreise: Die Nachwehen der Corona-Krise gekoppelt mit den Konsequenzen des Ukraine-Kriegs treffen auch die Bio-Branche. Wie reagieren Hersteller und Händler? Und was muss die Politik tun, damit Bio gerade jetzt gestärkt wird?

Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges hat sich die durch die Corona-Pandemie bereits angespannte wirtschaftliche Lage rund um den Globus verschärft – und das bekommt auch die Bio-Branche zu spüren. BNN-Geschäftsführerin Kathrin Jäckel ist besorgt: „Die enorm gestiegenen Preise für Rohstoffe und Verpackungen belasten vor allem die Hersteller. Beim Großhandel haben sich die Transportkosten deutlich erhöht. Und die aktuell durch die Inflationsangst zurückgehende Kaufkraft macht sich gerade im Bio-Einzelhandel zusätzlich bemerkbar.“

Von den Preissteigerungen für Energie seien derweil sowohl Hersteller und Händler gleichermaßen betroffen – trotz einer oftmals stärkeren Einbindung in regionale Kreisläufe.

Das Kaufverhalten verändert sich

Dabei hatte Corona die Umsätze im Bio-Fachhandel in den letzten beiden Jahren steigen lassen: Während Restaurants und Kantinen pandemiebedingt oft leer blieben, wurde zuhause mehr gekocht. „Es ist schwierig, angesichts dessen nun aussagekräftige Umsatzvergleiche anzustellen“, sagt Petra Röhrig, die in Fulda und Umgebung drei Bioläden betreibt. Vor allem bei Naturkosmetik sei ihr jedoch bei einigen Kunden bereits aufgefallen, dass entweder weniger gekauft oder auf günstigere Marken umgestiegen wird.

„Manche Kunden werden sogar experimentierfreudiger.“

Petra Röhrig, Inhaberin B!Othek

Trotzdem lässt sich die Bioladnerin nicht entmutigen: „In meinen Läden bin ich mit meinen Kunden stets im Gespräch und kann sie über Alternativprodukte informieren, wenn Preise steigen oder Artikel nicht verfügbar sind. So fühlen sie sich auch in diesen unsicheren Zeiten ernstgenommen – und manche werden sogar experimentierfreudiger.“

Kunden reagieren zum Großteil mit Verständnis

Der BioMarkt-Verbund stellt auch bei Lebensmitteln verzögerte Nachbestellungen seitens der Märkte fest. Die Reaktionen der Kunden auf die Preissteigerungen seien allerdings größtenteils von Verständnis geprägt. Mona Laudan vom Vertriebsausschuss ist überzeugt: „Trotz gestiegener Lebenshaltungskosten muss niemand auf einen nachhaltigeren Lebensstil verzichten“.

Alnatura-Geschäftsführer Götz Rehn erklärte in einem Interview mit BioHandel, dass es in seinen Märkten bislang nur sehr moderate Preiserhöhungen gebe. Es sei wichtig, dass Kundinnen und Kunden nicht abgeschreckt werden. „Wir puffern deshalb sehr viel ab“, so Rehn. Nach Angaben des Marktforschungsinstituts GFK werden vor allem weniger Bio-Markenprodukte gekauft, während die Umsätze der Bio-Eigenmarken der Supermärkte und Discounter sogar steigen.

Laut BÖLW-Handelsvorstand Marcus Wewer gehen insgesamt die Bio-Umsätze im Handel derzeit weniger stark zurück als bei konventionellen Lebensmitteln – was auch darauf zurückzuführen sein könnte, dass die Bio-Preise vor allem bei frischen Lebensmitteln bisher weniger stark gestiegen sind als bei konventionellen Produkten.

Doppelter Preis für Bio-Sonnenblumenöl

Zwar profitieren nun einige Bio-Firmen von langfristigen Lieferverträgen mit ihren Partnern, Preisgarantien kann derzeit jedoch kaum jemand geben. Das bestätigt auch Kerstin Stromberg, Geschäftsführerin bei Sodasan. Durch den Ukraine-Krieg habe sich etwa der Marktpreis für Bio-Sonnenblumenöl, einem wichtigen Ausgangsstoff für Flüssigseife, verdoppelt; ein Ende der derzeitigen Situation sei aktuell nicht absehbar. „Wir müssen leider davon ausgehen, dass sich Lieferausfälle und weitere Preiserhöhungen nicht vermeiden lassen“, sagt sie.

„Wir sehen die Herausforderungen auch als Chance zu Einsparungen.“

Jurek Voelkel, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb bei Voelkel

Auch Barnhouse kämpft mit der Beschaffung des immer knapper werdenden Rohstoffs und rechnet vor allem für 2023 mit weiteren massiven Preissteigerungen. „Hier denken wir über den Einsatz alternativer Öle nach“, so Geschäftsführer Martin Eras. Bei Hafer und Dinkel hingegen hat er aufgrund der Partnerschaften mit regionalen Erzeugern bislang keine Probleme.

Safthersteller Voelkel erwartet vor allem weiter Preiserhöhungen bei Beerenobst: Hier sei die Ernte besonders personalintensiv und Ware aus der Ukraine würde fehlen. „Wir sehen die Herausforderungen jedoch auch als Chance zu weiteren Einsparungen, etwa für Verpackungsmittelreduktion oder Senkung der Logistikkosten durch höhere Bestellmengen“, so Jurek Voelkel, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb.

„Das Schlachtfeld ,Preis‘ gehört den Discountern“

Manuel Wätjen, Experte für Preisstrategien, über die Preis-Sensibilität von Bio-Kunden und wie der Handel auf die steigenden Preise reagieren kann.

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Preise für Verpackungen spürbar gestiegen

Vor allem bei Verpackungen ist eine spontane Erhöhung der Bestellmengen jedoch oft schwierig. Laut Ökoland-Geschäftsführer Patrik Müller sind die Preise sämtlicher Verpackungsmaterialien – von Dosen über Glas bis hin zu Folien und Kartons – spürbar gestiegen und die Lieferzeiten deutlich länger geworden.

Ökofrost klagt vor allem über lange Bestell-Vorlaufzeiten für Faltschachteln: „Das erschwert die Planung und macht unflexibel“, so Pressesprecherin Annette Mörler. Da Firmen wie die Ölmühle Moog zusätzlich mit erhöhter Kundennachfrage konfrontiert wurden, musste das Unternehmen seine Bio Planète-Öle vorübergehend in andere Flaschenarten abfüllen, um überhaupt lieferfähig zu bleiben. „Die Preise für Etiketten und Flaschen sind zum Teil um mehr als 30 Prozent gestiegen, wozu auch die Schließung von Glashütten in der Ukraine und die steigenden Energie-Kosten beigetragen haben“, erläutert Firmengründerin Judith Moog. Bei Voelkel haben sich einige Verpackungen sogar um bis zu 45 Prozent verteuert.

Steigende Energiepreise und schwächelnde Logistik

Vor allem Energie ist seit dem Krieg teurer geworden – um rund 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Susanne Kiebler vom Demeter-Verband weiß: „Besonders trifft diese Kostenentwicklung Babynahrungs-Hersteller, da die Trocknung von Milch zu Milchpulver sehr energieintensiv ist, oder Bäckereien.“

Auch der Einzelhandel kämpft mit hohen Strompreisen. Gegenüber dem Handelsblatt erklärte der Vorstandsvorsitzende von Superbiomarkt, Michael Radau, dass sich seine Stromkosten seit Ende letzten Jahres vervierfacht haben. Zwar können Unternehmen, die stark mit den steigenden Energiepreisen zu kämpfen haben, Zuschüsse vom Bund beantragen, doch das ist bürokratisch aufwendig und kann im Erfolgsfall nur einen Teil der Mehrkosten ausgleichen.

Und selbst wenn die Energiekosten einigermaßen gedeckt werden können, hapert es vielerorts nach wie vor oft an der Logistik. „Unsere Partner müssen teilweise zwei bis drei Monate warten, bis sie einen Container erhalten. Gleichzeitig haben sich die Kosten für Container-Transporte teilweise verdoppelt“, berichtet GEPA-Pressereferentin Brigitte Frommeyer.

Laut Jurek Voelkel werden seitens der Reedereien dennoch hohe Gewinne eingefahren: „Hier ist eine ungesunde Marktdominanz Einzelner zu beobachten. Im deutschen und europäischen Speditionsgewerbe fehlen ohnehin Fahrer und Kapazitäten. Nun wird dies weiter zugespitzt durch die Ukraine-Krise.“

„Aktuell ist die Versorgung mit Futtermitteln knapp aber ausreichend.“

Tina Andres, BÖLW-Vorstandsvorsitzende

Auch viele Bio-Tierhalter stehen angesichts der steigenden Preise unter Druck, da ein Großteil der Bestandteile von Bio-Futtermitteln aus der Ukraine stammt. „Hier ist genauso wie im konventionellen Bereich weiterhin mit Preissteigerungen zu rechnen“, so BNN-Geschäftsführerin Kathrin Jäckel.

BÖLW-Vorstandsvorsitzende Tina Andres weist jedoch darauf hin, dass viele Verbands-Tierhalter in diesen Zeiten etwas besser aufgestellt sind, da sie ihre Tiere überwiegend mit regionalem Bio-Futter versorgen. Von Engpässen wären vor allem EU-Bio-Betriebe betroffen, die keine langfristigen Futtermittelkontrakte geschlossen haben. „Aktuell ist die Versorgung mit Futtermitteln knapp, aber ausreichend. Dazu beigetragen hat auch, dass die Möglichkeit, fünf Prozent konventionelles Futter für erwachsenes Geflügel und Schweine einzusetzen, verlängert wurde“, so Andres.

Regionale Versorgung mit Futter ausbauen

Demeter-Pressesprecherin Susanne Kiebler regt in dem Zusammenhang an, dass es nun mehr denn je an der Zeit sei, die regionale Futterversorgung auszubauen und sich Gedanken über Optimierungen der Nahrungskreisläufe zu machen – etwa durch die Verfütterung von Nebenprodukten aus der Lebensmittelherstellung.

Und Naturland drängt darauf, dass die Zulassung von Insekten, für deren Zucht der Verband bereits 2019 eigene Zuchtrichtlinien definiert hatte, als Futtermittel für Schweine und Hühner beschleunigt wird.

Bio-Branche fordert nachhaltige Steuerreform

Tankrabatt, 9-Euro-Ticket, Erhöhung der Pendlerpauschale, Heizkostenzuschuss und Einmalzahlungen für Sozialleistungsempfänger und Familien: Die Bundesregierung hat sich einiges einfallen lassen, um Bürger in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen. Nichtsdestotrotz achten Konsumenten beim Einkauf verstärkt auf den Preis.

BNN-Geschäftsführerin Kathrin Jäckel warnt, dass dies das Ziel der Bundesregierung, den Anteil von Bio bis 2030 auf 30 Prozent zu steigern, gefährden könnte. „Die Klimakrise macht aber auch jetzt keine Pause, die Ernährungswende muss im Interesse der Versorgungssicherheit und Zukunftssicherung weiterhin hohe Priorität haben“, fordert sie. Aus der gesamten Branche wird daher der Ruf nach einer Mehrwertsteuerreform laut, bei der ökologische Erzeugnisse weniger besteuert werden als konventionelle.

„Die Ernährungswende muss weiter hohe Priorität haben.“

Kathrin Jäckel, BNN-Geschäftsführerin

Ginge es nach Sodasan-Geschäftsführerin Kerstin Stromberg, sollten darüber hinaus Produkte, die nicht in Verpackungen aus 100 Prozent Recyclingmaterial verpackt sind, mit einer zusätzlichen Klimasteuer belegt werden. Stromberg ist überzeugt: „Wir brauchen Anreize und Impulse, um fossile und damit klimaschädliche Rohstoffe zu reduzieren. Kein Reiniger gehört mehr in eine aus Original-Erdöl hergestellte Flasche!“

Für Herbaria-Geschäftsführer Erwin Winkler sind in diesen Zeiten zusätzliche Subventionen für Bio-Landwirtschaft allerdings nicht der richtige Weg. Damit würde der falsche Eindruck vermittelt, dass Bio-Lebensmittel teure Luxusgüter sind. „Das Gegenteil ist der Fall: Konventionell erzeugte Lebensmittel kommen die Gesellschaft durch Umweltzerstörung und Klimaschädlichkeit teuer zu stehen. Würden sich die wahren Kosten in den Preisen widerspiegeln, wären Bio-Lebensmittel deutlich billiger“, ist Winkler überzeugt.

Mehr Aufklärung der Verbraucher

Um Bio auf Kurs zu halten, fordert Tina Andres vom BÖLW auch mehr Aufklärung. Es brauche jetzt eine starke Informationsoffensive des Bundes, um Verbrauchern die Werte und Wichtigkeit von Bio zu vermitteln. „Bio erweist sich gerade in dieser Krise als resilientes, unabhängiges und souveränes Ernährungssystem“, betont sie.

Wichtig sei außerdem, dass Bio in der Außerhausverpflegung eine größere Rolle spiele als bisher. Davon sind auch die Verbände überzeugt: Bioland fordert beispielsweise eine verbindliche Bio-Quote von 50 Prozent für Kantinen, um öffentliche Küchen zum Vorreiter für die Privatwirtschaft zu machen.

Preis ist nicht gleich Preis

  • Aktionsartikel werden leicht unter Wert bepreist und/ oder besonders prominent platziert. Sie dienen dazu, Aufmerksamkeit zu erzeugen und können damit auch Neukunden anlocken.
  • Abschöpfartikel sind Schnelldreher wie Milch oder Butter, die oft gekauft werden. Kunden haben für diese Artikel ein gutes Preisgefühl, entsprechend ist bei Preiserhöhungen Vorsicht geboten.
  • Bei Ankerartikeln liegt der Preis über dem Wert und der Erwartung der meisten Kunden. Sie markieren die preisliche Obergrenze und lassen andere Artikel derselben Produktgruppe günstiger erscheinen.
  • Aufpreisartikel werden selten gekauft. Beispiele sind exotische Früchte oder laktosefreie Milch für den Besuch am Wochenende. Kunden sind hier nicht besonders preissensibel, weil sie die Produkte zu selten kaufen.

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