Mindestens 25 Prozent ökologisch bewirtschaftete Fläche in Europa bis 2030 – so sieht es der Green Deal der Europäischen Union vor. Deutschland hat ein noch ehrgeizigeres Ziel, hierzulande sollen bis 2030 mindestens 30 Prozent bio sein. Das haben die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten. Erreichen wollen sie dieses Ziel mit „gezielten Förderangeboten, die auf die Stärkung von Nachfrage und auch Angebot ausgerichtet sind“, so das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf seiner Homepage.
Allerdings bezweifeln etliche Bio-Verbände und -Akteure, dass die Maßnahmen der Regierung ausreichen, um das Ziel in den kommenden gut sechs Jahren auch wirklich zu erreichen. Im vergangenen Jahr bewirtschafteten knapp 37.000 Betriebe einen Anteil von 11,2 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland ökologisch.
Mehr Beziehungsarbeit und Kooperationen
Wie 30 Prozent Bio-Anbau tatsächlich noch erreicht werden können, diskutierten die Spitzen von Bioland, Naturland und Demeter unter anderem auf einem Marktgespräch der BioHandel Akademie. Dabei machte Demeter-Vorstand Alexander Gerber klar, dass es die Bio-Branche als Bewegung auszeichne, „dass wir nie auf die Politik gewartet haben“. Um 30 Prozent Bio zu erreichen, müssten alle Beteiligten mehr Beziehungsarbeit leisten und auf Kooperationen setzen.
Diese Kooperationen schließen auch LEH und Discounter nicht aus, wie Bioland-Präsident Jan Plagge deutlich machte. Die Kooperation seines Verbandes mit Lidl sei die richtige Entscheidung gewesen. Sie helfe Bioland, „kompetenter zu werden, wie wir Verbrauchermuster umstellen“. Denn Kunden, die beim Discounter einkaufen, ticken anders als die Kundschaft des Fachhandels. „Wir müssen unsere Grundwerte und Prinzipien kommunizieren und dem LEH Orientierung geben“, so Plagge. Die Rolle des Fachhandels sieht er vor allem in dessen Stärke, „eine Bewegung zu sein, die integriert“.
Anbauverbände wollen Bedingungen für Bio mitsteuern
Auch Steffen Reese, Geschäftsführer von Naturland, befürwortet Kooperationen mit LEH und Discountern. Der Naturland Verbund arbeite mit Aldi zusammen, „um die Bedingungen für Bioprodukte im Discount mitsteuern zu können“. Reese weiter: „Grundsätzlich haben die Naturland-Bäuerinnen und -Bauern den Anspruch, die Richtlinien und Vorgaben für den Umwelt- und Tierschutz, unter denen sie produzieren, selbst zu definieren“.
Alexander Gerber sieht in solchen Kooperationen auch einen positiven Effekt für den Fachhandel. Denn in dem Jahr, als Demeter-Produkte bei Rewe und Kaufland eingelistet wurden, sei der Absatz im Fachhandel doppelt so schnell angestiegen wie bei den beiden Filialisten.
Gerber führt das darauf zurück, dass die Kundschaft, die im LEH zu Bio greift, dann auch im Fachhandel einkauft, weil sie dort ein sehr großes ausschließliches Bio-Sortiment in den Regalen findet. Allerdings hätten diese Kunden auch die unterschiedlichen Preise im Kopf und griffen mit Beginn der Krise zu den Handelsmarken der Discounter. „Kunden reagieren extrem schnell“, so Gerbers Fazit.
Für den Fachhandel sieht er die Herausforderung, weiterhin an der Pionierrolle festzuhalten und immer einen Schritt vorauszugehen. Das bedeute im Moment vor allem, neue Beziehungen und Kooperationen aufzubauen. Und: „Wir müssen in eine andere Art von Kommunikation mit den Kunden kommen. Das heißt, nicht nur werben, sondern in einen Austausch zu den Inhalten kommen.“
„Wir sind kein Geschäftsmodell, wir beweisen jeden Tag, dass Bio die Lösung ist. Wir haben uns zu einem Wettbewerb um die größte Nachhaltigkeit bekannt.“
Für Jan Plagge sollte der Fachhandel wieder zu einem „Ort der politischen Auseinandersetzung werden“, an dem sich die Kundschaft als Teil einer Bewegung fühle – ohne jedoch auszugrenzen.
Der Bioland-Präsident kann sich durchaus vorstellen, dass das Ziel 30 Prozent Bio bis 2030 noch erreicht werden kann. Wenn beispielsweise in den nächsten fünf bis zehn Jahren eine Differenzierung auf Abgaben- und Steuerebene stattfindet, die den ökologischen Fußabdruck in den Vordergrund stellt. Auch müssten Vorteile für den Kauf von Bioprodukten geschaffen werden. Kurzfristig müsse aber vor allem die Deregulierung der Gentechnik verhindert werden, die aus seiner Sicht zu einer großen Verunsicherung des Marktes und der Verbraucher führen würde.
Für Steffen Reese ist es darüber hinaus wichtig, der Politik verständlich zu machen: „Wir sind kein Geschäftsmodell, wir beweisen jeden Tag, dass Bio die Lösung ist. Wir haben uns zu einem Wettbewerb um die größte Nachhaltigkeit bekannt.“
Kommentare
Registrieren oder anmelden, um zu kommentieren.