Biohandel

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Portrait

Werz Naturkornmühle: Umbauen für die Zukunft

Der Backwarenhersteller Werz wird 60 und ist mit großen Schritten ins Jubiläumsjahr gestartet: mit Andreas Plietker als neuem Geschäftsführer, mit Annette Werz als alleiniger Gesellschafterin und mit Dorian Werz, der das Unternehmen einmal übernehmen soll.

Karl-Otto Werz ist ein Pionier. 1959, mit 21 und voller Ideen, übernahm er die Bäckerei seines Vaters August in Heidenheim. Er packte an und entwickelte seine Ideen weiter. Bald mahlte er sein Getreide selbst. Er wurde Vollkornbäcker, der schon 1967 Demeter-Getreide und später den ersten Bio-Dinkel verarbeitete.

Er verkaufte zunächst in Reformhäusern, später im Biofachhandel und war der erste in der Biobranche, der glutenfreies Gebäck im Sortiment hatte. Werz-Rezepturen sind vollwertig und puristisch: ohne Milch, ohne Ei, mit Honig oder Reissirup als Süßungsmittel, ohne Backhilfsmittel.

Erst vor wenigen Jahren gab der heute 81-Jährige seine Geschäfte weiter. Inzwischen hat seine Tochter Annette Werz als alleinige Gesellschafterin und Prokuristin die Verantwortung übernommen. Ihr 24-jähriger Sohn Dorian hat im Unternehmen schon als Vertretung gearbeitet, ein Jahr lang als Assistent der Geschäftsleitung den Relaunch der Marke mit begleitet, ist auf Messen präsent und studiert in Witten-Herdecke Ökonomie, Politik und Philosophie, um später das Familienunternehmen weiterzuführen.

Werz-Führung

Geschäftsführer Andreas Plietker und Gesellschafterin Annette Werz

Geschäftsführer ist seit eineinhalb Jahren Andreas Plietker, Groß- und Außenhandelskaufmann und Betriebswirt, der für Unternehmen wie ProNaturkost (mit den Marken Lebensbaum, Logona, Söbbeke, Voelkel und Davert) und Biozentrale als Geschäftsführer agiert hat. Plietker soll die Brücke bauen vom Pionierunternehmen in Richtung Zukunft, während Annette Werz ihre Erfahrungen aus dem Unternehmen einbringt und für die Unternehmenswerte steht.

Viel Handarbeit

Andreas Plietker ist es auch, der durch den Betrieb führt, mit weißer Schiebermütze und im weißen Arbeitsmantel über der grünen Hose. Es riecht nach Zimt und wir kommen an Wägen vorbei, in denen sich Bleche voller Weihnachtsgebäck übereinanderstapeln. Hier mal kurz ein Vanillekipferl stibitzt, dort einen Spekulatius.

Eine Mitarbeiterin schichtet Kekse mit Schokofuß in Kartons, eine andere nimmt Zwieback vom Blech und portioniert ihn für die Foliermaschine, eine dritte kontrolliert im Untergeschoss das Gewicht der mit Hirseflocken gefüllten Folienbeutel. Eigentlich könnte man Werz auch als Manufaktur bezeichnen – nach wie vor geschieht viel in Handarbeit. Dass die Menschen nah am Produkt sind, das soll so bleiben.

Das neue Führungsteam hat sich als Ziel gesetzt, die Marke Werz besser im Bewusstsein seiner Klientel zu verankern und neue Kundengruppen zu erschließen, ein jüngeres Publikum beispielsweise. Andreas Plietker setzte sich mit den Handelspartnern zusammen, so dass das Traditionsunternehmen mit neuen Displays und Vorstellung in Info- Handzetteln flächendeckend präsent ist.

Modernisiertes Design

Der Markenrelaunch ist abgeschlossen. Das modernisierte Corporate Design präsentiert sich auf den Verpackungen, den Etiketten, zeigt sich im Messeauftritt und auch auf edelgrauen Mitarbeiter-T-Shirts mit kleinem orangefarbenem Herz.

Auch der Online-Auftritt ist wieder auf der Höhe der Zeit. „Online als Kommunikationsmittel bietet optimale Möglichkeiten, um sich darzustellen“, findet Andreas Plietker. Und es hilft, mit den Kunden in Kommunikation zu treten.

Das Führungsteam plant, einen Ernährungsberatungs-Blog einzurichten. „Ich glaube, wir hatten einen der ersten Webshops“, sagt Annette Werz. Das bleibt wichtig, denn mit seinem breiten Sortiment – 200 Produkte derzeit – kommt das Unternehmen nicht umfassend in den Handel. Dabei waren es sogar mal fast 400 Produkte. Was zu wenig lief, aber auch, was zu sehr in Richtung 08/15 tendierte, wurde rausgenommen.

Vieles, was das Unternehmensprofil von Werz ausmacht, liegt im Trend: die gesundheitsbewusste Ernährung, Superfood (Braunhirse beispielsweise oder Reiskleie), vegetarisch und vegan. Getreide wird erst kurz vor der Verarbeitung vor Ort frisch vermahlen – um wertvolle Stoffe, aber auch Aromen optimal zu bewahren.

An Verpackung getüftelt

Die Verpackung lässt sich problemlos in Recyclingkarton und transparente, produktschützende Kunststofftüten trennen. Daran wurde immer wieder gearbeitet. Bei Werz gibt es fünf verschiedene Basisschachteln, die mit Hilfe der Etiketten Produktbezug herstellen. Auf Folie könne man nicht verzichten, berichtet Annette Werz, denn nur sie bewahrt das Aroma optimal und macht Lebensmittel haltbar.

Nachhaltigen Strom bezieht die Manufaktur aus Solarzellen und aus der Wasserkraft der benachbarten Wangenmühle, die Karl-Otto Werz schon 1978 erwarb. Trendprodukt Superfood, das Bemühen um Nachhaltigkeit – all das zu kommunizieren, ist gar nicht so einfach. Denn bei Werz ist das nicht neu, sondern gehört zu den Selbstverständlichkeiten. Es wurde schon (fast) immer so gemacht.

Neu ist das Lagerverwaltungssystem. Linien, Buchstaben und Zahlen auf den Fußböden schaffen Ordnung und kurze Wege und optimieren in Richtung „First in, first out“. Neu ist auch, dass es eine Lagerverwaltungsleitung gibt, die hierfür verantwortlich ist. „Ich möchte eine neue Führungsebene einziehen“, erklärt Andreas Plietker. „Wir brauchen einen breiten Unterbau, um stabil zu sein.“

Auch in Technik und Digitalisierung wurde investiert: in eine neue Telefonanlage, ein neues Rezepturprogramm, Servertechnologie. Wenn nötig, holt sich das Unternehmen auch Hilfe von außen: Eine Agentur unterstützt den Vertrieb im Bereich Keyaccount und Messen, damit die Kunden immer einen Ansprechpartner haben.

Die Zukunft im Blick

Vieles wurde innerhalb kurzer Zeit auf die Wege gebracht. Doch das ist erst der Anfang. „Ein Werksverkauf wäre schön“, sinniert Annette Werz. „Und es kommen immer mehr Anfragen nach Großpackungen für die Gastronomie. Wir würden auch gerne Lieferpartnerschaften ausbauen, Anbauprojekte aufbauen, weiterhin neue Rohstoffe erschließen.“ Die Konstrukteure des Übergangs haben gerade erst angefangen. Ihr Blick geht in Richtung Zukunft.

Fragen an Andreas Plietker und Annette Werz

Was ist Ihre Aufgabe in einem Unternehmen, das ein Pionier zum Erfolg geführt hat?

Andreas Plietker: Mir ist es vor allem wichtig, die familiäre Tradition zu bewahren und die gute handwerkliche Qualität zu sichern, die Werz schon immer ausgezeichnet hat. Meine Aufgabe ist es dabei, die Brücke in die Zukunft zu bauen und diese Werte mit modernen Technologien und einem zeitgemäßen Management zu verbinden.

Wie soll das geschehen?

Andreas Plietker: Ich habe viele Start-ups beraten, viel mit jungen Leuten zusammengearbeitet. Es ist wichtig, offen zu sein und nicht stehen zu bleiben. Das funktioniert mit einem kooperativen Führungsstil. Ich will andere Menschen stark machen.

Annette Werz: Darin sehe ich auch einen Weg für die Biobranche. Deutschland ist ein Vorzeigeland in Sachen Bio. Es wäre gut, wenn wir uns auf unsere Werte, auf das Miteinander zurückbesinnen. Statt unbedingtem Wachstum und Verdrängung, wie es uns vorwiegend die Wirtschaft vormacht, plädiere ich für mehr Kooperation.

Zahlen – Daten – Fakten

Gründung 1932 durch August Werz
Standort: Heidenheim
Sortiment: Vollkorngebäck, ohne Ei, ohne Milch, mit alternativen Süßungsmitteln, vorwiegend glutenfrei
Größter Umsatzbringer: Erdmandelflocken
Anzahl Produkte: 200
Anzahl Mitarbeiter: 55, davon 40 Frauen
Produktions- und Lagerfläche: ca. 4.000 Quadratmeter
Exporte: Österreich, Schweiz, Italien, Frankreich, Niederlande, Kroatien, Griechenland
Kunden: Naturkostfachhandel und Reformwarenhandel
Umsatz: 4,4 Mio. Euro 2018
Geschäftsführer: Andreas Plietker
Prokuristin: Annette Werz (alleinige Gesellschafterin)
www.werz.bio

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