Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Verpackung

Hauptsache plastikfrei?

Das Thema Verpackungen beschäftigt Händler und Hersteller. Auf einer Tagung des Verbandes Naturkost Süd wurden die neuesten Ideen vorgestellt und diskutiert.

Das Thema Verpackungen beschäftigt Händler und Hersteller. Auf einer Tagung des Verbandes Naturkost Süd wurden die neuesten Ideen vorgestellt und diskutiert.

Die Deutschen sind Verpackungshelden: Jeder Fünfte verzichtet regelmäßig auf den Kauf von Produkten, die nicht nachhaltig verpackt sind. Das hat das Deutsche Verpackungsinstitut in einer Umfrage ermitteln lassen. Zwar hat diese Zahl mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Doch sie zeigt deutlich: Das Thema Verpackung ist im Bewusstsein der Menschen angekommen. Es bewegt die Kunden – und die Händler und Hersteller. Das zeigte eine Tagung des Verbandes Naturkost Süd, auf der viele Informationen zu diesem Thema ausgetauscht wurden.

Was Hersteller tun

Das Augenmerk vieler Kunden richtet sich auf Plastik als fossilen Rohstoff, der die Meere vermüllt, entsprechend engagieren sich die meisten Hersteller in diesem Bereich. Charlotte Ruck von Spielberger stellte die laufende Umstellung der Verpackungen auf 100 Prozent Papier vor. Größte Herausforderung dabei war es, die Sichtfenster aus Kunststoff zu ersetzen. Biologisch abbaubare Folie kam nicht in Frage, weil der Rohstoff aus Gentech-Mais bestehen könnte. Zellstoff-Folie bot zu wenig Schutz. Spielberger verwendet jetzt Pergamin, das aus feingemahlenem Zellstoff besteht. Das Papier selbst besteht aus frischem Zellstoff, hergestellt aus FSC-Holz in Schweden. Um diesen Holzverbrauch zu kompensieren, unterstützt das Unternehmen ein Bergwaldprojekt bei der Aufforstung.

Beispiele wie diese gibt es mehrere in der Branche: Der Hersteller Albgold hat angefangen, erste Nudeln in Papier zu verpacken. Sonnentor setzt schon seit längerem für Gewürze und lose Tees auf Folien aus Zellulose, die biologisch abbaubar sind. Auch Lebensbaum nutzt die Folie als Hülle um Teebeutelschachteln. Ebenfalls aus Zellstoff besteht die NatureFlex-Folie, in die Vivani und andere Schokoladenhersteller ihre Schokis verpacken. Biovegan startete im Februar 2019 das Projekt „Plastikfreies 2020“[nbsp] und will bis dahin sämtliche Verpackungsmaterialien sowie Produktionsabläufe plastikfrei gestalten. Den laufenden Fortschritt kommuniziert der Hersteller auf www.biovegan.de/zukunftsrezepte.

Nicole Palberg, Leiterin des Qualitätsmanagements beim Großhändler Biogarten hat bei über 200 ihrer Lieferanten das Engagement im Verpackungsbereich abgefragt. Der Rücklauf lag bei 60 Prozent, die meisten, die antworteten, bearbeiten das Thema aktiv. Schwerpunkte sind der Ersatz von Kunststoff und der Einsatz von Recyclaten. Materialeinsatz reduzieren, nachwachsende Rohstoffe einsetzen und Altpapier beim Transport stehen ebenfalls bei vielen Herstellern auf der To-Do-Liste. Im Drogeriesortiment spiegelt sich das schon wieder, etwa in Verpackungen aus Polyethylen, das auf Zuckerrohr basiert (Speick, Urtekram) oder in Flaschen mit Recycling-PET (Sodasan, Almawin). Kanister für Großgebinde werden im WPR-Bereich zunehmend durch Bag-in-Box-Systeme ersetzt. Viele Seifen ziert nur noch eine Papier-Banderole.

Kompostierbar, ja aber ...

Eine zunehmend kritisch beäugte Alternative im Lebensmittelbereich sind kompostierbare Folien auf Maisbasis. Obwohl sie abbaubar sind, bleibt die Entsorgung ein kritischer Punkt. PE aus Zuckerrohr kann wie Erdöl-PE recycelt werden. Landen biologisch abbaubare Folien in der Gelben Tonne, fliegen sie bei der Sortierung raus und werden als Sortierrest verbrannt. Landen sie in der Biotonne, werden sie ebenfalls vor der Kompostierung aussortiert und verbrannt. Die Entsorgerverbände in Deutschland lehnen die Biotonne als Entsorgungsweg für kompostierbare Folien ab, weil sie sich in den Kompostanlagen nicht schnell genug zersetzen. Es bleiben nach sechs Wochen Rotte kleine Kunststofffetzen übrig, durch die der Kompost unverkäuflich wird.

In anderen Umweltkategorien sind biobasierte Kunststoffe nicht unbedingt besser als Plastik. Die Rohstoffe werden konventionell angebaut. Die Herstellung von Zellstoff aus Holz braucht reichlich Energie und Wasser, das gilt auch für Einwegpapier, das Plastiktüten ersetzt. „Papier ist ökobilanziell nicht besser als Plastik“, schreibt deshalb der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) in seinem Leitfaden für Serviceverpackungen. Eine spannende Alternative dazu ist Graspapier, das die ÖMA als Karton für ihre Convenience-Produkte wie Back-Camembert verwendet. Es besteht zu 25 bis 50 Prozent aus heimischer Grasfaser, die den Zellstoff ersetzt und damit die Energie- und Wasserbilanz deutlich verbessert.

Neu: Graspapier

„Das Engagement eines Herstellers im Verpackungsbereich ist bei Listungsentscheidungen ein Aspekt unter mehreren. Aber er gewinnt zunehmend an Bedeutung“, sagt Michael Kruse, der den Biomarkt Neubrandenburg betreibt. Als Beispiel nennt er den Naturkosmetikhersteller Urtekram, der seine Verpackungen derzeit auf Kunststoffe aus Zuckerrohr umstellt. Bayerische Schorle in Einwegplastik hat er durch einen regionalen Mehrweglieferanten ersetzt – dessen Produkte allerdings deutlich mehr kosten.

Unverpackt oder unnötig?

Wie so mancher Ladner überlegt Michael Kruse, sich eine Unverpackt-Station zuzulegen, speziell für Produkte, die er derzeit nur in Plastik verpackt anbieten kann. Plastik als Material für die Behälter einer sochen Station käme für ihn nicht in Frage, es müsste schon Glas sein. Da stimmt er mit Carlo Krauß überein, der auf der Naturkost Süd-Tagung seinen Münchner Laden OHNE – der verpackungsfreie Supermarkt vorstellte – und die von ihm entwickelten Glasbins. Der Trend geht anscheinend zu edleren, wertigen Stationen. Der Großhändlerverbund Die Regionalen hat sein Unverpackt-Projekt, bei dem er Einzelhändlern fertige Stationen und Beratung anbot, mangels Nachfrage eingestellt. Es bleibt offen, ob es an den angebotenen Plastikbehältern lag oder daran, dass Abfüllstationen bei den Läden doch kein Thema sind. „Kleine Bioläden müssen sich abheben, und eine gute Möglichkeit ist es, Bio-Produkte aus der Region unverpackt anzubieten“, sagt Carlo Krauß, dessen Geschäft, wie viele andere Unverpackt-Läden, ausschließlich Bio-Lebensmittel anbietet und bio-zertifiziert ist. Als Geschäftskonzept gibt es auch Bioläden, die voll auf Unverpackt setzen, aber ihr Sortiment mit etwas Bio-Einweg im Glas abrunden. Bio.lose in Hamburg ist ein Beispiel dafür (www.biolose.de). In Bad Grönenbach im Allgäu eröffnet demnächst ein Naturkostfachgeschäft mit einem solchen Konzept.

Dabei dürfen Zapfautomaten für Milch, Öl und Waschmittel nicht fehlen. Über die ökologische Sinnhaftigkeit dieser Automaten wurde auf der Naturkost Süd-Tagung ausführlich diskutiert. Im Fokus stand dabei der Umgang mit den angelieferten Behältern. Wieviel Sinn macht ein Automat, wenn etwa Kanister nicht abgeholt und wiederbefüllt sondern geschreddert werden? Spart das soviel Rohstoff im Vergleich zu Ein-Liter-Plastikflaschen? Endgültige Antworten darauf gab es keine, aber ein leichtes Unbehagen, ob hier nicht zuviel Energie in Modelle geht, die einem später mit ihrer Ökobilanz auf die Füße fallen.

Mehrweg leben

Das Verpackungsengagement lässt sich auch gut mit phantasievollen Produkten zeigen, etwa mit Einkaufsbeuteln, genäht aus alten Gardinen (rebeutel.de), plastikfreien Zahnbürsten (Hydrophil), Bienenwachstüchern als Mehrweg-Frischhaltefolie (www.little-bee-fresh.de oder Abeego) oder seltenen Mehrweglösungen, etwa für Aufstriche (Gutding) oder Kosmetik (Fair Squared). Wichtig ist auch ein gut sichtbares Bekenntnis zum Thekeneinkauf mit mitgebrachten Gefäßen. In München hat das Kreativ- Kollektiv rehab republic ein Label aufgelegt, das auf solche Geschäfte hinweist
(einmalohnebitte.de). 321 Geschäfte in München machen mit; über eine Karte sind sie abruf- und sortierbar. Eine Ausweitung ist angedacht – wenn die Finanzierung dafür steht.

Es gibt noch andere Möglichkeiten, Flagge zu zeigen. Raoul Schaefer- Groebel bietet im Bonner Bioladen Momo einige Dutzend Produkte von Müsli bis Gummibärchen in selbst befüllten Gläsern an. Das macht Arbeit: „Ein Mitarbeiter kümmert sich, bisher 30 Stunden in der Woche, um den kompletten Ablauf von Gläserspülen bis ins Regal räumen“, erklärt Schaefer- Groebel. Abfüllort ist ein sechs Quadratmeter großer Raum, dazu etwa Lagerplatz. Sein Fazit bisher: „Wir sind bei 1.000 Artikeln pro Monat, die Akzeptanz ist wunderbar, die Kalkulation stimmt pi mal Daumen, die Imagepflege ist unbezahlbar.“

SB-Käse ganz auslisten?

Eine andere Idee trägt Monika Demgen vom Münchner Biomarkt Stemmerhof mit sich herum: „Den ganzen SB-Käse auslisten und 14 Tage lang ein großes Schild in die Kühltheke stellen: ‚Sie wollen keine Plastikverpackungen – Wir auch nicht’ oder so ähnlich.

Plastik statt Müll

Michael Kruse vom Biomarkt Neubrandenburg muss immer wieder die Plastikschalen verteidigen, in denen er Mix-Salate oder Rucola anbietet. Doch wenn er ihn lose verkauft, wirft er regelmäßig Ware weg. Frank Klinkosch von Bio Emma in Augsburg nennt die Folien um spanischen Stangensellerie als Beispiel: „Der ist nach einer Woche noch ansehlich, lose geliefert wäre er vertrocknet und ich müsste ihn wegwerfen.“ Auch die Schutzfolie um Kräutertöpfe mache Sinn.

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