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Tierschutzprobleme

Bio-Schlachthof geschlossen

Der Schlachthof Fürstenfeldbruck westlich von München hat seinen Betrieb eingestellt und die Mitarbeiter samt Geschäftsführer entlassen. Vorausgegangen waren massive Vorwürfe der Tierrechtsorganisation Soko Tierschutz. Sie zeigte Videos von tierquälerischen und gesetzeswidrigen Schlachtungen.

Der Schlachthof Fürstenfeldbruck westlich von München hat seinen Betrieb eingestellt und die Mitarbeiter samt Geschäftsführer entlassen. Vorausgegangen waren massive Vorwürfe der Tierrechtsorganisation Soko Tierschutz. Sie zeigte Videos von tierquälerischen und gesetzeswidrigen Schlachtungen. Der Schlachthof galt als Vorzeigebetrieb und verarbeitete zu 60 Prozent Bio-Tiere, vor allem von Anbauverbänden.

Die Soko Tierschutz hatte nach eigenen Angaben von einem Insider Material bekommen, dass von Juli 2016 bis April 2017 mit versteckter Kamera die Arbeit im Schlachthof dokumentierte. In einem am 3. Mai veröffentlichten Video ist zu sehen, wie Rinder mit – im Ökolandbau verbotenen -[nbsp] Elektroschockern traktiert werden. Zuvor blieben einzelne Tiere bis zu zehn Stunden ohne Futter und Wasser im Gitterstand. Schweine wurden trotz mangelhafter Betäubung geschlachtet. Zudem zeigt das Video einige Szenen mit brutaler Gewalt gegen Tiere.

Der Schlachthof räumte nach anfänglicher Skepsis die Echtheit der Bilder ein. Man habe den verantwortlichen Mitarbeiter freigestellt, teilte das Unternehmen zwei Tage nach der Veröffentlichung mit „Wir bedauern die Verfehlungen einzelner Mitarbeiter außerordentlich. Diese sind in keinster Weise zu rechtfertigen“, zitierte die Süddeutsche Zeitung (SZ) aus der Erklärung des Unternehmens. Die weitere Aufarbeitungs des Falls brachte ans Licht, dass die Kreisbehörde bereits 2015 und 2016 bei Kontrollen Tierschutz-Mängel gerügt hatte. Auch dabei ging es um fehlerhafte Betäubungen.

Schlachthof plant völligen Neuanfang

Träger des Schlachthofes sind rund 100 Metzger, Bauern und Verbraucher aus der Region, die das Unternehmen im Jahr 1995 gründeten, nachdem der kommunale Schlachthof dicht gemacht hatte. Der vierköpfige Verwaltungsrat, der die Interessen der Beteiligten vertritt, traf sich 8. Mai und beschloss einen völligen Neuanfang. Die bestehende Gesellschaft wird liquidiert, alle Mitarbeiter und der Geschäftsführer werden entlassen. Zuvor hatte das Landratsamt von der Soko Tierschutz weiteres Videomaterial enthalten und ausgewertet. Was auf diesen Bändern zu sehen sei, sei nennenswert, zitierte der Münchner Merkur eine Sprecherin der Kreisbehörde. Wer davon ausgehe, dass das weitere Material die Lage verschärft habe, liege nicht falsch, hieß es weiter. In einer Erklärung des Verwaltungsrates, die der Münchner Merkur veröffentlichte, hieß es: „Die gesellschaftlichen und ordnungspolitischen Entwicklungen machen den Weiterbetrieb der Firma Brucker Schlachthof unmöglich. Die gesamte Schlachtmannschaft ist entlassen. Zu anonym entstandenen und inszenierten Vorwürfen müssen wir keine Erklärung abgeben.“ Der bisherige Geschäftsführer des Schlachthofes sprach von einer „Kampagne“.

Die Soko Tierschutz jubelt bereits über den ersten in Deutschland aus Tierschutzgründen geschlossenen Schlachthof. Doch wie es tatsächlich weitergeht, werden die Beteiligten in einigen Wochen entscheiden. Der Obermeister der Fürstenfeldbrucker Metzgerinnung hält den Betrieb für unverzichtbar und sucht laut Süddeutscher Zeitung schon nach neuem Personal.

Alnatura, Bioland und Naturland im Focus der Tierrechtler

Für die Bio-Branche ist der Vorfall durchaus peinlich. Der Brucker Schlachthof galt seit der Inbetriebnahme vor 20 Jahren als Vorzeigebetrieb und Modell für eine regionale Fleischverarbeitung. Über 60 Prozent der dort geschlachteten Tiere kamen aus Bio-Ställen, meist von Verbandsmitgliedern. Die Tierhälften aus Bruck gingen an die Naturland-Metzgerei Landfrau, eine Tochter der Münchner Hofpfisterei, ebenso wie an die Bioland-Metzgerei Packlhof, die unter anderem Alnatura beliefert. Auch für die Regionalmarke Unser Land wurden Tiere in Fürstenfeldbruck geschlachtet. In der örtlichen Presse findet sich die Hofpfisterei mit der Aussage „Wir sind schockiert von den Bildern“.

Alnatura-Sprecherin Stefanie Neumann schrieb auf Anfrage: „Im jetzt geschlossenen Betrieb der Brucker Schlachthof GmbH in Fürstenfeldbruck wurden keine Bio-Tiere für die Fleisch- und Wurstwaren der Marke Alnatura geschlachtet. Über die Fleisch- und Wurstwaren der Marke Alnatura hinaus bieten wir auch Fleischwaren anderer Marken an. Bioland teilte uns mit, dass sie die von der Soko Tierschutz erhobenen Vorwürfe sehr ernst nehmen und diese zurzeit ergänzend zu den zuständigen Behörden prüfen.“ Der Schlachthof sei kein Bioland-Partner gewesen, sondern ein Lohnverarbeiter einiger Bioland-Erzeuger. Aktuell lasse es sich noch nicht sagen, ob es sich bei den gezeigten Tieren um Bioland-Tiere gehandelt habe.

Beim Schlachten ist die staatliche Kontrolle gefordert

Die Soko Tierschutz macht sich darüber lustig, dass auf den Webseiten von Bioland und Alnatura ältere wohlwollende Reportage über den Brucker Schlachthof verschwanden. Den Verbänden Bioland und Naturland warfen die Tierrechtler „Versagen“ vor. Öffentliche Stellungnahmen der Verbände gab es eine Woche nach Veröffentlichung der Videos keine. Ein Grund dafür ist, dass die Verbände dem bisher regionalen Vorfall keine zusätzliche Aufmerksamkeit bescheren wollen. Solche kleinen Schlachthöfe sind dringend notwendig, um regionale Wirtschaftskreisläufe aufzubauen und die Bio-Erzeuger nicht in Abhängigkeit der wenigen großen konventionellen Schlachter zu bringen.

Argumentativ befinden sich die Verbände in einer schwierigen Position: Die Öko-Kontrollstellen kümmern bei ihren Inspektionen vor allem um Dokumentation und Getrennthaltung, um zu verhindern, dass aus konventionellen Tieren im Schlachthof plötzlich Bio-Fleisch wird. Die Kontrolle des Schlachtprozesses selbst liegt nicht im Focus und würde auch nur eine Momentaufnahme liefern. Hier müssen sich die Verbände und ihre Erzeuger auf die staatlichen Veterinäre verlassen, die bei den Schlächtungen anwesend sind und den Tierschutz sicherzustellen haben. Bei konventionellen Schlachtungen ebenso wie bei Bio-Tieren.

Und genau hier hapert es. Schlecht betäubte Schweine seien in Bayerns Schlachthöfen der Normalfall, berichtete die Süddeutsche Zeitung. Zwei Drittel der überprüften Betriebe hätten Probleme bei der Betäubung. Die SZ zitierte auch aus einer Landtagsanfrage, wonach in Jahren 2014 und 2015 das Bayerische Landesamt für Gesundheit mehr als 400 Verstöße an Schlachthöfen festgestellt haben, doch nur elf Mal ein Bußgeld verhängt wurde. Einer der Schlachthöfe war der von Chiemgauer Naturfleisch, was bereits Ende 2016 bekannt wurde. Die Passauer Neue Presse und das örtliche Portal Chiemgau24.de haben damals ausführlich berichtet.

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