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Sodasan-Gründer Jürgen Hack: „Keiner dachte, dass wir das hinkriegen“

Bei Sodasan wurde das erste Reinigungsmittel im Betonmischer hergestellt. Inzwischen hat das Unternehmerpaar Kerstin Stromberg und Jürgen Hack ein bedeutendes Unternehmen in der WPR-Branche aufgebaut. Ihren ökologischen Ansprüchen sind sie dabei stets treu geblieben.

Im Jahr 1978 wurden sie ein Paar: Kerstin Stromberg und Jürgen Hack, Geschäftsführer Sodasan Wasch- und Reinigungsmittel GmbH mit Sitz im ostfriesischen Uplengen. Mit Ökologie hatte bis dahin nur Kerstin Stromberg zu tun, die damals schon umweltpolitisch aktiv war. Sie entschied sich für Kinder- und Jugend-Psychiatrie, Soziologie und Pädagogik, Jürgen Hack war nach seinem Chemie-Studium auf Öl-Bohrinseln im Golf von Mexiko zuhause. Weil dort aber schnell die sozialen Kontakte verlorengingen, sei seine Heimkehr bloß eine Frage der Zeit gewesen, erinnert sich Jürgen Hack.

Mit ihrer WG zogen die beiden bald darauf von Celle nach Adelebsen bei Göttingen in das ehemalige Ausflugslokal „Papiermühle“, auf dessen Gelände sich auch ein Schafstall und eine Autowerkstatt befanden. Ein Leben als Selbstversorger im „Kollektiv“ begann. Das weckte natürlich das Interesse des Verfassungsschutzes.

Anfänge und stetes Wachstum

Für Jürgen Hack waren Kneipe, Kfz-Reparatur und Schafzucht allerdings keine Option auf Dauer. Stattdessen trieb ihn die 1980 erlassene Phosphathöchstmengenverordnung um. Sie schrieb vor, den Eintrag von Phosphaten aus Waschmitteln bis 1984 auf die Hälfte des Ausgangswertes zu reduzieren. 1982 war es dann soweit: Mit einem Betonmischer produzierten Jürgen Hack und Kerstin Stromberg erstmals Scheuerpulver.

Um Strom von der gegenüberliegenden Straßenseite zu bekommen, frästen sie heimlich einen Spalt für das Kabel in die Fahrbahndecke. „Wir haben die Asphalt-Reste in der Küche erwärmt und damit den Schlitz wieder verschlossen“, erzählt der Chemiker, der die Firma Sodasan im gleichen Jahr anmeldete und mit einem Geschirrspülmittel ein weiteres Produkt kreierte. Erster Abnehmer war der Naturkost-Großhändler Hermann Heldberg (Elkershausen), der wie mancher bekannte Grünen-Politiker häufig Gast in der Papiermühle war.

1984 stand erneut ein Umzug an: Ein Resthof im Ammerland sollte als Produktionsstätte dienen. Mit einem Traktor transportierte Jürgen Hack Utensilien und zehn Schafe die weite Strecke in den ostfriesischen Landkreis. Die Produktionsmaschinen wurden selbst zusammengebaut, ein Umsatz von 300.000 Mark wurde generiert. „Heute nennt man so ein Unternehmen Start-up – wir wurden damals als Öko-Spinner bezeichnet. Keiner dachte, dass wir das hinkriegen.“

Bewegungen wie Fridays for Future hätten eine deutlich höhere Akzeptanz als die Öko-Szene in den 70er und 80er Jahren. Bis zum Jahr 2005 lief der Betrieb auf dem Resthof erfolgreich, dann waren die Kapazitätsgrenzen erreicht und die Suche nach einer Alternative begann. „Als wir die Betriebshallen in Uplengen das erste Mal sahen, wollte Jürgen da niemals einziehen“, erinnert sich Kerstin Stromberg. Doch der ehemalige Betrieb eines Farbenherstellers war bei näherer Betrachtung hervorragend geeignet, lediglich die Resthof-Romantik fehlte. Auch dieser Umzug ist lange her. Heute haben computergesteuerte Maschinen einen Großteil der Fließbandarbeiten übernommen, 60 bis 70 Beschäftigte sind auf 5.000 Quadratmetern Betriebsfläche im Einsatz.

Kleine Firma, große Kosten

Kapazitätsgrenzen sind noch längst nicht in Sicht. Denn Wasch- Putz- und Reinigungsmittel (WPR) in Bio-Qualität verzeichnen allenfalls in Corona-Zeiten ein exponentielles Wachstum, sagt Jürgen Hack. Der gesamte WPR-Markt habe ein Volumen von rund vier Milliarden Euro. Im Naturkostfachhandel würden jedoch gerade mal 0,5 Prozent mit WPR umgesetzt. Trotzdem werde ein kleiner Betrieb wie Sodasan so behandelt wie der Waschmittelriese Henkel, sagt er.

Die Vorgaben des Bundesimmissionschutzgesetzes bedeuten für Sodasan einen hohen bürokratischen und technischen Aufwand. „Rund eine Million Euro haben wir investieren müssen, um den sehr hohen Anforderungen gerecht zu werden“, sagt Jürgen Hack wenig begeistert. So muss zum Beispiel der sich bei der Seifenherstellung verflüchtigende Bio-Alkohol auf 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft begrenzt werden. Kostspielige Kühlanlagen seien dafür erforderlich.

Mehr Fokus auf WPR nötig

Alle Investitionen seien aus eigener Liquidität getätigt worden, sagen die Geschäftsführer nicht ohne Stolz. Banken spielen bei Sodasan nach wie vor nur für die Überweisung von Lieferanten-Rechnungen eine Rolle. Was ihnen jedoch Sorge bereitet, ist das aus ihrer Sicht vergebene Umsatzpotenzial des Naturkostfachhandels beim WPR-Sortiment. Deren Kunden seien vielerorts gezwungen, sich in Drogeriemärkten mit passenden Wasch- und Reinigungsmitteln einzudecken.

Vor dem Hintergrund, dass Drogeriemärkte und der konventionelle Handel ihre Bio-Lebensmittel stark aufstocken, wirke sich dies auch auf die Läden insgesamt aus: „Wer tatenlos zusieht, wie seine Kunden wegen fehlender WPR-Produkte zu DM oder Rossmann gehen, muss damit rechnen, dass sie dort auch Bio-Lebensmittel kaufen“, sagt Jürgen Hack.

Den Grund für den geringeren Stellenwert des WPR-Sortiments sieht er in einer fokussierten Ausrichtung der Läden auf gesunde Ernährung. Dabei seien Bio-Wasch- und Reinigungsmittel ein „klassisches Differenzierungsmittel“ zum konventionellen Handel und in der Qualität von Sodasan oder den Kollegen von Sonett ein Alleinstellungsmerkmal.

Marketing-Ideen fürs WPR-Sortiment

Wenn der Sodasan-Geschäftsführer über verpasste Chancen der Bioläden bei WPR spricht, will er sich nicht als „Meckerer“ verstanden wissen. Vielmehr gehe es ihm darum, den Handel für neue Ideen zu begeistern. Hier bietet Sodasan neben umfassender Hilfe durch Schulungen und Displays auch pfiffige Marketing-Ideen an, etwa dass Ladner ein Kaffeetrinken direkt vor dem WPR-Sortiment organisieren. So könnten Kunden die Ware in Ruhe in Augenschein nehmen.

Auch Crossmarketing hält Jürgen Hack für sinnvoll: Er empfiehlt, ein WPR-Display auch mal dort aufzustellen, wo es nicht erwartet wird – zum Beispiel Orangenreiniger bei den Orangen im Obst- und Gemüsebereich. Solche Sonderstandorte könnten Aufmerksamkeit erregen und den Abverkauf steigern, sagt er. Durch mehr Umsatz im Naturkostfachhandel sieht der Unternehmer auch mehr Möglichkeiten, Innovationen auf den Markt zu bringen. Die dafür erforderlichen zusätzlichen Labor-Kräfte könnten dann eingestellt werden.

Der internationale Handel trage derzeit rund 20 Prozent zum Umsatz bei. Im Lager stehen Paletten für exotische Ziele wie China, Malaysia und Singapur bereit. Auch für Kunden in Russland, Ukraine, Lettland, Österreich und Holland wird Ware kommissioniert.

Nachtschichten sind tabu

In der Produktionshalle prägen zwei 15.000-Liter-Tanks das Bild. In dem einen werden die Bestandteile des jeweiligen Wasch- oder Reinigungsmittels gemischt, der andere dient als Vorratsspeicher für den anstehenden vollautomatischen Abfüllprozess. Die eingesetzte Maschine ist so intelligent, dass sie die ungeordnet zugeführten Recyclat-Flaschen jeweils mit dem Henkel nach vorn aufs Band stellt und bis zu acht Flaschen gleichzeitig mit dem Substrat aus dem Vorratsspeicher befüllt. Rund 2.500 Flaschen lassen sich so in der Stunde befüllen. Drei solcher Abfüllstationen gibt es insgesamt, zusätzlich noch weitere kleinere Tanks.

Von allen Produktionen wird ein Rückstellungsmuster entnommen und drei Jahre aufbewahrt. Ob die Etiketten richtig sitzen, prüfen aktuell noch Mitarbeiter. Diese Arbeit wird in Kürze jedoch ein Kamerasystem übernehmen. „Wir entlassen die dadurch frei gewordenen Arbeitskräfte nicht, sondern geben ihnen neue Aufgaben“, versichert der Geschäftsführer. Humanität steht auch bei den Arbeitszeiten im Vordergrund: „Wir arbeiten in Schichten von 5 bis 22 Uhr. Nachtschichten sind nicht menschenwürdig“, sagt Jürgen Hack. Auch so konnte Sodasan in Corona-Zeiten die zehnfache Menge an Desinfektionsmittel herstellen.

Nachhaltigkeit im Blick

Waschpulver, Stückseifen und Raumdüfte gehören wie viele Reinigungsmittel ebenfalls zum Sodasan-Sortiment. Das Unternehmen setzt bewusst Palmöl für Seifen ein, allerdings nur aus nachhaltigem Anbau, Regenwälder müssen dafür nicht abgeholzt werden. Das verwendete Öl stamme dem Unternehmen zufolge aus Kolumbien und ist von Rainforest Alliance zertifiziert. Die daraus hergestellte Rohseife wiederum trage das Ecocert-Zertifikat, erklärt Jürgen Hack.

Und auch bei der Verpackungsgröße hat Sodasan die Nachhaltigkeit im Blick: „Mit unseren 5-Liter-Großgebinden in der Bag-in-Box-Verpackung kann man je nach Produkt bis zu 92 Prozent Plastik sparen und hat eine Abfüllstation zuhause“, sagt Jürgen Hack. Sodasan unterstützt zudem die Organisation One Ocean mit 30 Cent pro verkaufter Stückseife, bei Flüssigseife sind es 50 Cent und für jeden verkauften Raumduft spendet Sodasan einen Euro.

Bei so viel WPR-Wissen bleibt eine Frage: Wer wäscht und putzt bei dem Unternehmer-Paar zuhause? Antwort: Rund 60 Prozent der Arbeit entfallen auf Kerstin Stromberg, die übrigen 40 auf Jürgen Hack. Zum „Ausgleich“ kümmert er sich allerdings noch darum, dass das Auto immer sauber ist.

Drei Fragen an Jürgen Hack

Wenn Ihr die Wahl hättet: Würdet Ihr Euren Weg noch einmal gehen?

Auf jeden Fall. Darin sind wir uns völlig einig.

Was würdet Ihr heute anders machen als damals?

Vermutlich früher professioneller werden, also eher eine geeignete Produktionsstätte wählen wie die jetzige in Uplengen.

Was folgt nach Sodasan? Gibt es mit 70 noch Träume?

Warum soll ich aufhören mit Dingen, die mir Spaß machen. Ich habe noch viele Ideen im Kopf. Zum Beispiel mit Studenten an der Hochschule Emden in einem Dualen Studiengang zusammenzuarbeiten. Dazu muss ich aus dem operativen Geschäft raus, aber unser Betriebsleiter macht das klasse, so dass ich mich in Ruhe diesen neuen Aufgaben widmen kann.

Zahlen – Daten – Fakten

Gründung: 1982

Standort: Uplengen

Sortiment: Waschmittel, Spülmittel, Reinigungsmittel, Desinfektionsmittel, Sensitiv, Seifen, Raumdüfte, Großgebinde

Anzahl Mitarbeitende: 60-70

Produktions- und Lagerfläche: 5.000 Quadratmeter

Kunden: Naturkostfachhandel, ausgewählter LEH

Geschäftsführer: Jürgen Hack und Kerstin Stromberg

www.sodasan.com

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