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Renaissance für Getreidemühlen?

Was tun, wenn die Mehl- und Backmischungsregale leergekauft sind? Getreidemühlen verkaufen! Sie bieten den Kunden Autarkie in Krisenzeiten. Doch sind Bioläden noch die richtigen Ansprechpartner? Und gibt es noch genügend Getreide?

Die goldenen Zeiten, als praktisch alle Bioläden noch Getreidemühlen hatten, sind vorbei. Wolfgang Mock, der seit rund 40 Jahren im Mühlengeschäft unterwegs ist, erinnert sich an die Jahre 1985/86 als die Hawos-Profi fast flächendeckend in allen Outlets zu finden war. Kunden konnten ihr Getreide an der an der Wand hängenden Mühle selbst mahlen. Und in zahlreichen Läden wurden Mühlen auch zum Verkauf angeboten. Bis etwa Mitte der 90er Jahre sei das so gewesen, erzählt der Geschäftsführer von Mockmill.

Hoher Beratungsaufwand und Online-Konkurrenz

Für die aufkommenden Bio-Supermarkt-Ketten sei der Mühlenverkauf bald zu beratungsintensiv gewesen: Sie warfen den Weg-Begleiter der Bio-Bewegung kurzerhand aus dem Sortiment. Viele Bioläden folgten dem Beispiel, weil sich Kunden im Laden beraten ließen, dann aber per online bestellten, um Geld zu sparen. Auch stellten Bioläden vielerorts keine Mühle mehr zum Selbermahlen bereit, weil der Service-Aufwand, u.a. durch abgebrochene Mahlvorgänge, zu hoch war. Wolfgang Mock empfiehlt daher, die Mühlen hinter der Kassenzone aufzustellen: „Dann ist zumindest das Getreide schon bezahlt worden.“

Vorführ-Mühlen zum Sonderpreis

Mockmill bietet Läden heute Mühlen zum Vorführen zum Sonderpreis an. Verkauft der Laden eine Mühle, dann wird direkt an den Kunden geliefert, ohne dass der Laden weiteren Aufwand hat. "Um der Konkurrenz im Online-Handel zu begegnen, achtet das Mockmill-Team darauf, dass das Preisniveau beachten wird." Die Mühlen haben mit den Jahren eine Entwicklung durchlaufen, die sich in Design und den verwendeten Materialien, z.B. Biokunststoff aus Holzabfällen vom Hersteller Tecnaro, von früheren Exemplaren unterscheiden. Mockmill stellt alle Mühlen in Deutschland her, die Bio-Kunststoffmühlen im Landkreis Reutlingen und alle Holzmühlen im Stammwerk in Otzberg.

Backen schafft Kommunikation zwischen Jung und Alt

Die Firma hawos Kornmühlen GmbH der Familie Pigge weiß die Corona-Krise zu nutzen und wendet sich mit Szenarien gleich an die Endverbraucher: „Brot und Brötchen backen macht Spaß und bringt Generationen zusammen – und sei es wie aus aktuellem Anlass nur durch Fragen und Anregungen per Facetime, Skype oder einfach so am guten alten Telefon. Die Omis freuen sich, wenn der Kontakt nicht abreißt und geben ihre Backerfahrung gerne weiter.“ hawos verkauft derzeit mehr Mühlen als in normalen Zeiten, sagt Jutta Pigge.

Gefertigt wird der Löwenanteil der Geräte in einer Behindertenwerkstatt in Österreich. Wegen der Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus arbeitet das Werk zurzeit mit halber Mannschaft im wöchentlichen Wechsel. Große Lagerbestände sorgten jedoch dafür, dass Mühlen der verschiedenen Ausführungen weiterhin zu haben sind. Das für den Corpus verwendete Holz stammt überwiegend aus PEFC (Program for the Endorsement for Forest Certification Schemes) zertifiziertem Wald, der unter Gewährleistung ökologischer, sozialer und ökonomischer Standards bewirtschaftet werde.

Mühlen laufen besser als bei Finanzkrise

Große Lagerbestände hat auch Thomas Wälter, der den Online-Versand www.getreidemühlen.de betreibt und verschiedene Fabrikate anbietet. Der Arnsberger ist zugleich Inhaber eines Bioladens und kann deshalb von beiden Seiten auf das Geschäft mit den Mühlen schauen. Die Nachfrage sei größer als bei der Lehman Brothers-Pleite 2008/09. Gekauft werde auch mehr Backzubehör wie Mehlsiebe, Backformen und Gärkörbe. Handmühlen seien bei ihm jedoch bereits ausverkauft.

Getreide vom Bauern um die Ecke

Größere Probleme gebe es beim Getreide - von Spielberger und der Bohlsener Mühle sei derzeit nichts zu bekommen (Lesen Sie hierzu die aktuellen Berichte der Mühlen). Kleinere Mengen liefere zuweilen noch sein Großhändler Weiling. „Dank meiner guten Beziehungen zu einem Biobauern vor Ort habe ich mir in der Krise 3,5 Tonnen Getreide besorgen können und muss schon wieder nachbestellen“, berichtet Thomas Wälter. Generell sei Nackthafer erst ab Mai/Juni knapp. Diesmal sei das bereits im März der Fall gewesen. Bei Weizen, Roggen und Dinkel seien die Reinigungs- und Abfüllanlagen am Limit, so dass es zu Verzögerungen bei der Belieferung des Handels komme.

Auslandsgeschäft wegen Corona schwierig

Im seinen Bioladen Regenbogen hat Wälter traditionell eine SB-Gewerbemühle hängen, wo Kunden kostenlos ihr Getreide mahlen können. Mühlen verkaufe er dort nicht, gleichwohl biete er im Laden Beratung an („Ich kenne jede Mühle“) und wickle den Verkauf dann über das Lager des online-Shops ab. Schwierigkeiten habe er wegen Corona mit dem Auslandsgeschäft. So habe eine Sonderanfertigung mit 110-Volt-Motor, die ein Deutscher in Japan bestellt hatte, wegen verschärfter Einfuhrbestimmungen am dortigen Flughafen gestrandet und sei zurückgeschickt worden. Und nach Frankreich dürften nur noch Pakete mit maximal 15 Kilogramm Gewicht verschickt werden.

Thomas Wälter hofft, dass von der Backlaune der Bevölkerung auch nach der Corona-Krise noch etwas übrig bleibt: „Wenn fünf bis zehn Prozent dran bleiben, haben wir etwas gewonnen.“ Momentan seien neben Getreide auch die margenschwachen Produkte Trockenhefe und Frischhefe knapp. Also keine guten Startbedingungen für alle neuen Getreidemühlenfreunde und eine Renaissance der Getreidemühlen.

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