Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Studie gibt Aufschluss

Wie viel verdienen Online-Handel und Hofläden mit Bio-Produkten?

Der Ökomarkt wird immer komplexer, und die Zahl der Handelsakteure wächst kontinuierlich. Mit einer aktuellen BÖLN-finanzierten Studie sorgt die AMI für Markttransparenz.

Lange Zeit waren primär der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und der Naturkostfachhandel im Visier von Ökomarktexperten. Dank einer Marktstudie der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) gibt es nun auch fundierte Zahlen zu den sonstigen Einkaufsstätten mit Bio-Sortiment. Neben dem Lebensmittelhandwerk zählen dazu Hofläden und Wochenmärkte, aber auch Versandhändler und Reformhäuser. Die AMI hat deren Umsatz- und Betriebszahlen systematisch erfasst und analysiert. Finanziert wurde die Studie mit Mitteln des Bundesprogramms Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN).

Das Ergebnis: Bei ihren Recherchen kam die AMI auf mehr als 5000 Einkaufsstätten mit Bio-Angebot, darunter 2.948 Hofläden, 845 Versandhändler, 768 Bäckereien, 244 Wochenmarktbeschicker und 349 Metzgereien. Dort kauften Konsumenten 2018 und 2019 Ökolebensmittel im Wert von insgesamt 1,58 Mrd. EUR beziehungsweise 1,66 Mrd. EUR. Das entspricht einem Anteil von 14 Prozent am gesamten Ökomarkt. Allerdings verlief das Wachstum nicht so dynamisch wie im LEH, wie Bio-Marktexpertin Diana Schaack von der AMI erläutert. Dessen Bio-Umsätze seien in den letzten Jahren überproportional gewachsen, 2019 mit einem Plus von 11,4 Prozent.

Der von der AMI für 2018 ermittelte Gesamtumsatz teilt sich so auf: Mit insgesamt 480 Mio. EUR entpuppte sich das Bäckerhandwerk als umsatzstärkster Absatzkanal. Beim Versandhandel betrugen die hochgerechneten Jahresumsätze in der Summe 388 Mio. EUR, gefolgt von den Hofläden mit 186 Mio. EUR und dem Fleischereihandwerk mit 167 Mio. EUR. Am geringsten war der Jahresumsatz der Wochenmarktbeschicker mit 132 Mio. EUR. Für die Reformhäuser ermittelte bioVista eine Umsatzspanne von 194 bis 350 Mio. EUR, mit einem Durchschnitt von 256 Mio. EUR.

Noch kein Durchbruch beim Online-Handel

Rund 850 Bio-Versandhändler hat die AMI ausfindig gemacht. Längst gehören dazu nicht mehr nur Bio-Landwirte und Bio-Gärtnereien, die ihren Kunden regelmäßig vorab bestellte Lebensmittel ins Haus liefern. Das Spektrum reicht von Vollversorgern, meist mit regionalem Bezug, bis hin zu Spezialhändlern für ausgewählte Warengruppen wie Bio-Tees oder Bio-Weine. So bieten Bio-Winzer eigene und zugekaufte Weine im eigenen Online-Shop oder auf großen Portalen wie etwa bioweinportal.de zum Verkauf an. Das Portal bündelt das Sortiment von rund 540 Bio-Weinbetrieben und bewertet die angebotenen Weine nach einem speziellen Punktesystem. Die Bestellung erfolgt allerdings beim Betrieb selbst.

Schlüsselt man den Versandhandel nach Bundesländern auf, so liegt Bayern mit 188 Betreibern vorne, gefolgt von Berlin/Brandenburg (134) und Baden-Württemberg (130).

Große Spanne beim Umsatz

Im Schnitt erwirtschaftete 2018 ein Bio-Versandhändler 511.000 EUR. Allerdings verbirgt sich hinter diesem Durchschnittserlös eine große Spanne, ausgehend von 5.000 EUR bis zu 4,7 Mio. EUR. Drei der 2018 befragten Bio-Versandhändler fallen in die höchste Umsatzgrößenklasse mit über zwei Mio. EUR Jahresumsatz.

Laut Umfrage macht der Verkauf von Gemüse, Obst und Kartoffeln nahezu die Hälfte des Gesamtumsatzes im Bio-Versandhandel aus. Doch deren Anteil schneidet in der Befragung deutlich größer ab als bei der Analyse des GfK-Haushaltspanels. Umgekehrt verhält es sich mit Bio-Weinen und Bio-Trockenprodukten: Im GfK-Haushaltspanel ist deren Anteil am Online-Handel höher als bei den Umfrageergebnissen.

„Auch wenn das Einkaufen im Netz für viele Verbraucher nicht mehr wegzudenken ist, bei frischen Produkten versorgen sich die Bio-Käufer immer noch lieber vor Ort. Mit Ausnahme von Abokisten, die zunehmend per Mausklick bestellt werden“, erläutert Diana Schaack. Längst setze aber auch der LEH auf das Online-Geschäft. Mit Online-Shops und Bio-Sortimenten sind alle Vollsortimenter und Discounter im Internet präsent. In Bio-Qualität bieten sie vor allem Produkte aus dem Trockensortiment sowie Feinkost, Heißgetränke und alkoholische Getränke an.

Jeder zweite will expandieren

Laut Umfrage sehen die Bio-Versandhändler durchaus Entwicklungspotenzial. Jeder zweite gab an, sein Geschäftsfeld ausbauen zu wollen. Drei haben erst 2018 oder 2019 auf Bio umgestellt. Einige wollen ihre Produktpalette vergrößern und/oder den Bio-Anteil erhöhen. Rund die Hälfte der befragten Betriebe ist überzeugt, dass Umsatzzuwächse vor allem mit Werbung zu realisieren sind. Neben der Sortimentsgestaltung zählt aber auch, wie die Kunden ticken und wo sie Bio-Produkte sonst noch einkaufen.

Hofläden sind die größte Gruppe

Laut statistischem Bundesamt gab es 2016 hierzulande 10.280 landwirtschaftliche Direktvermarkter mit einem Zukauf von weniger als 50.000 EUR. Deren Anteil an allen landwirtschaftlichen Betrieben sank innerhalb von zehn Jahren von 4,7 auf 3,7 Prozent. Auch im Ökolandbau schlossen Hofläden ihre Tore: Ihr Anteil sank allerdings auf höherem Niveau, und zwar von 14 auf 11,2 Prozent. Die AMI- Recherchen ergaben bundesweit 2.948 Bio-Hofläden. Damit bilden sie – unter den sonstigen Einkaufsstätten – bei weitem die größte Gruppe. Aus Sicht der AMI erstaunt das nicht, schließlich war der Ab-Hof-Verkauf schon immer ein wichtiges Standbein im Ökolandbau.

Was für den Online-Handel zutrifft, gilt auch für die Hofläden: Regional sind sie sehr unterschiedlich verteilt. Die meisten befinden sich in Bayern (680 Betriebe), es folgen auf Platz zwei Baden-Württemberg (490) und auf Platz drei Nordrhein-Westfalen (404). In Ostdeutschland sind deutlich weniger Ab-Hof-Verkaufsstellen zu finden als in den westlichen Bundesländern. Schlusslicht bilden hier Mecklenburg-Vorpommern mit 54 und Thüringen mit 59 Hofläden. „In den östlichen Bundesländern wächst das Bio-Angebot der sonstigen Einkaufsstätten nur langsam und hinkt der Bio-Flächenentwicklung in diesen Bundesländern hinterher“, so Christine Rampold von der AMI. Die Gründe für diese ungleiche Verteilung seien vielfältig: In Ostdeutschland fehlten vielerorts gewachsene Strukturen in der regionalen Wertschöpfung. Zudem profitieren Bio-Anbieter in Süddeutschland von höherer Kaufkraft und mehr Wertschätzung für regionale Produkte.

5.186 Einkaufsstätten insgesamt | Tipp: Berühren Sie mit dem Cursor die Punkte auf der Karte um die jeweiligen Zahlen angezeigt zu bekommen.

Umsätze mit Ab-Hofverkauf

Nach den Berechnungen der AMI erzielte ein Hofladen 2017 im Schnitt einen bereinigten Bio-Umsatz von rund 183.000 EUR. Nach Einschätzung von Direktvermarktungsexperten dürfte der tatsächliche Jahresumsatz pro Betrieb auf diesem Niveau liegen. Die Ergebnisse der 2018er Umfrage fielen dagegen erheblich niedriger aus. Danach nahm ein Hofladen 2018 im Schnitt 82.000 EUR ein. Erstmalig mit erfasst waren hierbei die Daten von schwerer auffindbaren Betriebe mit tendenziell niedrigeren Erlösen, aussortiert wurden die Hofläden mit mehr als 50.000 EUR Nettozukauf. Das erklärt die große Umsatzdifferenz gegenüber dem Vorjahr. Zählt man die Unternehmen mit mehr Zukauf dazu, erreichten die Hofläden 2018 einen Durchschnittsumsatz von 214.000 EUR. Insgesamt fällt auf, dass die Bandbreite bei den Umsatzzahlen weit auseinander klafft, von 800 EUR bis zu 3,5 Millionen EUR pro Betrieb.

Der durchschnittliche Erlös pro Betrieb ist beim Ab-Hof-Verkauf am geringsten. Ein Grund hierfür seien die saisonalen Öffnungszeiten vieler Hofläden, wie Diana Schaack erläutert: „Gerade im Winter ist das Einkaufen im Hofladen für Kunden nur dann eine interessante Option, wenn der Betrieb gut erreichbar ist und ein vielfältiges Angebot hat.“ Zudem zählten hierzu auch eine Reihe von Erzeugern mit reinem Saisongeschäft, also Spargel- oder Erdbeeranbauer, aber auch Nebenerwerbsbetriebe mit einem Selbstbedienungsstand oder Verkaufsautomaten am Straßenrand.

Über die Studie

Die Studie heißt: „Mehr Transparenz auf dem deutschen Bio-Markt – Verbesserung der jährlichen Marktschätzung unter besonderer Berücksichtigung des Lebensmitteleinzelhandels und der ‚sonstigen Einkaufsstätten‘“. Seit 2017erfasst die AMI systematisch Umsatz- und Betriebszahlen von sonstigen Einkaufsstätten und hat diese erstmals 2019 veröffentlicht. Nun liegen aktualisierte und korrigierte Wirtschaftszahlen vor, die auf einer verbesserten Befragung und größeren Stichprobe basieren. Darauf aufbauend hat die AMI ihre im Vorjahr vermeldeten Umsatzzahlen teilweise nach oben korrigiert.

Weitere Informationen und Schlussbericht

Unterschiedliche Vermarktungspartner

Häufig setzen landwirtschaftliche Erzeuger auf Diversifizierung, um das Vermarktungsrisiko zu streuen. So verkaufen 40 Prozent der Direktvermarkter nicht nur ab Hof, sondern beliefern zudem den Naturkosthandel, jeder Dritte vermarktet zusätzlich an den LEH oder an Gastronomiebetriebe. Eine zusätzliche Einnahmequelle ist für manche der Verkauf auf dem Wochenmarkt oder an den Großhandel.

Schlüsselt man den Umsatzanteil nach Warengruppen auf, zeigt sich: Den größten Anteil, nämlich gut ein Drittel, machten Milch- und Molkereiprodukte aus. Für Diana Schaack ist dieser hohe Wert durchaus plausibel, denn Milch- und Molkereiprodukte sind deutlich hochpreisiger als Obst und Gemüse. Letztere trugen mit knapp 20 Prozent zum Gesamtumsatz der Hofläden bei. Mit gerade mal zwei Prozent war der Bistroanteil verschwindend klein. Nach Einschätzung von Ökomarktexperten dürfte der Anteil allerdings höher sein, da sich gastronomische Angebote für immer mehr Hofläden zu einem interessanten Zusatzgeschäft entwickeln würden.

Bei der Umfrage zeigte sich, dass gut jeder dritte Hofladen auf nur eine Produktgruppe spezialisiert ist, nämlich zwölf Prozent auf Fleisch- und Wurstwaren, elf Prozent auf Obst, Gemüse und Kartoffeln oder auf Milch- und Molkereiprodukte. Nur ein Viertel der befragten Hofläden bieten ein Vollsortiment an mit mindestens fünf von insgesamt neun von der AMI vorgegebenen Produktgruppen. Zwischenformen zwischen Spezialgeschäft und Vollsortimenter habe es unter den befragten Bio-Hofläden kaum gegeben, erläutert Christine Rampold: „Die Hofläden spezialisieren sich entweder auf eine Warengruppe oder bieten neben den eigenen Produkten eine breite Palette an Erzeugnissen von Kollegen aus der Region oder auch Großhändlern an.“

Erfolgsfaktoren für Hofläden

In der Umfrage wurden die Direktvermarkter gefragt, welche Faktoren sie als relevant für die zukünftige Entwicklung ihres Bio-Umsatzes ansehen. Danach zählt in ihren Augen neben Werbung vor allem ihr persönlicher Einsatz. Nur wenn sie gesund und leistungsfähig blieben, könnten sie den Hofladen erfolgreich betreiben. Zudem müsse die Qualität der Produkte stimmen.

Wie sich der Umsatz zukünftig entwickelt, sei zudem maßgeblich von den Kunden abhängig: Sie müssten bereit sein, auch für ein kleineres Sortiment einen Hofladen anzufahren. Wer mit dem Kauf beim Erzeuger ganz bewusst kleinbäuerliche Strukturen unterstützen wolle, müsse die „Erzeugnisse auch einmal so nehmen, wie es die Jahre mit sich bringen“, sprich zweibeinige Möhren oder krumme Gurken in Kauf nehmen. Dazu gehört letztlich die Bereitschaft, den Preis zu zahlen, den Bio-Landwirte für ein auskömmliches Einkommen benötigen. Nach Einschätzung von Marktexperten sind Verbraucher dazu durchaus bereit, wenn ihr Einkauf der Existenzsicherung bäuerlicher Betriebe dient und bei der Erzeugung auf den Schutz von Umwelt, Tieren und Klima geachtet wird. Zudem ergab eine Studie des Beratungsunternehmens Ecozept: Direktvermarkter haben relativ viel Spielraum bei der Preisgestaltung, denn in einer Umfrage erwiesen sich deren Kunden als wenig preissensibel.

Mitbewerber, Transparenz und zusätzliche Vertriebswege, auch das sind Themen, welche die Hofladner umtreiben. Während manche den Einstieg der Discounter in den Bio-Markt und die wachsende Zahl an Bio-Supermärkten als herausfordernd ansehen, begreifen andere dies als Chance. 71 Direktvermarkter haben die Absicht, ihren Betrieb zu stabilisieren. Sie wollen nicht größer, dafür aber effektiver werden. Annähernd so viele planen den Ausbau einzelner Absatzkanäle. Für 32 steht der Ausbau der betrieblichen Infrastruktur auf der Agenda, je nach Betriebszweig geht es zum Beispiel um den Bau einer hofeigenen Molkerei, Schlachterei oder gläsernen Imkerei oder ums Renovieren von Kühl- und Gefrieranlagen. Ihr Produktspektrum wollen 27 Betriebe erweitern, etwa mit einem unverpackt-Sortiment, gastronomischen oder therapeutischen Angeboten oder einem Online-Shop. Und manche wollen mehr Produkte selbst erzeugen, darunter Gemüse oder Geflügel.

Kommentare

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Gernot Meyer

Verzeihung, die sog. Abokisten sind wörtlich erwähnt, aber vermutlich nur teilweise erfasst! Das ergeben die gemachten Aussagen im Vergleich zu den beim Ökokisten-Verband erhobenen Zahlen.

Gernot Meyer

Bei der Studie fehlen ja die sog. Abokisten oder Ökokisten, die ja sehr professionelle, oft gärtnerische Bio-Lieferdienste sind.

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