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Pestizidzulassung

NGO-Bündnis fordert Glyphosat-Neubewertung von EU-Kommission

Noch bis Mitte November kann sich die Öffentlichkeit an der Frage zur Glyphosat-Wiederzulassung ab 2022 beteiligen. Dabei wird der Ruf an die EU-Kommission immer lauter, die Risiken des Spritzgiftes zur Kenntnis zu nehmen und neu zu evaluieren.

41 europäische Umwelt- und Ernährungsorganisationen fordern die EU-Kommission dazu auf, eine unabhängige wissenschaftliche Neubewertung der Glyphosat-Risiken sicherzustellen. Die Forderung basiert auf einer Bewertung der Antragsunterlagen durch Behörden aus Frankreich, Schweden, Ungarn und den Niederlanden.

Diese haben im Auftrag der EU die Dokumente geprüft, mit denen die neue Zulassung des Herbizids bis 2037 beantragt wurde. Das Ergebnis – Glyphosat sei harmlos – hatten sie bereits im Juni vorgestellt. Die EU-Lebensmittelbehörde EFSA hat nun den gesamten Bericht der vier Länder ins Netz gestellt und bis 22. November für Kommentare freigegeben.

Die Organisationen begründen ihren Appell nach Durchsicht des Berichts mit der mangelnden Qualität der von den Herstellern vorgelegten, oft Jahrzehnte alten Studien sowie den zahlreichen neuen Arbeiten, die sowohl die krebserregende Wirkung von Glyphosat, als auch Umweltschäden durch das Herbizid belegen.

Verbreitung in der Luft

Eine dieser Studien hatte das Bündnis für enkeltaugliche Landwirtschaft in Auftrag gegeben. Darin gelang der Nachweis, dass sich Glyphosat, anders als bisher immer behauptet, über Kilometer durch die Luft verbreitet. Die Arbeit wurde inzwischen von anderen Wissenschaftlern in einem so genannten „Peer Review“-Verfahren geprüft und in der Environmental Sciences Europe, einer renommierten Fachzeitschrift, veröffentlicht. „Wir fordern die EU-Behörden auf, diese wissenschaftlich bestätigten Erkenntnisse in die Neubewertung von Glyphosat einfließen zu lassen“, sagte Christine Vogt vom Umweltinstitut München, das an der Studie beteiligt war.

Monsanto-Tests weichen von Richtlinien ab

Großes Aufsehen erregte eine Studie von Siegfried Knasmüller, Krebsforscher an der Univerität Wien. Knasmüller hatte 53 Gentoxizitäts-Tests untersucht, also Studien, bei denen an Bakterien oder Zellkulturen untersucht wurde, ob Glyphosat Erbgutschäden verursachen kann. Diese Studien lagen schon in früheren Zulassungsverfahren vor, waren aber nur den Herstellern und Behörden bekannt, bevor 2019 der Europäische Gerichtshof entschied, dass sie herausgegeben werden müssen.

Die EU-Lebensmittelbehörde EFSA hatte im alten Zulassungsverfahren 2015 fast alle diese Herstellerstudien als Beweis für die Harmlosigkeit von Glyphosat gelten lassen. Knasmüller stellte dagegen fest, dass 34 der 53 Studien „substantiell“ von den für solche Tests geltenden internationalen Richtlinien abgewichen.

Er bewertete sie deshalb als „nicht zuverlässig“. Mal habe die untersuchte Zellenzahl nicht gereicht, mal seien nicht genügend Bakterienstämme verwendet worden. Weitere 17 Studien stufte Knasmüller als „teilweise zuverlässig“ ein. Nur zwei Studien bewertete der ausgewiesene Experte für solche Tests als „zuverlässig“. Fast alle diese Studien finden sich wieder in den Antragsunterlagen und wurden von den Behörden wieder nicht bemängelt.

Weiterführende Links:

Forderung zur Neubewertung von Glyphosat-Risiko an EU-Kommission (Englisch)

Artikel "Pesticides and pesticide-related products in ambient air in Germany" aus der Environmental Science Europe

Glyphosat-Studie von Armen Nersesyan and Siegfried Knasmueller

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