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Testbiotech-Geschäftsführer Christoph Then

„Neue Gentechniken setzen Schutzmechanismen außer Kraft“

Die Neue Gentechnik sei präzise, sicher und ihre Produkte so harmlos wie herkömmlich gezüchtete Pflanzen. Das behaupten die Gentechnik-Konzerne, ihre Wissenschaftler und die EU-Kommission. Gentechnik-Experte Christoph Then erklärt, warum das nicht stimmt.

Christoph Then, sind NGT-Pflanzen der Kategorie 1 so sicher, wie die EU-Kommission und ihre Lebensmittelbehörde EFSA das behaupten?
Womöglich sind einige NGT-Pflanzen sicher, aber diese Aussage kann man erst nach einer Risikoüberprüfung treffen und nicht vorab für alle diese Pflanzen. Die EU-Kommission will alle Pflanzen mit weniger als 20 Eingriffen ins Erbgut pauschal ungeprüft lassen. Das ist ein völlig unwissenschaftliches Vorgehen, denn entscheidend ist nicht die Zahl der Eingriffe, sondern was bei dem jeweiligen Eingriff geändert wird. Also die Tiefe des Eingriffs.

Gibt es dafür ein konkretes Beispiel?
Bei der in Japan entwickelten GABA-Tomate haben Gentechniker zwei Gene abgeschaltet und erreicht, dass die reifen Früchte große Mengen des Botenstoffes Gamma-Aminobuttersäure (GABA) enthalten. Dieser soll den Blutdruck senken. Doch GABA beeinflusst auch andere Funktionen in der Tomatenpflanze, etwa das Wachstum oder die Resistenz gegen Schädlinge und Pflanzenkrankheiten. Das wurde ebenso wenig untersucht, wie die Frage, ob es Wechselwirkungen mit Medikamenten gibt.

Ließe sich so eine Tomate auch normal züchten?
Die Wissenschaftler betonten in ihrer Arbeit, dass dies nicht gelungen sei. Viele Crispr-Pflanzen, über die derzeit berichtet wird, weisen Merkmale auf, die durch Züchtung nicht erreicht werden konnten. Diese Pflanzen unterscheiden sich substanziell von herkömmlichen Sorten, in den erwünschten Merkmalen – und vermutlich auch bei den unerwarteten. Doch das wird kaum untersucht.

Zur Person

Christoph Then ist Geschäftsführer und wissenschaftlicher Direktor bei Testbiotech, einem Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie. Testbiotech beschäftigt sich unter anderem mit den Folgen, die der Einsatz der Gentechnik für Mensch und Umwelt hat.

Mutationen sind doch etwas natürliches, argumentiert die EU-Kommission.
Ja, deshalb gibt es in Pflanzen viele Mechanismen, um das Erbgut vor ungewollten Mutationen zu schützen. Genkopien, Reparaturprozesse, besonders geschützte Bereiche im Erbgut. Das hat die Evolution so eingerichtet, damit nicht jeder Umweltreiz das Erbgut durcheinanderwirbelt. NGT setzen diese Schutzmechanismen außer Kraft. Die Geschwindigkeit von Veränderungen ist drastisch höher als bei herkömmlicher Züchtung. Das macht diese Technik aber auch riskanter.

Was kann das konkret für Mensch und Umwelt bedeuten?
Eingriffe in den Stoffwechsel einer Pflanze könnten dazu führen, dass sie unerwünschte Inhaltsstoffe produziert, etwa allergieerzeugende Eiweiße. Bei der Öl-Pflanze Leindotter haben Gentechniker mit Crispr/Cas die Ölzusammensetzung an die Bedürfnisse der Agro-Sprithersteller angepasst. Doch was passiert, wenn dieses dadurch ungenießbare Öl versehentlich in die Nahrungskette gelangt oder wenn sich die Eigenschaft auf verwandte Pflanzen oder Lebensmittel-Leindotter auskreuzt?

Kennt die EU-Lebensmittelbehörde EFSA diese Risiken nicht?
Von den Studien, die wir der EFSA genannt hatten, führte sie nur ein Fünftel in ihrer Literaturliste auf und selbst mit diesen Studien setzte sie sich nicht wissenschaftlich auseinander. Die EFSA scheint beim Thema Gentechnik als unabhängige Behörde nicht zu funktionieren.

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