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Neue Bio-Grenzen für Aromen stellen Hersteller vor Herausforderungen

Mit der neuen EU-Öko-Verordnung gelten ab Anfang 2022 strengere Vorgaben für Aromen in Bio-Lebensmittel. Sie fordern nicht nur die Hersteller heraus, sondern auch die Kontrolleure.

Sehr viele Bio-Lebensmittel kommen ohne den Zusatz von Aromen aus. Doch für manche sind sie unverzichtbar, etwa für Gummibärchen, Bonbons, Sojadesserts oder einzelne Erfrischungsgetränke und Tees. Für den Bio-Fachhandel gab es mit der Aromen-Empfehlung des BNN seit 2004 eine Richtschnur, während die EU-Öko-Verordnung sämtliche natürliche Aromen zuließ, solange sie nicht von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt wurden.

Mit der neuen EU-Öko-Verordnung gelten ab 1. Januar 2022 einheitlich Vorgaben für den Einsatz von Aromen in Bio-Lebensmitteln – und für den Begriff Bio-Aroma. Bisher reichte es aus, wenn bei einem Bio-Aroma mindestens 95 Gewichtsprozent des Gesamtproduktes aus ökologischer Produktion stammten.

Das führte allerdings oft dazu, dass bei einem solchen Bio-Aroma nur die Trägerstoffe wie Ethanol oder Stärke aus Bio-Anbau stammten, während der Geschmack von konventionell hergestellten natürlichen Aromen kam. Damit macht die neue Öko-Verordnung Schluss. Künftig müssen sowohl die Trägersubstanz als auch die Geschmacksstoffe für sich die 95 Prozent-Regel einhalten.

Bio-Herstellung ist für Aromenindustrie nicht sehr interessant.

Die meisten Früchte sind sehr wasserhaltig, weswegen die Geschmacksstoffe nur in geringen Konzentrationen vorliegen. Deshalb muss man diese Fruchtaromen stark aufkonzentrieren, was eine große Menge von Früchten als Rohstoff notwendig macht. Für Bio-Aromen etwa aus Erdbeeren, Kirschen oder Pfirsichen sind diese Mengen nicht oder nur eingeschränkt verfügbar und „enorm kostspielig“.

So steht es in einem Bericht, den das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) und das Büro Lebensmittelkunde und Qualität (BLQ) erarbeitet haben. Darin werden auch mehrere Zusatz- und Hilfsstoffe aufgelistet, die aus Sicht der Aromenhersteller für Bio-Aromen dringend notwendig aber nicht erlaubt seien, etwa Propylenglykol als hitzestabiler Trägerstoff.

„Bio-Lebensmittelhersteller setzen vor allem auf Bio-Aromaextrakte. Die Herstellung von Bio-Aromen ist für die Aromenindustrie nicht sehr interessant, da wenig Nachfrage besteht“, lautet das Fazit von Renate Dylla, die für das BLQ an dem Bericht mitarbeitete. Die Ausnahmen seien Aromen aus Bio-Zitrussorten, weil dabei die Schale als Bestandteil der Frucht als günstiges Ausgangsmaterial verwendet wird.

Was Aromenhersteller und Bio-Verarbeiter beachten müssen

Schwerpunkt des Berichts ist der künftige Einsatz konventioneller Aromen in Bio-Lebensmitteln. Ein Leitfaden stellt zusammen, was Aromenhersteller und Bio-Verarbeiter beachten müssen:

  • Die neue Öko-Verordnung erlaubt nur noch natürliche Aromen von den namensgebenden Aussgangsstoffen, bei denen es sich nur um pflanzliche, tierische Rohstoffe, Lebensmittel oder Lebensmittelkategorien handeln darf, die exakt deklariert werden müssen. Bisher sind natürliche Aromen noch generell erlaubt, auch wenn sie aus pflanzlichen Abfällen oder Sägespänen mit Hilfe von Mikroorganismen oder Schleimpilzen im Fermenter gewonnen werden.
  • Das Aroma muss komplett gentechnikfrei sein, auch Zusatz- und Hilfsstoffe dürfen während ihrer Herstellung nicht mit gentechnisch veränderten Organismen in Berührung gekommen sein.
  • Aromen zählen als landwirtschaftliche Zutat und werden zu den fünf Gewichtsprozent hinzugezählt, die bei einem Bio-Produkt maximal aus konventioneller Landwirtschaft stammen dürfen. Wichtig ist das bei veganen Fruchtgummis mit Pektin, weil dieses Geliermittel nur konventionell verfügbar ist und ebenfalls zu diesen fünf Prozent beiträgt.

Diese neuen Regelungen umzusetzen „ist für Herstellende von Aromen und Bio-Lebensmitteln eine enorme Herausforderung in der Produktentwicklung“, heißt es im Bericht. Das zeigt auch ein Blick auf einschlägige Produkte in den Regalen. Dort finden sich noch reihenweise natürliche Aromen in der Deklaration, die in acht Monaten nicht mehr erlaubt sind.

Viel Aroma, aber bitte billig

„Die Umstellung wird für die Unternehmen teuer werden“ sagt Georg Rösner, Aromaexperte und Gründer des Bio-Fruchtgummi-Spezialisten Ökovital. Er fürchtet gerade in seinem Bereich einen knallharten Preiswettbewerb. „Die großen Handelsketten fragen jetzt schon nach den neuen Aromen, aber bitte zum alten Preis“. Um Kosten zu sparen, könnten Hersteller zu Tricks greifen, die derzeit noch geduldet, ab 1. Januar 2022 aber schlicht verboten sind.

Bei einem Aroma aus der namensgebenden Frucht, etwa Erdbeere, müssen 95 Prozent der geschmackgebenden Stoffe aus dieser Frucht stammen. Die restlichen fünf Prozent können beliebige andere natürliche Aromen sein. Sie dürfen allerdings den genannten Fruchtgeschmack nicht verstärken, sondern nur abrunden. Doch „das ist in der Praxis schwer überprüfbar“, heißt es im Bericht von FiBL und BLQ. Dafür müssten die Rezeptur überprüft, das Aroma analysiert und von einem geschulten Panel verkostet werden.

„Da ist Missbrauchspotential drin“

Ein Hersteller könnte also ein wenig konzentriertes Fruchtaroma für den 95 Prozent-Anteil verwenden und den Geschmack mit den restlichen fünf Prozent machen – im Vertrauen darauf, nicht erwischt zu werden. Eine andere Möglichkeit wäre es, etwa den Geschmack schwarzer Johannisbeeren mit einem (viel billigeren) Aroma aus Bucco-Blättern zu imitieren. Nur müsste dann „natürliches Aroma aus Bucco-Blättern“ deklariert sein und nicht“natürliches Aroma schwarzer Johannisbeeren“. Das wäre eine verbotene Irreführung der Verbraucher.

Es kommt also auf die Rezeptur des Aromas und die Deklaration an. Diese sollte ein Aromahersteller gegenüber seinen Kunden in der Spezifikation verpflichtend und exakt offenlegen müssen.

Damit dies geschieht und Tricks verhindert werden, wünscht sich Bio-Fruchtgummi-Hersteller Georg Rösner „ein breites Bündnis von Behörden, Händlern und Testmagazinen, die auf die Einhaltung der Regeln drängen.“ Er fürchtet einen verzerrten Wettbewerb, weil Mitbewerber aus Nachbarländern wenig Skrupel hätten und die Kontrollstellen dieser Hersteller bei diesem komplexen Thema selten genau hinsähen.

„Da ist Missbrauchspotential drin“, bestätigt Renate Dylla vom BLQ. Hinzu komme, dass die Regeln grundsätzlich für alle gelten, die Rechtsauslegung aber national verschieden sei. Deshalb sind sich der Bio-Herstellerverband AöL zusammen mit den Kontrollstellen und den dafür verantwortlichen Länderbehörden einig, dass mit Musterziehungen aktiv überprüft werden muss, ob die neuen Regeln auf dem deutschen Markt von Anfang an eingehalten werden.

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