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Nationale Behörden sehen keine akute Gefahr durch Glyphosat

Am 15. Dezember 2022 läuft die EU-weite Zulassung von Glyphosat aus. Die Hersteller haben bereits eine Erneuerung beantragt – und bekommen jetzt Rückenwind von nationalen Behörden. Dabei sprechen immer mehr neue Studien gegen den Herbizidwirkstoff.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die EU-Chemikalienbehörde ECHA hatten im Mai 2019 vier Prüfbehörden aus Frankreich, Schweden, Ungarn und den Niederlanden um eine aktualisierte wissenschaftliche Bewertung der Sicherheit von Glyphosat gebeten. Diese sogenannte Assessment Group on Glyphosate (AGG) kam nun zu dem Schluss, dass das Mittel nicht krebserregend sei und auch das menschliche Erbgut nicht schädige. Es sei „kein chronisches oder akutes Risiko für den Verbraucher durch die Behandlung von Nutzpflanzen mit Glyphosat“ erkennbar.

Für den Bericht seien die Unterlagen der Antragsteller berücksichtigt sowie die Literatur der letzten zehn Jahre durchsucht und bewertet worden, heißt es in der Zusammenfassung der AGG. Auf deren Webseite finden sich auch Präsentationen der Hersteller, die diese bei insgesamt acht Treffen mit der AGG zeigten, sowie kurze Protokolle der Treffen. Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker der österreichischen Umweltorganisation GLOBAL 2000, kritisierte, dass die Hersteller keine einzige neue Studie zum Krebsrisiko von Glyphosat vorlegten und die Behörden dies auch nicht gefordert hatten.

EFSA will Mitte 2022 Schlussfolgerungen aus dem Bericht ziehen

Der 11.000-Seiten-Bericht der AGG wird nun von EFSA und ECHA begutachtet und voraussichtlich im September dieses Jahres öffentlich zur Diskussion gestellt. Anschließend soll der Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) der ECHA die Einstufung von Glyphosat überprüfen und eine Entscheidung fällen. Danach will die EFSA, voraussichtlich im Sommer 2022, ihre Schlussfolgerungen veröffentlichen.

Die endgültige Entscheidung über eine Zulassung müssen dann die Mitgliedsstaaten bis Dezember 2022 in einem gemeinsamen Ausschuss fällen. „Experten halten es für gut möglich, dass die EU-Behörden auf Basis der aktuellen Studie keine grundlegenden Bedenken gegen eine neue fünfjährige Lizenz für Glyphosat äußern werden“, schreibt das Handelsblatt. Es zitierte allerdings auch einen EU-Insider mit den Worten, er glaube nicht, dass es eine ernsthafte Chance für eine Verlängerung der Glyphosat-Lizenz gebe: „Dafür ist die politische Stimmung gegen das Mittel zu aufgeheizt.“

Zahlreiche Studien sehen Glyphosat kritisch

Der Persilschein der vier nationalen Behörden erstaunt, da in den letzten Jahren zahlreiche Studien auf problematische Glyphosatwirkungen hinwiesen: So stellten US-Wissenschafler fest, dass bei den Enkeln und Urenkeln von Versuchsratten, die mit dem glyphosathaltigen Herbzid Roundup gefüttert worden waren, bestimmte Krankheiten massiv zunahmen. Eine Studie italienischer Forscher wies bei vergleichsweise geringen Mengen an Glyphosat hormonelle Wirkungen und Störungen bei der Fortpflanzung von Ratten nach.

Umweltmediziner aus den USA zeigten, dass das Risiko einer Frühgeburt mit dem Gehalt an Glyphosat im Urin der schwangeren Frauen zunahm. In brasilianischen Ackerböden und deren Umgebung fanden Wissenschaftler weit mehr Glyphosat als erwartet, weil sich das Herbizid nicht so schnell abbaut wie gedacht. Erst vor wenigen Tagen veröffentlichten kanadische Forscher eine Studie, wonach glyphosathaltige Herbizide den Pollen von Rosen verändern und dadurch deren Fruchtbarkeit verringern.

In einer bundesweit angelegten Studie haben das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und das Umweltinstitut München in ganz Deutschland Spuren von Glyphosat festgestellt und konnten nachweisen, dass sich der Wirkstoff auch über die Luft verbreitet. Bisher hatten Hersteller und Zulassungsbehörden das vehement ausgeschlossen und kein Risiko darin gesehen.

Dem Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft gehören zahlreiche Bio-Unternehmen, die Bürgerinitiative Landwende und die Schweisfurth-Stiftung an. Der bio verlag, zu dem der BioHandel gehört, ist dort Fördermitglied.

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