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Nachhaltigkeit, made by L’Oréal

Europas größter Kosmetikkonzern hat ein eigenes Nachhaltigkeitslabel entwickelt. Jetzt kommt es auch auf den deutschen Markt. Das Siegel ist ein Signal an die gesamte Industrie, zu einer qualifizierten Kaufentscheidung taugt es jedoch nur bedingt.

Mit dem „Produkt Umwelt & Sozial Impact Label“ hat der Kosmetikriese L’Oréal ein Nachhaltigkeitssiegel auf den Markt gebracht. Optisch ist es an die weit verbreiteten Ampel-Kennzeichnungen angelehnt: es hat fünf Kategorien, A bis E, dazu Farben von dunkelgrün (A) bis orange (E). Doch was steckt hinter den Buchstaben und Farben?

Der L’Oréal-Konzern, zu dem unter anderem die Naturkosmetikmarke Logocos gehört, hat nach den einschlägigen EU-Regeln Ökobilanzen für über 2.000 seiner Kosmetikprodukte erstellen lassen, die „14 planetarische Einflussfaktoren berücksichtigen“, etwa Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch oder die Auswirkungen auf die Biodiversität. Betrachtet werden dabei „nicht nur die Beschaffung, die Produktion und der Transport, sondern auch die Nutzung durch den Verbraucher und die Wiederverwertbarkeit der Verpackung“, erläutert der Konzern.

Zu den sozialen Aspekten gehört laut Konzernmitteilung, „dass die Lieferanten die Grundprinzipien der Vereinten Nationen für Arbeitsnormen einhalten“ und möglichst viele Lieferanten sich zu einer „solidarischen Beschaffung“ verpflichten. Das Konzept sei mit „unabhängigen wissenschaftlichen Experten“, die nicht namentlich genannt werden, entwickelt und von dem externen Prüfinstitut Bureau Veritas Certification bestätigt worden. Es handelt sich also nicht um eine exterene Zertifizierung wie bei der Natrukosmetik, sondern um unternehmensintern entwickelte Standards, bei denen extern lediglich bestätigt wird, dass der Konzern richtig gerechnet hat.

Praxistest bei Garnier-Produkten

Als erste L’Oréal-Marke hat Garnier seine Haarpflegeprodukte analysiert und mit dem neuen Label ausgelobt. Ende 2021 sollen weitere Kategorien folgen, schreibt Garnier. Auf den Produktwebseiten lassen sich die Bewertungen abrufen. Dabei zeigt sich, dass lediglich für den CO2-Fußabdruck und den Wasser-Fußabdruck genaue Zahlen angegeben werden. L’Oréal begründet dies damit, dass dies die beiden wesentlichen Einflussfaktoren seien.

Die Einordnung von A bis E richtet sich nach dem Durchschnitt aller Produkte der L’Oréal-Gruppe derselben Kategorie. Die besten zehn Prozent kommen ein A, die schlechtesten zehn Prozent ein E. Nach den sich daraus ergebenden konkreten Werten werden dann die Kategorien B, C und D definiert. Die Methode und weitere Informationen zu den Berechnungen hat L’Oréal auf seiner Webseite zusammengestellt.

Nachhaltigkeitsbilanz mit Schwächen

Ökobilanzen für mehr als 2.000 Produkte zu erstellen, ist ordentlich Arbeit und kann Daten liefern, die zeigen, wie sich Produkte nachhaltiger herstellen lassen. Und sie bieten Kunden Informationen für die Kaufentscheidung.

Doch bei L’Oréal haben die Daten zwei entscheidende Webfehler: Sie berechnen die Umweltauswirkungen bei der Nutzung mit ein, etwa den Wasserverbrauch beim Duschen und Haarewaschen. Der verursacht laut Konzern bei Shampoos 60 Prozent des gesamten Wasserverbrauchs in der Bilanz. Die Energie, die notwendig ist, das Duschwasser aufzuheizen, steht für 70 Prozent der Treibhausgase. Nur 30 Prozent entfallen auf den Klecks Shampoo. Doch aus Verbrauchersicht sind diese 30 Prozent die relevanten für eine nachhaltige Kaufentscheidung.

Eingeschränkt wird diese Entscheidung zudem dadurch, dass sich die Bewertung auf das LOréal-Universum beschränkt und keine unabhängige Orientierung bietet. Dunkelgrün bedeutet nicht „Das ist ein ganz besonders nachhaltiges Produkt“, sondern „Das ist das nachhaltigste Produkt, das wir Dir anbieten können“. Es kann also auch das kleinste Übel sein, der Einäugige unter lauter Blinden, sozusagen. L’Oréal verschweigt das nicht, die Bewertungsmaßstäbe liegen offen. Aber wie interpretiert der Durchschnittsverbraucher ein grünes A auf dem Shampoo?

Ein bisschen sozialer geht immer

Die Ökobilanz umfasst keine sozialen Aspekte. Diese hat L’Oréal eigens hinzugefügt. „Wir wählen unsere Lieferanten nach strengen Sozialstandards aus, die von externen Auditoren überprüft werden“, heißt es im Methodenheft des Konzerns. „Außerdem ermutigen wir sie, weiter zu gehen und Projekte mit positiven sozialen Auswirkungen zu entwickeln.“

Konkret wird in der Bewertung nur mitgeteilt, ob die Lieferanten die vier Kernprinzipien des internationalen Arbeitsrechts einhalten: Vereinigungsfreiheit, keine Zwangsarbeit, keine Kinderarbeit, keine Diskriminierung; Grundsätzliches also, das L’Oréal vor allem über den Sozialstandard SA 8000 abprüfen lässt.

Die Erfahrungen zahlreicher Menschenrechtsorganisationen haben gezeigt, dass das Papier bei solchen Sozialstandards besonders geduldig ist. Bei den sozialen Projekten wird lediglich aufgelistet, wieviele Lieferanten der Produktzutaten sich hier engagieren. Da es keine Gesamtzahl der Lieferanten gibt, fehlt der Bezug ebenso wie zusätzliche Informationen, um welche Art von Projekten es sich handelt. Sichergestellt ist lediglich, dass nicht ein Projekt mehrfach gezählt wird, wenn mehrere Lieferanten sich darauf berufen.

Signal an die Branche

„Diese Eigeninitiative aus der Kosmetikindustrie macht deutlich, dass auch die konventionellen Kosmetikhersteller mehr Farbe bekennen müssen“, sagt Naturkosmetik-Expertin Mirja Eckert von der Agentur The New. Für sie hat L’Oréal mit seinem neuen Label ein Signal für die gesamte Kosmetikindustrie gesetzt.

„Durch das abgestufte Verfahren entlang der Wertschöpfungskette werden umweltfreundliches und sozialgesellschaftliches Engagement transparenter gemacht. Die Produkte werden in einen breiteren Kontext gesetzt als im bisherigen Siegelansatz der Verbände, die Naturkosmetik zertifizieren“, argumentiert Eckert. L’Oréal bediene damit „das steigende Interesse der Konsumenten an zusätzlichen Hintergrundinformationen“. Ethische Haltung und gesellschaftliches Engagement einer Marke bekämen auf Verbraucherseite eine immer größere Bedeutung. Gespannt sei sie, „ob es dem Kosmetikriesen gelingt, das Label populär zu machen“.

„Es ist ja wieder ein Industriesiegel“, sagt Elfriede Dambacher, die Grande Dame des Naturkosmetikmarktes. Sie wünscht sich ein EU-weites einheitliches und gesetzlich abgesichertes Label für nachhaltige Kosmetik, vergleichbar dem EU-Biosiegel für Lebensmittel. Doch dafür gebe es keine Stimme, weder in Brüssel noch in Berlin, beklagt Dambacher. „Das bedauere ich sehr“.

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