Am Montag schreckte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Fleischindustrie und Verbraucher auf, indem sie sehr konkret einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von verarbeitetem Fleisch und erhöhtem Krebsrisiko herstellte.800 Studien hatten die Forscher dafür ausgewertet. Demnach erhöht regelmäßiger Verzehr von unter anderem Wurst, Würstchen und Schinken das Darmkrebsrisiko. Die Experten der zur WHO gehörenden Internationalen Krebsforschungsagentur IARC gaben an, dass pro 50 Gramm mehr an täglicher Verzehrmenge das Risiko um 18 Prozent steigt. Das Muskelfleisch aller gängigen Haustierarten stuft das IARC als "wahrscheinlich krebserregend" ein.
Die Fleischindustrie wehrt sich erwartungsgemäß heftig gegen die Ergebnisse. Für die Bio-Branche könnte die WHO-Einstufung eine Chance sein, wieder einmal darauf aufmerksam zu machen, dass hier ohne problematische Zusatzstoffe gearbeitet wird.
Fleisch in Bio-Qualität und in Maßen
Bei Marlene Hansen von Ökoland hält sich die Aufregung in Grenzen: „Die Studien, die der Untersuchung zu Grunde liegen, sind nicht neu. Und es ist einleuchtend, dass Fleisch und Wurst im Übermaß nicht gesund ist und dass es vor allem in den Industrieländern Menschen gibt, die davon viel zu viel essen", sagt die Qualitätsmanagerin. „Das ist sowohl für die Gesundheit als auch für Klima und Umwelt ein Problem. Nach unseren bisherigen Erkenntnissen zielt die Aussage der IARC-Studie vor allem auf drei Bereiche: die zu hohe Verzehrsmenge, die oftmals zu starke Erhitzung des Fleisches und vor allem die herkömmlichen Verarbeitungsmethoden mit diversen Zusatzstoffen, wie z.B. Nitritpökelsalz, wodurch bekanntermaßen bei der Verdauung kanzerogene Stoffe entstehen können. Wir von Ökoland vertreten grundsätzlich die Philosophie, dass Fleisch in Maßen und wenn, dann Bio und möglichst ohne Zusatzstoffe, gegessen werden kann. Dem widerspricht auch die Studie nicht.“
Bioland-Sprecher Gerald Wehde erklärt, dass den WHO-Aussagen aus seiner Sicht die Differenzierung fehlt. Nicht beleuchtet worden sei, um welche Art der Verarbeitung es sich handelt und welche problematischen Zutaten und Verfahren krebserregend sind. Dies aber seien die wichtigen Informationen, die den Verbrauchern weiterhelfen würden. Ansonsten gelte nach wie vor die Empfehlung: „Iss die Hälfte, in Bio-Qualität und möglichst wenig verarbeitet. Das ist besser für Mensch, Tier und Klima.“
Karl Schweisfurth, Geschäftsführer der Herrmannsdorfer Werkstätten, ist überzeugt, das Bio-Fleisch und –Wurst zu unserer Ernährung dazu gehören: „Fleisch essen wir Menschen seit dem es uns auf dieser Erde gibt. Fleisch von Tieren, die gut gelebt haben, besonders Rinder die auf der Weide waren und überwiegend Gras, Heu und Silage fressen, haben zahlreiche positive Auswirkungen auf Mensch und Natur. Alles in Maßen natürlich.[nbsp]Wurst und Schinken, mit Sorgfalt handwerklich hergestellt sind etwas Wunderbares. Kein Phosphat, kein Citrat, keine Geschmacksverstärker, Pökelsalz nur in der halben Menge und nur bei Produkten, bei denen die Verwendung traditionell ist und die nicht gebraten oder gegrillt werden - es ist alles eine Frage der Reinheit und der Verhältnismäßigkeit.
Ohnehin hält der Bio-Pionier Ernährungsstudien für wenig aussagekräftig. „Wie oft haben uns einseitig ausgelegte wissenschaftliche Erkenntnisse schon in die Irre geleitet - man denke nur an die jahrelange Verteufelung von tierischen Fetten und die daraus folgendem Low-Fat-Welle - und die Menschen werden immer dicker. Wir werden die Komplexität unsere Ernährungsbedürfnisse niemals erforschen und jede Einseitigkeit führt in die Irre. Vielfalt, Abwechslung und Reinheit der Lebens-Mittel und das rechte Maß bleiben der richtige Weg."
Dass Fleisch im Übermaß nicht gesund ist, ist nicht neu. Frühere Studien stellten immer wieder den Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Krankheitsrisiken her. Erst im Sommer gaben Forscher des amerikanischen National Cancer Institutes die Ergebnisse einer Studie bekannt. Die Daten von 494.000 Teilnehmer im Alter zwischen 50 und 71 Jahren wurden ausführlich erfasst und in einem Zeitraum von acht Jahren ausgewertet. Dort fanden die Forscher heraus, dass die Probanden mit einem besonders hohen Konsum von rotem Fleisch, ein um 25 Prozent erhöhtes Risiko hatten, an Dickdarmkrebs zu erkranken. Das Lungenkrebsrisiko war um 20 Prozent erhöht und das Risiko für Speiseröhren- und Leberkrebs war zwischen 20 Prozent und 60 Prozent erhöht, fasst das Online-Portal Zentrum der Gesundheit die Ergebnisse zusammen.
Kommentare
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Mehr Ehrlichkeit würde auch der Biobranche gut zu Gesicht stehen. Vor dem Hintergrund der Krebsrisiken gehören die kritischen Produkte Nitritpökelsalz und Rauch nicht in Wurstwaren mit Biolabel. Ein Blick im Bioladen ist enttäuchend: ich würde viel öfter eine leckere Bio-Wurst essen, wenn es sie denn ungeräuchert und ungepökelt gäbe. Danach zu suchen ist allzu oft vergebens. Alex