Mit der Einführung der 100-Prozent-Bio-Richtlinie war die Branche froh, die letzten Lücken geschlossen zu haben – unangreifbar zu werden und vielleicht sogar unerreichbar.
Nur: Die Kunden fragen aber gar nicht nach „nur“ bio, sondern wollen umfassende Nachhaltigkeit und finden genau das nicht in den Bio-Verkaufsstellen. Sie finden dort einen Haufen Plastik, kaum Produkte, die die biologische Vielfalt fördern, und auch das Angebot an fair gehandelten Produkten und regionaler Ware, selbst in der Saison, ist übersichtlich. Und die Bio-Unternehmen haben sich fast ausnahmslos dem Wachstumsparadigma untergeordnet.
Es ist seinerzeit völlig richtig und überfällig gewesen, dass der Biohandel den konventionellen Honig aus Brasilien durch die Bio-Variante ersetzt hat. Es ist wichtig, dass bei den Waschmitteln die Pseudo- Bio-Sortimente identifiziert und ersetzt werden. Aber den nicht zertifizierten Apfelsaft der lokalen Streuobstwiese verbannen zu müssen, ist wenig erklärbar. Ebenso ist nicht vermittelbar, warum sich der gemeinschaftsgetragene Dorfladen schwer tut, einen Großhändler zu finden, nur weil er lediglich 90 Prozent seines Angebotes in bio plant. Und wenn jetzt ein Discounter anfängt, sich mit Ware aus Bio-Umstellung zu brüsten, wird das selbst geschaffene Dilemma besonders augenfällig und schmerzhaft.
Ob es dazu wirklich eine Richtlinie gebraucht hat, bezweifle ich. Sicher bin ich mir, dass die Richtlinie viel weiter hätte greifen müssen – mit der Überschrift: „Wir gestalten 150 Prozent bio!“
Christoph Spahn
Beratung und Prozesssteuerung in Köln
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