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Corona-Thesen

Joseph Wilhelm ruft Empörung hervor

Mit eigenwilligen Thesen zur Corona-Pandemie hat Rapunzel-Chef Joseph Wilhelm viel Kritik geerntet und sich für manche in die Nähe von Verschwörungstheoretikern katapultiert. Die taz betitelt ihn als Märchenerzähler. Wilhelm weist Hauptpunkte der Kritik zurück. Lesen Sie auch die Kommentare.

In seinen Wochenbotschaften hatte der Bio-Pionier durchblicken lassen, dass die Corona-Toten im Verhältnis zur Zahl der weltweit auf andere Weise Sterbenden zu vernachlässigen sei. Auch zwölf Millionen Abtreibungen stellte er in Beziehung zu den im Verhältnis wenigen Menschen, die am neuartigen Virus bislang gestorben sind. Viren seien „Teil des biologischen Lebens und leisteten ihren Beitrag zur Weiterentwicklung desselbigen und der menschlichen Anatomie und Psyche“, so die Überzeugung des Impfgegners.

BÖLW: Keine Verschwörungstheorien zu Wissenschaft erklären

Die taz hat in ihrem Bericht „Der Märchenerzähler“ Thesen des Rapunzel- und Zwergenwiese-Chefs gesammelt und kommentiert. Sie hat auch den BÖLW gefragt, wie er zu den Einlassungen von Joseph Wilhelm steht. „Bio fußt auf demokratischen Prinzipien und wissenschaftlicher Erkenntnis und deswegen sind wir dagegen, irgendwelche Verschwörungstheorien zu Wissenschaft zu erklären“, zitiert die taz den Vorstandsvorsitzenden Felix Prinz zu Löwenstein.

Joseph Wilhelm: Keine Nähe zur rechten Szene

Joseph Wilhelm äußert sich auf der Rapunzel-Website zu der Kritik, die zunächst in den sozialen Netzwerken ihre Runde machte: „Besonders betroffen macht mich, dass ich als Verbreiter von Verschwörungstheorien genannt werde. Noch mehr Betroffenheit und Traurigkeit löst die in Umlauf gebrachte Unterstellung bei mir aus, dass es eine persönliche oder firmenbezogene Nähe zur rechten „Szene“ gäbe. An verschiedenen Stellen in unterschiedlichen Firmenpublikationen habe ich unsere massive Ablehnung gegenüber AfD und allen anderen rechten Gruppierungen zum Ausdruck gebracht.“

Rapunzel: Keine Unterstützung von Attila Hildmann

Auch Attila Hildmann, der als Verschwörungstheoretiker bei Demonstrationen gegen die Corona-Politik der Bundesregierung auftritt, spielt bei der Stellungnahme von Joseph Wilhelm eine Rolle: „Die Aussagen und Auftritte von Attila Hildmann teilen und unterstützen wir von Rapunzel in keinster Weise.“ Man habe nur bis 2015 mit dem Vegan-Koch zusammengearbeitet.

Kommentar: Zu viel Natur?

Natürlich ist es unpopulär, in diesen Zeiten, wo viele verängstigt in Quarantäne sitzen, dem Corona-Virus ein positives Antlitz zu verleihen. Aber warum sollte Joseph Wilhelm wegen der Pandemie seine Lebenseinstellung ändern? Für ihn ist es offenbar wichtig, der Natur freien Lauf zu lassen, mit allen Vor- und Nachteilen. So wie wir das von ökologischen Kreisläufen her kennen: fressen und gefressen werden.

Vor diesem Hintergrund hat das Virus für ihn nichts Böses. Im Gegenteil: Er gewinnt ihm steuernde Funktionen für die Entwicklung der Menschheit ab. Andere glauben, dass diese Funktion ein alter Mann mit weißem Bart erfüllt und zahlen dafür auch noch Kirchensteuer.

Nein, ein Verschwörungstheoretiker ist Joseph Wilhelm nicht. Er bemüht weder fremde Mächte, noch Merkel und Gates. Er gehört auch nicht in die rechte Ecke gestellt. Und wenn man die ethisch-moralischen Aspekte der Diskussion einmal ausblendet und nackte Zahlen sprechen lässt, dann ist auch seine Gegenüberstellung der Toten nicht zu beanstanden. Sie wirft ein Licht auf die Schizophrenie der Gesellschaft, die Tempo 130 nicht abschaffen will, um Unfalltote zu vermeiden, aber sofort zum Gewehr greift, wenn mal ein Wolf im Wald auftaucht.

Joseph Wilhelm ist Pionier und war seiner Zeit immer voraus. Zwar wünscht man sich das in diesem Fall nicht unbedingt, denn keiner weiß, was aus uns wird, wenn wir dem Virus freien Lauf lassen und aufs Impfen verzichten. Aber es ist ja auch keiner gezwungen, seine Meinung zu teilen und seinen Weg mitzugehen. Welcher Weg am Ende der bessere wäre, wird sich nie ergründen lassen. Horst Fiedler

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Kommentare

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Achmed Pieper

Ich kann nicht nachvollziehen, warum die Diskussion über die Maßnahmen zu Corona mit einer solchen "Entweder-Oder" Haltung diskutiert wird. Mir scheint fast, dass gewisse Menschen partout Recht haben wollen. Und jeder, der nicht die eigene Meinung vertritt, gehört ausgeschlossen, ausgegrenzt, ist ein Abtrünniger. Dabei lese ich eine gewisse Portion Aggressivität heraus.

Ich fürchte fast, dass so nicht nicht mehr miteinander gesprochen werden kann. Es werden Panzer und Festungen gebaut. Keiner will auf den anderen mehr zugehen, weil er ja nicht die eigene Meinung und die eigene Wahrheit vertritt. Das Resultat ist eine Front quer durch die Menschheit. Die "Anderen" sind die Gefährlichen, die Rechten, die Linken, die Terroristen, die Dämonen.

Ich bin - Gottseidank - in einem hohen Alter angekommen, in dem ich zuhören und vertrauen kann. Die Menschheit ist stark genug für die Pluralität an Meinungen. Und wenn wir Vertrauen schenken, kann die Balance zwischen Verantwortung und Freiheit für die Menschen ein Segen sein.

Nico Czaja

Nee, das ist eine unzutreffende Einordnung.
Dieser "Aber-das-darf-man-wohl-nicht-mehr-sagen-in-Deutschland"-Narrativ, der bei Wilhelm deutlich und auch bei dir, Horst, durchscheint, macht mich hochgradig rappelig.
Natürlich darf man alles sagen, was von der Meinungsfreiheit abgedeckt ist, genau das tun ja auch diese Leute alle ständig und laut, die immer behaupten, man dürfte nicht!
Ich sehe niemanden, der sie daran hindert. Nur muss man dann eben damit rechnen, dass andere auch Gebrauch von ihrer Meinungsfreiheit machen und nachdrücklich gegen diese Meinung argumentieren, wenn sie sie für unsinnig, schlecht hergeleitet, gefährlich, irreführend halten.

Genau das ist die Aufgabe einer freien Presse (a.k.a. "Armeen willfähriger Mainstream-Journalisten", O-Ton Wilhelm). Und die funktioniert in Deutschland z.B. laut Reporter ohne Grenzen hervorragend - wenn sie Repressalien, Gewaltandrohungen und tätlichen Angriffen ausgesetzt ist, dann vor allem von Seiten von Populisten und Extremisten, in deren Gerüchtesuppe Wilhelm mit seinen Aussagen durchaus mitrührt, wenn auch harmloser als viele.

Trotzdem: Abtreibungen gegen Coronatote aufrechnen? Das ist ein Vergleich, der vorne und hinten hinkt, und noch dazu mysogyn. Natürlich ist das zu beanstanden!

Fantasien über "Jagdkommandos, die widerstrebige [sic] Impfgegner einfangen und zwangsimpfen, um so das Überleben unserer Rasse sicherzustellen"? Da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll, das ist angstschürender Unsinn ohne jede Grundlage.

"Für ihn ist es offenbar wichtig, der Natur freien Lauf zu lassen, mit allen Vor- und Nachteilen. So wie wir das von ökologischen Kreisläufen her kennen [...] Vor diesem Hintergrund hat das Virus für ihn nichts Böses. Im Gegenteil: Er gewinnt ihm steuernde Funktionen für die Entwicklung der Menschheit ab."

Das klingt so schön säuselig-Mutter-Gaia-romantisch, aber wenn man etwas genauer hinschaut und das weiterdenkt, ist das nichts anderes als Sozialdarwinismus. Und das sollte nicht nur "in diesen Zeiten" unpopulär sein, sondern immer.

Mir fiele zu seinen Texten noch das eine oder andere mehr ein, aber das wird hier schon lang genug.

Mich befremdet das stark, und es macht mich umso trauriger, weil Rapunzel - gewiss zu weiten Teilen dank Joseph Wilhelm - tatsächlich in Sachen Transparenz, Fairness, Konsequenz, Unabhängigkeit und gerade angesichts allüberall stattfindenden Aufkäufe der alten Garde durch Großkonzerne ein echter Fels in der Brandung für die Branche ist.
Ich als Händler möchte Rapunzel dringend mögen, aber meine Sympathie für den Laden hat durch dieses Geschwurbel aus der Feder des Mannes an seiner Spitze einen empfindlichen Schlag bekommen.
Und: Als Händler wünsche ich mir, Teil einer Branche zu sein, die klare Kante zeigt gegen nicht belegbaren und potentiell gefährlichen Quatsch. Insofern hoffe ich sehr, dass deine Einordnung, Horst, sowie die beiden Kommentare, die bisher hier stehen, nicht repräsentativ sind für die Branche, in der ich mich seit vielen Jahren zuhause fühle und weiter zuhause fühlen möchte.

Abschließend: Wilhelm beklagt in seiner Stellungnahme, dass seine Zitate in "den Medien" unfair aus dem Zusammenhang gerissen worden sind. Zugleich sind seine Botschaften von der Rapunzel-Seite verschwunden, so dass niemand mehr ohne weiteres die Möglichkeit hat, das für sich selber zu überprüfen.
Glücklicherweise hat sie jemand vorsorglich archiviert, und zwar hier:

http://archive.is/7wJqN
http://archive.is/bPRhc

Es können sich also alle selber ein Bild machen, die diese Chance noch nicht hatten.

Thorben Kück

Eine Aussage sowie der Kommentar dazu, welche aus dem Herzen von artgerechten Menschen kommt. Danke

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