Der runde Trinkbrunnen aus rötlichem Trientiner Marmor steht direkt gegenüber der Brauerei. Jeder darf dort Wasser trinken und auch mitnehmen – kostenlos. So will es die Familie Ketterer, Inhaberin des gleichnamigen Brauhauses. Wer sich dem Brunnen nähert, hört sphärische Wasserklänge, künstlerisch bearbeitete Aufnahmen aus dem Stollen, durch den das Mineralwasser geflossen ist. Holzbänke laden zum Ausruhen ein, ein Baldachin spendet Schatten.
Eigentlich ist Bier das Metier der Familienbrauerei M. Ketterer im Schwarzwaldstädtchen Hornberg – seit fünf Generationen schon. Bis sich Michael Ketterer, ein Vertreter der vierten Generation, auf die Suche nach einer eigenen Wasserquelle für sein Bier machte. Er ließ mehrfach auf dem Firmengelände danach bohren und beauftragte Wünschelrutengänger, vergebens. Schließlich hörte er von einer Quelle, die oben am nahegelegenen Kapfwaldberg entspringt. Ketterer nahm Proben, holte Genehmigungen ein, zahlte für die Nutzungsrechte und ließ baggern, um zum Ursprung der Quelle zu gelangen.
Er musste tief graben, um letztendlich festzustellen, dass er nicht der erste war. Die Arbeiter fanden den Eingang zu einem Stollen, der wohl aus der Römerzeit stammt und 140 Meter tief in den Berg hineinführt. Untersuchungen ergaben, dass Ketterer einen Schatz gefunden hatte: Leicht mineralisiertes Wasser von hoher Qualität, dem nicht einmal Eisen entzogen werden muss, weil es keines enthält. Sonst macht man das bei Mineral- und Leitungswasser, um eine bräunliche Trübung zu verhindern. Solche leicht mineralisierten Wasser werden in der Naturheilkunde besonders geschätzt, gelten als passende Begleiter für Fastenkuren und als ideale Grundlage für die Zubereitung von Babynahrung.
Bier profitiert vom Wasser
Zwar machen die Ketterers nach wie vor ihren Hauptumsatz mit Bier, mengenmäßig verkaufen sie aber über ihr Tochterunternehmen Hornberger Lebensquell mehr Wasser. „Das Ansehen des Mineralwassers hat auch der Biermarke gutgetan“, sagt Seniorchef Ketterer. „Sommeliers schätzen das weiche Wasser, weil es die Geschmacksknospen freispült“, berichtet Philipp Ketterer, der zusammen mit seinem Schwiegervater das Tochterunternehmen leitet. Gastronomen loben den milden Geschmack des Mineralwassers und so mancher Liebhaber verdünnt damit Whiskey, um aus diesem noch mehr Aromen herauszukitzeln.
Das sanfte Quellwasser fließt ganz von selbst an die Erdoberfläche, Pumpen ist nicht nötig. Eine sieben Kilometer lange Leitung transportiert es den Berg hinab zur Brauerei. Es versorgt dort den Trinkwasserbrunnen, wird zusammen mit Hopfen, Hefe und Malz zu Bier veredelt oder aber direkt in Glasflaschen abgefüllt.
Mehrwegflaschen mit individuellem Design
„Glas muss sein“, sagt der Juniorchef. „Unser Wasser ist empfindlich gegen Fremdgeschmack aus dem Kunststoff. Es enthält so wenig Mineralien, da gibt es keine Salze, die das überdecken könnten.“ In Plastikflaschen verändere sich das Aroma dieses sensiblen Wassers innerhalb weniger Stunden. „Aber es soll ja schmecken wie direkt von der Quelle mitten aus dem Wald“, findet der 47-jährige Co-Geschäftsführer. Außerdem gibt es Hinweise dafür, dass auch unerwünschte Stoffe aus Kunststoff-Flaschen ins Wasser übergehen. Andererseits geht Kohlensäure in Plastikflaschen leichter an die Außenluft verloren.
„Außergewöhnliches Wasser – außergewöhnliche Flasche“: Das Unternehmen ließ für das neu entdeckte Wasser eine individuelle Mehrweg-Glasflasche entwerfen, die sich in ihrem schlichten Design an altertümlichen Steingut-Krügen orientiert. Das kommt offenbar so gut an, dass manche Kundinnen die Flasche gar nicht mehr zurückgeben wollen, sie stattdessen mit einer Blume schmücken und auf den Tisch oder ins Schaufenster stellen.
Außerdem gewinnt Glas für Erfrischungsgetränke allgemein an Wertschätzung. Das ging vor wenigen Jahren offenbar einmal so weit, dass die Belegschaft von Hornberger Lebensquell eine Saison lang improvisieren und Samstagsschichten einlegen musste, weil die Glashütte in Thüringen nicht nachkam mit der Herstellung neuer Flaschen und gebrauchte Mehrwegflaschen nicht schnell genug zurückgebracht wurden.
Waschen und Abfüllen
Mineralwasser ohne Kohlensäure ist empfindlich. Die Familie Ketterer investierte auch deswegen 2008 in eine neue Abfüllanlage und schuf so „sehr gute hygienische Bedingungen“. Von Ruhe kann dort keine Rede sein: Es klingelt und scheppert, Druckluft zischt, während Kisten mit Leergut und Flaschen über Transportrollen und -bänder von Station zu Station wandern: Vorkontrolle, Entschrauber, Auspacker – alles vollautomatisch.
Die leeren blauen Kästen werden gewaschen, Flaschen durchlaufen in 20 Minuten eine Reinigungsanlage, in der 84 Grad Celsius herrschen. Heiße Lauge entfernt die Etiketten und reinigt das Innere der Flaschen. Kameras kontrollieren auf Schäden und Verunreinigungen. Bevor neues Quellwasser eingefüllt werden kann, wird mit Quellwasser ausgespült. Dann rollen Bürsten neue, blau getönte Etiketten auf die Flaschen, ein Drucker gibt jeder einzelnen ihre individuelle Nummer, Abfüllzeit und Mindesthaltbarkeitsdatum inbegriffen.
Strenge Kontrollen
Bevor eine neue Charge das Lager verlässt, muss per Laborprobe belegt sein, dass das Wasser den mikrobiologischen Standards für Reinheit entspricht. Um optimale Qualität von Produkt und Abläufen zu sichern, stellte das Unternehmen zunächst eine Laborantin, später dann noch einen Qualitätsmanager ein.
Im Labor, einem schmalen Räumchen im Hauptgebäude, hat Irene Krynicki alles vorbereitet, um vom eben abgefüllten Mineralwasser zu testen. Sie ordnet der Probeflasche eine Nummer zu und hantiert dann konzentriert mit Bunsenbrenner, Filtern und Petrischalen. Krynicki untersucht auf Keime, und gibt dazu Wasserproben auf Nährböden, die bei 20 und 37 Grad Celsius bebrütet werden. „Wir machen mehr als das Pflichtprogramm“, erklärt sie. Beispielsweise lässt sie die Schalen nicht nur für die vorgeschriebenen 24, sondern für 72 Stunden im Brutschrank. Sicher ist sicher. Darüber hinaus lässt das Unternehmen die Wasserqualität an der Quelle und in der Flasche auch extern kontrollieren.
Öko auch ohne Zertifikat
Als die Familienbrauerei M. Ketterer 2005 mit Hornberger Lebensquell an den Markt ging, setzte sie insbesondere auf den Naturkosthandel. Sie bedient aber auch nach wie vor den regionalen Getränkehandel, zu dem über den Biervertrieb schon geschäftliche Kontakte bestanden. „Die Naturkostbranche war sehr aufgeschlossen für neue Produkte“, sagt Philipp Ketterer. „Das sind sehr kritische, aber auch treue Kunden. Da fühlen wir uns wohl.“
Eine Bio-Zertifizierung ist für die Ketterers aber keine Option. „Wir würden unsere Besonderheiten nivellieren“, findet Philipp Ketterer. Es geht um Besonderheiten wie freien Quellaustritt und die Fokussierung auf Glasflaschen. Auch den Verkauf von Bio-Mineralwasser über Discounter lehnen die Geschäftsführer ab, stattdessen beliefern sie den konventionellen Einzelhandel in der Region.
Für den Schutz der Quelle sei Ketterer zufolge gesorgt: Sie befindet sich in einem Wasserschutzgebiet; Bäume und Gras wachsen auf dem Kapfwaldberg, da oben werden auch keine Felder gedüngt und bepflanzt. Und weil das Wasser nicht aus dem Berg herausgezwungen werden muss, sind der Wasserentnahme natürliche Grenzen gesetzt.
Auch ohne Bio-Zertifikat wirtschaftet das Unternehmen ökologisch: Wärmeenergie liefert seit 2006 eine Wald-Hackschnitzelanlage, Strom stammt aus Öko-Energiequellen. Seit Juni 2020 arbeitet das gesamte Unternehmen darüber hinaus klimaneutral. Der ermittelte CO2-Fußabdruck wird kompensiert über Abgaben an ein deutsches Aufforstungsprojekt und an ein Trinkwasserprojekt in Uganda. Und auch bei Bier hat sich das Unternehmen von der Öko-Idee anstecken lassen: Die neueren Sorten „Black Forest Summer Ale“ und das „Helle“ sind bio-zertifiziert. „War gar nicht so kompliziert“, sagt der Juniorchef.
Begrenzt wachstumsfähig
Draußen auf dem Firmengelände bringen derzeit nicht nur Gabelstapler und Getränke-Laster Bewegung ins Bild, da wächst auch ein Neubau in die Höhe: Ein Lager, Büros für die Braumeister und ein zusätzliches Labor sind geplant. Dafür musste ältere Bausubstanz abgerissen werden. Platz ist rar. Unten grenzt das Firmengelände an die Gutach, nach oben hin kommt ein Hang, mehr als die jetzigen 9.000 Quadratmeter Betriebsfläche sind nicht drin. Wachsen ist daher nicht die erste Option des Familienunternehmens. Es geht eher darum, zu optimieren.
So hat die Brauerei vor einigen Jahren den Verkauf von Produkten anderer Hersteller aufgegeben und konzentriert sich auf die eigene Herstellung. Beim Mineralwasser ist trotzdem noch Luft nach oben: Das, was die Quelle hervorbringt, reiche gut aus, um neue Kunden zu gewinnen. Bis jetzt seien es ja „nur“ sieben von zehn Naturkostläden, die Hornberger Lebensquell verkaufen, sagt Philipp Ketterer und lächelt. Wie es in der ferneren Zukunft weitergehen soll, hat der 72-Jährige Michael Ketterer längst geregelt. Schon 2014 übergab er das Gros der Firmenanteile an seine Tochter Anke Ketterer. Sie leitet zusammen mit ihrem Vater und ihrem Mann Philipp die Brauerei und führt damit das Familienunternehmen in fünfter Generation.
Drei Fragen an Philipp Ketterer
Hornberger Lebensquell beliefert den Naturkostfachhandel, die Gastronomie und den qualitätsorientierten Getränkehandel. Soll das so bleiben oder planen Sie in weitere Richtungen zu expandieren?
Uns ist es wichtig, dass die Unternehmensphilosophie unserer Kunden zu den Werten passt, für die unser Familienbetrieb und Hornberger Lebensquell stehen. Wir fühlen uns mit unserer Kundenstruktur sehr wohl, sind aber offen für jegliche Anfragen. Allerdings ist unser Standort im Gutachtal räumlich beschränkt und die Wassermenge durch die freie, natürliche Quellschüttung begrenzt.
Was sind die größten Herausforderungen für Hornberger?
Es gilt, die hohe ganzheitliche Qualität unserer Naturprodukte zu erhalten. Wir wollen im Einklang mit Natur und Umwelt wirtschaften und die Nähe zu den Menschen hier im Schwarzwald bewahren.
Wo steht Ihr Unternehmen in zehn Jahren?
Das Bewusstsein für den Genuss gesunder Lebensmittel und das Verständnis für die Qualität von Wasser als wichtigstes Lebensmittel werden weiter zunehmen. Hornberger Lebensquell sollte sich bei vielen naturkost- und gesundheitsorientierten Kunden weiter als eine feste Größe im Markt etablieren.
Zahlen – Daten – Fakten
Hornberger Lebensquell GmbH (Tochterunternehmen der Familienbrauerei M. Ketterer)
Gründung: 2005
Markteinführung: 2005
Sortiment: natürliches Mineralwasser naturelle und medium 1 Liter / 0,33 Liter-Glas-Mehrwegflaschen
Belegschaft (Brauerei und Mineralbrunnen): 25 Männer, 6 Frauen
Kunden: Naturkostfachhandel, Gastronomie, regionaler Getränkehandel
Standort: Hornberg / Schwarzwald
Geschäftsführer: Michael Ketterer, Philipp Ketterer
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