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Hersteller und Händler unter Druck: Warum Kundschaft abwandert oder zu Eigenmarken greift

Eine neue Studie untersucht das Konsumverhalten infolge von Corona, Krieg und Inflation. Trends zu Bevorratung, Regionalität und besserer Einkaufsplanung stellen sowohl Lebensmittelhersteller als auch -händler vor große Herausforderungen.

Wie krisenfest ist der Handel in Sachen Produktverfügbarkeit aus Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten? Dieser Frage geht das ECC Köln, ein Tochterunternehmen des Instituts für Handelsforschung, im Auftrag der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Grant Thornton in einer neuen Studie nach.

Erste Ergebnisse zeigen: Fast 80 Prozent der befragten Personen bemängeln Verfügbarkeiten im Lebensmittelhandel, insbesondere bei den Frischesortimenten Obst, Gemüse, Milch- und Getreideprodukten. Vor allem jüngere Konsumentinnen und Konsumenten seien in Sachen Verfügbarkeiten sensibel und erwarten stets die volle Produktpalette, teilt das ECC Köln in einer Pressemitteilung mit.

In den letzten Jahren habe sich durch die von Corona, Krieg in Europa und Inflation geprägten Jahre das Einkaufsverhalten vieler Menschen angepasst. So haben sich rund 80 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten eine Bevorratung ihrer Lieblingsprodukte angewöhnt. Etwas weniger als zwei Drittel der Befragten tendiert eher zum Einkauf bei Händlern, bei denen sie in Sachen Verfügbarkeit gute Erfahrungen gemacht haben. Darüber hinaus gaben 54 Prozent der Umfrageteilnehmenden an, ihre Einkäufe heute vorausschauender zu planen, als vor der Krise.

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Veränderte Kaufgewohnheiten im Lebensmittelhandel

Dieses gesteigerte Einkaufsbewusstsein zeigt sich auch bei der Wahl der Produkte: Zwei Drittel der Deutschen greifen nach eigenen Angaben seit den Krisen mehr zu lokalen und regionalen Produkten – bei den über 40-jährigen sind den Studienergebnissen zufolge sogar knapp 71 Prozent. Am stärksten zeichnet altersgruppenübergreifend der Trend zu den Eigenmarken ab. 74 Prozent der Befragten gaben an, vermehrt zu den No-Name-Marken zu greifen und beobachteten dabei nicht nur ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis als bei Markenprodukten (72 Prozent), sondern auch eine bessere Verfügbarkeit (61 Prozent).

Dieser Trend ist im Bio-Segment bereits seit einigen Jahren zu beobachten. So bauen immer mehr konventionelle Lebensmittelhändler und Discounter ihr Bio-Eigenmarken-Sortiment aus – inzwischen auch immer öfter mit Produkten mit Verbandsiegeln. Erst Anfang dieser Woche gab das Unternehmen Netto Markendiscount seine Mitgliedschaft im Biokreis sowie eine entsprechende Kooperation bei Frischeprodukten der Eigenmarke BioBio bekannt. Der Öko-Verband Biokreis hatte im März 2024 im Rahmen einer Mitgliederversammlung als letzter großer Anbauverband in Deutschland beschlossen, sich auch für den konventionellen Lebensmitteleinzelhandel zu öffnen.

Verhaltensänderung durch Krisen im Lebensmitteleinzelhandel

Folgen für den Handel

„Die letzten vier Jahre sind weder am Handel noch an den Konsumentinnen und Konsumenten spurlos vorüber gegangen. Lieferengpässe und Sparverhalten waren die großen Themen und haben das Kaufverhalten stark verändert“, sagt Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln und Gründer des ECC Köln. Das zunehmende Konsumentenbewusstsein hinsichtlich Preis, Herkunft oder Verfügbarkeit verlange entsprechende Anpassungen seitens des Handels – ansonsten drohe die Abwanderung der Kundschaft, so Hudetz.

Die Anspruchshaltung der Konsumentinnen und Konsumenten sei vor allem bei Produktengpässen hoch, so die Studienverfasser: Bei nicht verfügbaren Produkten, wechselt rund jeder oder jede Zweite das Geschäft. Besonders groß ist die Abwanderungsgefahr laut den Umfrageergebnissen als Reaktion auf fehlende Produkte in den Branchen Hygieneartikel (47 Prozent) sowie Obst und Gemüse (46 Prozent).

Für eine verlässliche Verfügbarkeit würden die Hälfte der Befragten sogar einen Aufpreis zahlen, insbesondere für schwer verfügbare Produkte oder eine lokale, beziehungsweise regionale Herkunft. „Die Wichtigkeit der Produktverfügbarkeit für Verbraucherinnen und Verbraucher ist zunehmend auf der Agenda der Hersteller und Händler angekommen. Entsprechende Positionierungen, zum Beispiel in Richtung Eigenmarken und Eigenproduktion, sind erkennbar, da die Produktverfügbarkeit dadurch oftmals besser gesteuert werden kann“, so Stefanie Nattkämper-Scholz, Leiterin der Branchengruppe Retail & Consumer Products und Partnerin bei Grant Thornton. (dan)

Über die Studie

Die Studie „Krisenfestigkeit im Handel“ des ECC Köln in Zusammenarbeit mit Grant Thornton untersucht Verfügbarkeitsprobleme im Handel während der Krisen der letzten Jahre aus Sicht von Konsumentinnen und Konsumenten in Deutschland. Dazu wurden Erfahrungen und Reaktionen in den Branchen Lebensmittelhandel und Fashionhandel ermittelt. Für die Erhebung wurden im Juni 2024 rund 500 Personen online repräsentativ befragt. Laut ECC Köln wird an die Konsumentenbefragung eine Händlerbefragung angeschlossen. Die gesamten Ergebnisse werden voraussichtlich im Herbst 2024 veröffentlich.

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