Biohandel

Wissen. Was die Bio-Branche bewegt

Fleischsortiment

Handelsketten streben mehr Tierwohl an

Aldi, Rewe, Lidl und Kaufland wollen mehr Fleisch aus Haltungsformen anbieten, die über dem gesetzlichen Mindeststandard liegen. Aus der Bio-Branche kommt Kritik.

Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland hätte gerne Angaben zur Tierhaltung auf der Wurst- oder Fleischverpackung. Das geht aus dem aktuellen „Ernährungsreport“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hervor. Mitte Juni scheiterte Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) mit ihren Gesetzplänen für eine Kennzeichnung auf freiwilliger Basis. Ein staatliches Tierwohllabel, das eine bessere Haltung oberhalb des gesetzlichen Standards anzeigen soll, werden Verbraucher also erstmal nicht in den Märkten sehen.

Nach wie vor können sich Kunden an dem Label „Haltungsform“ orientieren, das der konventionelle Handel seit rund zwei Jahren auf Fleisch-Verpackungen druckt. Entwickelt wurde die Kennzeichnung von der Initiative Tierwohl (ITW), einem Zusammenschluss von Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel. Die vier Stufen reichen vom gesetzlichen Mindeststandard (1) über etwas mehr Platz im Stall (2) und Außenklima (3) bis zu Premium (4), worunter auch Bio-Fleisch fällt.

Die Verbraucherzentrale bemängelte Ende 2020, dass das Angebot der Haltungsformen 3 und 4 viel zu gering sei. Demnach stammten lediglich 13 Prozent des gekennzeichneten Fleisches aus diesen Haltungsformen. Claudia Salzborn vom Deutschen Tierschutzbund forderte bereits im April 2020 den Handel dazu auf, die ersten beiden Stufen auszulisten, „wenn er wirklich etwas für den Tierschutz tun will“.

In einem Greenpeace Supermarkt-Check gab ein Großteil der LEH-Konzerne an, dass sie Fleisch der Haltungsformstufe 1 aus dem Sortiment nehmen wollen. Bis auf Discounter Lidl machten sie aber keine Angaben, bis wann das passieren soll. Lidl kündigte damals an, bis Ende 2022 alle seine Schweine-Frischfleisch-Produkte „mindestens auf Stufe 2“ anbieten zu wollen.

Dieser Artikel wurde am Freitag, 2. Juli 2021, aktualisiert.

Haltungsformen 1-4

1 Stallhaltung

2 StallhaltungPlus

3 Außenklima

4 Premium

Details auf haltungsform.de

Lidl und Kaufland ziehen nach

Ein Jahr früher als ursprünglich geplant will nun Lidl nahezu sein gesamtes Schweinefrischfleischsortiment auf die Haltungsformstufe 2 umstellen. Bereits bis Ende 2021 soll das Ziel erreicht sein. Das teilte der Discounter einige Tage nach dem Vorstoß von Wettbewerber Aldi mit. Ermöglicht wird das Vorhaben nach Angaben von Lidl unter anderem durch eine Sonderzahlung von 50 Millionen Euro der Schwarz Gruppe, zu der auch Lebensmittelhändler Kaufland gehört. Mit dem Geld werden demnach Landwirte bei der Umstellung auf Haltungsbedingungen der Initiative Tierwohl unterstützt.

Bis 2025 soll die Haltungsstufe 2 Mindeststandard im Lidl-Frischfleischsortiment sein. Im Eigenmarkenbereich sollen Produkte aus den Haltungsformstufen 3 und 4 ausgebaut werden. Kaufland verfolgt ähnliche Pläne. Bis 2023 will der Händler die Kooperationen mit Vertragslandwirten für Schweinefleisch und das Angebot an Frischgeflügel aus Haltungsform Stufe 3 und 4 verdoppeln.

Bereits in der vergangenen Woche kündigten Aldi Nord und Aldi Süd an, bis 2025 vollständig auf Fleisch aus der Haltungsform 1 verzichten zu wollen. Fünf Jahre später soll das Frischfleisch von Rindern, Schweinen, Hähnchen und Puten ausschließlich von Tieren aus den Haltungsformen 3 und 4 kommen. Noch in diesem Jahr strebt Aldi an, 15 Prozent des Umsatzes mit Frischfleisch aus den Haltungsformen 3 und 4 zu erwirtschaften. Ausgenommen von den Plänen sind (internationale) Spezialitäten und Tiefkühlartikel.

„Der steigende Umsatz mit nachhaltig erzeugter Ware zeigt, dass unsere Kunden bereit sind für einen Bewusstseinswandel“, teilt Tobias Heinbockel, Managing Director Category Management bei Aldi Nord, mit. Heinbockel beruft sich auf Zahlen des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), denen zufolge sich die Deutschen 2020 häufiger für Bio-Fleisch entschieden haben als im Vorjahr.

AÖL kritisiert Werbung für Haltungsstufe 4

Auf den Vorstoß von Aldi reagierte die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AÖL) am Dienstag mit geteilter Meinung. Zwar setze der Discounter „einen wichtigen und werbewirksamen Impuls in Sachen Tierwohl“. Kritisch zu sehen sei dagegen die Werbung mit der Haltungsstufe 4 als „Premium“ und der Anspielung auf rechtlich gesicherte Bio-Qualität. Denn Bio kann deutlich mehr, als die Haltungsform verspricht.

Rewe und die Discounter-Tochter Penny teilten ebenfalls in der vergangenen Woche mit, bis Ende 2030 ihr Eigenmarken-Frischfleischsortiment nur noch in der Haltungsformstufe 3 und 4 anbieten zu wollen. Ab dem kommenden Juli sollen verarbeitete Eigenmarkenprodukte wie Wurstwaren, Convenience, Konserven und ausgewählte Tiefkühlwaren auf den Standard der ITW umgestellt werden, was der Haltungsform 2 entspricht.

Der sich aufdrängende Gedanke, warum der ITW-Standard kein höheres Anforderungsniveau hat, gehört zu den häufigen Verbraucherfragen, die die Initiative auf ihrer Webseite beantwortet. Dort schreibt sie, „die Kriterien wurden […] so definiert, dass eine Wirkung in der Breite entfaltet werden kann“. Die ITW schafft damit laut eigenen Angaben „ein wirksames Angebot, mit dem sich für viele Tiere etwas verbessert – und das zudem noch für Tierhalter umsetzbar und für Verbraucher bezahlbar ist.“

Neue Tierwohl-Marke bei Kaufland

Kaufland führt derweil mit K-Wertschätze eine neue Tierwohl-Eigenmarke ein. Die Haltungsbedingungen liegen laut Unternehmensangaben „über den gesetzlichen Vorgaben“. Kühe, Schweine und Hühner haben demnach während der Aufzucht mehr Platz und Auslauf und werden gentechnikfrei gefüttert.

Kunden von Kaufland finden unter der neuen Marke ab sofort rund 25 Milch-, Joghurt-, Käse- und Fleischprodukte in den Regalen des Lebensmittelhändlers, der wie Lidl zur Schwarz-Gruppe gehört. Nach und nach will Kaufland das Angebot ausbauen.

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