Die vor zwei Wochen gegründeten Initiative für den Erhalt von Kennzeichnung und Wahlfreiheit bei Gentechnik-Lebensmitteln, hat starken Zulauf bekommen. 197 weitere Unternehmen haben einen offenen Brief an CSU-Vize und EVP-Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber unterschrieben.
In dem Schreiben, dass von den Lebensmittelherstellern und -händlern Alb-Gold, Alnatura, Andechser, DM und Frosta initiiert wurde, fordern die Unternehmen den Politiker zum Gespräch über die Deregulierungsvorschläge auf, die ab Mittwoch zunächst im Umweltausschuss des Europaparlaments verhandelt und abgestimmt werden sollen. Laut der Initiative, die vom Anbauverband Bioland, der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL) und dem Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) unterstützt wird, lehne Weber ein Gespräch noch vor den kommenden Abstimmungen jedoch ab.
Im Wesentlichen wird es im Europaparlament in den kommenden Wochen um die Frage gehen, ob mit neuer Gentechnik hergestellte Lebensmittel in der EU künftig erkennbar bleiben. Dabei kommt den Abgeordneten von CDU/CSU und ihrer EVP-Fraktion im europäischen Parlament eine Schlüsselrolle zu. Sie wollen Produkte neuer Gentechnik noch stärker deregulieren als es der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission vorsieht.
Unverständnis seitens der Initiatoren des Offenen Briefs
Bioland-Präsident Jan Plagge zufolge gehe die EVP gar noch einen Schritt weiter und versuche am Mittwoch per Änderungsantrag zu erreichen, dass die Mitgliedstaaten die Freisetzung von NGT-Pflanzen nicht beschränken oder behindern können. „Damit wird die Möglichkeit, auch gentechnikfrei wirtschaften zu können, nicht nur nicht beschrieben, sondern kategorisch ausgeschlossen, denn Koexistenzmaßnahmen sollen so faktisch verboten werden“, so Plagge. Von den Auswirkungen der Entscheidungen auf EU-Ebene seien fast 500 Millionen Menschen betroffen, unterstreicht der Bioland-Präsident. „Es ist nicht hinnehmbar, dass offenbar nur die Interessen von Konzernen wie Bayer/Monsanto und ChemChina/Syngenta zählen.“
„Es ist ein Zeichen von Verantwortungslosigkeit, sich Gesprächen mit der Wirtschaft zu verweigern, bevor so weitreichende Entscheidungen getroffen werden“, kommentiert Plagge Webers Dialogabsage. Damit trete auch die Sorgen der Wähler seiner Partei mit Füßen.“ Man hoffe auf Einsicht, so Plagge in der VLOG-Mitteilung. „Denn aktuell setzt sich die EVP für ein faktisches Verbot sämtlicher Koexistenzmaßnahmen in Europa und vor Ort ein. Die Unternehmen brauchen eine Erklärung, wohin dieses widersprüchliche Handeln der CDU und CSU führen soll.“
Wolfgang Ahammer von VFI Oils for Life argumentiert: „Für uns als Hersteller, die sich für Lebensmittel ,Ohne Gentechnik‘ und Bio-Lebensmittel engagieren, ist es wichtig, dass dieser Status gesichert wird.“ Dafür brauche es eine konturierte Zulassungspraxis sowie die Einhaltung wichtiger marktwirtschaftlicher Prinzipien wie Transparenz auf jeder Verwendungsstufe, Beweislast des Anwendenden und Produkthaftung, so Ahammer weiter.
Joseph Wilhelm, Geschäftsführer von Rapunzel Naturkost, untermauert die Risiken für die gesamte Bio-Wertschöpfungskette: „Bio ist gentechnikfrei, und zwar immer.“ Dafür setze man sich bei Rapunzel seit Anfang der 2000er-Jahre ein. „Die Zulassung neuer gentechnischer Verfahren ohne Kennzeichnung in Europa wäre eine Katastrophe für die Bio-Landwirtschaft und für Bio-Produkte im Allgemeinen“, warnt Wilhelm. „Wir fordern daher alle EU-Parlamentarier auf, für eine ehrliche Kennzeichnung von Produkten mit Neuer Gentechnik über die gesamte Lieferkette hinweg zu stimmen.“
Aufruf für weitere Unterstützung
Ende November appellierten bereits die deutschen Unternehmen Rewe Group und Tegut, sowie in Österreich Hofer, Spar, Uni-Gruppe, Denns BioMarkt, Sutterlüty Ländlemarkt und der Österreichische Handelsverband in einem offenen Brief an das Europaparlament und die EU-Kommission, bei der geplanten Gentechnik-Neuregulierung die Wahlfreiheit der Verbraucher, die Existenz von Bio- und „Ohne Gentechnik“-Landwirtschaft sowie stabile Lebensmittelpreise zu sichern.
Darüber hinaus haben sich kürzlich sogar die deutschen Bischöfe mit einer Stellungnahme kritisch zu den Kommissionsvorschlägen geäußert und forderten aufgrund „grundsätzlicher und schwerwiegender Mängel“ eine Überarbeitung des Entwurfs. Wie BioHandel bereits Ende September 2023 berichtete, ist auch ein von den Grünen in Auftrag gegebenes Gutachten zu dem Schluss gekommen, dass es nicht mit geltendem Recht vereinbar ist, bestimmte mit neuen genomischen Techniken (NGT) veränderte Pflanzen aus dem Gentechnik-Recht herauszunehmen.
Nach wie vor sind weitere Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft eingeladen, die Initiative zu unterstützen und den offenen Brief mitzuzeichnen. Alnatura-Gründer und -Geschäftsführer Götz Rehn rief erneut zu einem breiten Engagement im Sinne der Initiative auf: „Bitte engagieren Sie sich mit Ihrer Unterschrift für eine klare verpflichtende Kennzeichnung gentechnisch veränderter Produkte. Denn nur so erhalten wir die Wahlfreiheit und Transparenz, die Kundinnen und Kunden einfordern, und den fairen Wettbewerb der unterschiedlichen Methoden für eine klimafreundliche und zukunftsorientierte Landwirtschaft.“
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