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EU-Agrarausschuss will Neue Gentechniken ohne Kennzeichnung zulassen

Dass sich der EU-Agrarrat auf keine gemeinsame Position zum NGT-Vorschlag der EU-Kommission einigen konnte, sorgte für gute Stimmung bei den Deregulierungsgegnern. Doch wenig später kam vom Agrarausschuss eine für sie „desaströse Kampfansage“.

Der EU-Agrarrat unter der spanischen Ratspräsidentschaft hat sich am Montag auf keine gemeinsame Position zum Deregulierungsvorschlag der EU-Kommission bei Gentechnik einigen können. Die Kommission empfiehlt unter anderem, Lebens- und Futtermittel, die mit sogenannten Neuen Genomischen Techniken (NGTs) erzeugt wurden, ohne Gentechnikverweis für den Verkauf in der EU zuzulassen. Die Mitgliedsstaaten der Union und das Europaparlament diskutieren aktuell den Vorschlag und müssen sich auf einen Kompromiss einigen. Erst dann würden die neuen Gentechnikregeln in Kraft treten.

Dass es keine nötige Mehrheit für den Kompromissvorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft gab, ist Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zufolge „ein klarer Auftrag, bei den entscheidenden Punkten nachzusteuern.“ Wer gentechnikfrei wirtschaften will, müsse dies auch in Zukunft tun können, so der Minister. „Wir brauchen echte Wahlfreiheit über die gesamte Lebensmittelkette. Dafür brauchen wir Regeln für die Koexistenz, damit ein funktionierender, milliardenschwerer Markt nicht zerstört wird.“ Und Patente durch die Hintertür dürfe es nicht geben, so Özdemir. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung im Agrarrat enthalten.

Gentechnikbefürworter werden jetzt auf Hochtouren arbeiten

Auch Bioland-Präsident Jan Plagge bezeichnete es als „ein wichtiges Signal aus dem EU-Agrarrat, dass sich keine qualifizierte Mehrheit für den Kompromissentwurf der Ratspräsidentschaft finden ließ“. Er machte aber auch klar: „Die Kuh ist noch lange nicht vom Eis“. Plagge begrüßte zwar, dass Özdemir sich enthalten habe – gleichzeitig fordert er aber eine klare Positionierung der gesamten Bundesregierung. „Vor allem der Bundeskanzler muss halten, was er im Wahlkampf versprochen hat: auch für die neuen Gentechniken müsse das Vorsorgeprinzip uneingeschränkt gelten. Jetzt gilt es auf allen Ebenen weiter dafür zu sorgen, dass Koexistenz, Risikoprüfung und Kennzeichnung sichergestellt werden.“

Dass mit dem jüngsten Abstimmungsergebnis noch nichts gewonnen ist, sagt auch Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied des Umwelt- und Gesundheitsausschusses. Die Gentechnikbefürworter werden ihm zufolge nun auf Hochtouren daran arbeiten, mit Zugeständnissen diejenigen Länder umzustimmen, die sich gegen den Vorschlag ausgesprochen haben. „Das muss verhindert werden“, so Häusling.

Agrarausschuss: Keine Koexistenz-Maßnahmen für gentechnikfreien Anbau

Einen ersten Dämpfer für die Gegner der Gentechnikreform lieferte noch am Montagabend der Agrarausschuss (AGRI) des Europäischen Parlaments mit seiner abgestimmten Position zu NGTs. Für Häusling eine „desaströse Kampfansage an den verantwortungsvollen Umgang mit Gentechnik und ein Schlag gegen die Europäischen Vorsorgeregelungen.“ Demnach vertritt der AGRI unter anderem folgende Positionen:

  • Neue Gentechnik soll ohne Kennzeichnung in der gesamten Warenkette auskommen, einschließlich Saatgut.
  • Koexistenz-Maßnahmen für gentechnikfreien Anbau soll es nicht geben.
  • Das Verbot von NGT der Kategorie 1 im Bio-Landbau wird zwar in einem Passus von der AGRI bestätigt, in einem anderen jedoch aufgehoben. Darüber hinaus soll es möglich sein, das Verbot durch eine Revisionsklausel sieben Jahre nach Inkrafttreten der neuen Verordnung zu kippen.

NGT-Pflanzen der „Kategorie 1“

Unter NGT-Pflanzen der „Kategorie 1“ versteht die EU-Kommission solche, die auch natürlich vorkommen oder durch konventionelle Züchtung erzeugt werden können und keine Eigenschaften aufweisen, die sich negativ auf die Nachhaltigkeit auswirken. Für diese Pflanzen soll es kein Zulassungsverfahren und damit auch keine Risikoprüfung geben. Sie müssten lediglich angemeldet werden.

Häusling zufolge werde die Position des Agrarausschusses als Stellungnahme in die Position des Umwelt- und Gesundheitsausschusses des Europäischen Parlaments einfließen. „Würde diese Stellungnahme des Agrarausschuss zur Position des Parlaments, käme das einem Desaster gleich“, so der EU-Abgeordnete. Immerhin: Einigkeit herrschte Häusling zufolge darüber, dass NGT-Pflanzen, Pflanzenmaterial, Pflanzenteile und die genetische Information, die die Pflanzen enthalten, nicht patentierbar sein sollen.

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