Für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft müssen Betriebe die Zahl ihrer Nutztiere deutlich reduzieren oder konsequent auf Bioweidehaltung umstellen. Ein Kritikpunkt ist, dass Biolandwirte ihre Anbauflächen mit Schlachtabfällen aus konventioneller Tierhaltung düngen und damit zu deren Nutznießern werden. Bioanbauverbände beschränken sich bei dieser Symbiose auf Hornspäne, Haar- und Federmehl von Tieren, während Produzenten von EU-Bio auch Blut, Fleisch und Knochenmehl einsetzen.
Der Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau ist gegen den Einsatz von tierischem Dünger. Er sieht darin eine Gefahr für die Böden, weil diese dadurch mit Antibiotika, resistenten Keimen oder Schwermetallen belastet werden könnten. Deshalb kommt für den noch jungen Verein, bei dem sich Landwirte zertifizieren lassen können, nur rein pflanzlicher Dünger in Form von Kompost infrage.
Biozyklisch-veganer Anbau
Die Richtlinien des biozyklisch-veganen Anbaus haben ihren Ausgangspunkt in den anbautechnischen und sozial-ökologischen Erkenntnissen des Biopioniers Adolf Hoops. Die Vorgaben sind in Bezug auf den Einsatz von Pestiziden und Mineraldüngern mit denen der EU-Öko-Verordnung vergleichbar. Allerdings sind tierische Betriebsmittel sowie die Haltung oder Nutzung von Tieren in dieser Anbauweise verboten. Die Internationale Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen (IFOAM) hat den biozyklisch-veganen Anbau 2017 offiziell anerkannt, wodurch er zu einem weltweit gültigen Biostandard wurde. Betriebe können seitdem nach diesen Richtlinien wirtschaften. Vegane Lebensmittel aus dieser Anbauweise sind durch das Gütesiegel „Biozyklisch-Veganer Anbau“ erkennbar.
Demeter-Gärtner Jakob Mannherz aus Singen (Hohentwiel) praktiziert die biozyklisch-vegane Anbaumethode und hat sich entsprechend zertifizieren lassen. Das Siegel würde er gern neben dem Demeter-Siegel auf seinen Produkten verwenden. Jedoch seien aus Sicht von Demeter die beiden Richtlinien unvereinbar, schreibt er in einem Offenen Brief an die Mitglieder des Demeter-Vorstands, der BioHandel vorliegt. Deshalb sei ihm dieser Wunsch verwehrt worden.
Demeter entgegnet auf Anfrage von BioHandel: „Nicht wir lehnen eine Integration der biozyklisch-veganen Wirtschaftsweise ab. Sondern diese hat sich selbst Regeln gesetzt, im Bewusstsein, dass diese Vorgaben eine gleichzeitige biologisch-dynamische Wirtschaftsweise ausschließen.“ Anders als bei Demeter, wo die Nutztierhaltung als integraler Bestandteil eines geschlossenen Landwirtschaftskreislaufes verstanden wird, verzichtet der biozyklische-vegane Anbau aus Tierschutzgründen darauf, lediglich Nützlinge sind erlaubt.
Mannherz will sich nicht zwischen zwei Siegeln entscheiden müssen und verweist darauf, dass andere Bio-Anbauverbände das Biozyklisch-Vegan-Siegel neben dem Verbandssiegel zulassen. Sein Betrieb arbeite seit jeher ohne eigene Tierhaltung und sei bislang auf die Einfuhr von tierischen Betriebsmitteln angewiesen gewesen. Jetzt habe die Kompostmiete die Aufgabe eines Kuhmagens übernommen: Grünland finde über die Kompostierung des Schnittgutes seinen Weg in die Gemüseproduktion. Stickstoff wird zusätzlich durch den Anbau CO2-bindender Pflanzen in den Boden gebracht. Auch auf diese Weise lasse sich ein geschlossener Hofkreislauf herstellen, argumentiert Mannherz. Von Weidetieren habe er als Gärtner keinen Vorteil.
„Im Gesamtsystem Öko-Landbau bleibt die Tierhaltung unverzichtbar.“
Nach Auskunft von Demeter belegen Studien die „Vorzüglichkeit“ des bio-dynamischen Landbaus in Bezug auf Nachhaltigkeits-, Bodenfruchtbarkeits- und Effizienzparameter: „Grund dafür ist die Tierhaltung und die Art und Weise der Düngeraufbereitung. Deshalb ist bei Demeter aus sehr gutem Grund die Tierhaltung integraler Bestandteil des Anbaukonzepts“, teilt der Verband mit.
Seit 100 Jahren wendeten Demeter-Betriebe erfolgreich die bio-dynamischen Präparate als eine Kulturtechnik an. Da die Präparate auch mit tierischem Mist hergestellt würden, sei eine Wirtschaftsweise ganz ohne Tiere weder gewünscht noch möglich – „wenn auch die Präparate nur in sehr geringen Mengen ausgebracht werden“. Auch bei Naturland heißt es: „Im Gesamtsystem Ökolandbau bleibt die Tierhaltung unverzichtbar.“
Für Mannherz ist diese Methode „wenig nachhaltig“. Er macht eine Rechnung auf, wonach zur Düngung von einem Hektar Kohlarten 140 Kilogramm Stickstoff erforderlich seien. Dazu bräuchte man 1.000 Kilogramm Hornspäne beziehungsweise Hornpellets, rechnet er vor. Bei angenommenen vier Kilogramm Horn pro Tier wären dafür 250 Tiere erforderlich – auf einem 40 Hektar Gemüsebaubetrieb entsprechend 10.000 Kühe oder 16.000 Schafe.
Hornspäne
Hornspäne bestehen aus zerkleinerten Hörnern und Hufen von Schlachttieren. Sie enthalten hauptsächlich Stickstoff und gelten als wichtige Ergänzung vor allem im Gemüseanbau, um den dort sehr ausgeprägten Nährstoffbedarf der Kulturen decken zu können, ohne langfristige Nährstoffungleichgewichte in den Böden zu bewirken.
„Dass hier ein großes Missverhältnis vorhanden ist, beweist der Umstand, dass Horndünger üblicherweise aus dem außereuropäischen Ausland importiert werden“, kritisiert Mannherz. Diese Praxis sei auch Demeter-Richtlinien-konform und werde von vielen Betrieben praktiziert.
Die schnell pflanzenverfügbaren Hornspäne können also auch von Rindern stammen, die auf Flächen einst gerodeter Regenwälder grasen. Das kann auch Demeter nicht ausschließen, denn über die Herkunft der Präparate gibt es bislang keine Nachweise. In der Regel stammen sie Demeter zufolge aus Rinderhaltung in Afrika und Südamerika.
Hornspäne aus zertifizierter Bio-Tierhaltung gibt es laut Demeter nicht. Allerdings habe man „als erster Bioanbauverband Richtlinien beschlossen, solche Düngemittel ab 2028 beziehungsweise 2030 nur noch aus biozertifizierter Herkunft zuzulassen“, teilt der Verband mit. Dann werde die gesamte Lieferkette zertifiziert.
Hornspäne sind ein allgemeines Ökolandbauthema
Demeter sieht die allgemeine Kritik an Hornspänen nicht zuvorderst an die eigene Adresse gerichtet. „Das ist ein allgemeines Ökolandbau-Thema und darin am wenigsten ein Demeter-Thema.“ Bioland-, Naturland- und Biokreis-Betriebe setzen ebenfalls Hornspäne ein und können nicht ausschließen, dass der Dünger aus konventioneller Tierhaltung stammt.
Demeter zufolge spielen Hornspäne für die Mitgliedsbetriebe nur eine untergeordnete Rolle, da hofeigene Wirtschaftsdünger, Kompost und Gründüngung den maßgeblichen Anteil der Düngung bilden müssen. Der Zukauf von organischen Handelsdüngern, zu denen die Hornspäne zählen, sei für Demeter-Betriebe im Vergleich zur EU-Ökoverordnung stark beschränkt.
Naturland vergleicht die Düngung im Gemüseanbau, wo besonders viel Stickstoff in kurzer Zeit benötigt wird, mit einer Pyramide, an deren Spitze organische Handelsdünger stehen. Die Basis und den Mittelteil bilden demnach Zwischenfrüchte und Kleegras sowie Komposte, Gärreste und andere Wirtschaftsdünger.
Forderung nach einem Forschungsprojekt
Für Jakob Mannherz wäre schon viel gewonnen, wenn die eigene Kompostierung als Alternative zur Tierhaltung in die Demeter-Richtlinien aufgenommen würde und die von Rudolf Steiner ersonnenen Präparate eine pflanzliche Basis hätten. Schließlich sei Steiner „entschiedener Vegetarier“ gewesen, schreibt Mannherz in seinem Brief.
In dem Schreiben an die Mitglieder des Demeter-Vorstands bittet er deshalb darum, den Weg freizumachen für ein Forschungsprojekt zum Thema vegetabiler Präparate und damit „eine rein pflanzliche Demeter Strömung innerhalb des Verbands“ zu ermöglichen. In der Vergangenheit habe es bereits Bestrebungen in diese Richtung gegeben, „jedoch bin ich der Meinung, dass in Anbetracht der sozio-ökologischen Transformation der Gesellschaft jedes Thema erneut diskutiert werden kann, darf und auch muss“, schreibt Mannherz.
Mannherz warnt vor einer Zersplitterung innerhalb des Öko-Landbaus
Sollten die Fronten verhärtet bleiben, warnt der Demeter-Gärtner vor einer Zersplitterung innerhalb der ökologischen Landbaubewegung, „die wir uns angesichts der herausfordernden Lage in der Biobranche nicht leisten können.“ Es brauche kreative Offenheit statt Polarisierung und Konkurrenzdenken.
Eine Zersplitterung innerhalb der ökologischen Landbaubewegung fürchtet man bei Demeter nicht: „Es gibt seit Gründung der biologisch-organischen Wirtschaftsweise in den 70er Jahren aus der biodynamischen Bewegung heraus zwei sehr erfolgreiche Systeme, Ökolandbau zu betreiben mit vielfältigem Austausch untereinander. Biozyklisch-vegan ist dabei nochmal eine Sonderform des biologisch-organischen Landbaus“, teilt der Verband mit. Jeder Betrieb sei frei zu entscheiden, nach welchem System er seinen Betrieb bewirtschaften will.
Kommentar: „Bio-Vegan-Plus“ ist die neue Königsdisziplin
Die Bio-Branche hat bekanntlich den Vegan-Trend verschlafen und das Geschäft weitgehend dem LEH überlassen. Sogar bei Aldi gibt es inzwischen eine ansehnliche Range von veganen Alternativen zu tierischen Lebensmitteln. Allerdings stammt die Ware in der Regel aus konventioneller Produktion.
Mit der biozyklisch-veganen Produktionsweise könnte ein neuer Anlauf gestartet werden, um die Zielgruppe der Veganerinnen und Veganer anzusprechen. Denn die vielen Tierfreunde unter ihnen werden erfreut sein, wenn sie hören, dass der gesamte Produktionsprozess ohne Leid der Mitgeschöpfe auskommt. Der Begriff vegan bekäme eine neue Bedeutung und könnte auch bei der Vermarktung von Rohware wie Gemüse den Unterschied machen.
Weil tierstofffreie Erzeugung wohl kaum von konventionellen Betrieben zu erwarten ist, könnte die Branche Veganer für Bio gewinnen. Auch wenn noch Fragen hinsichtlich Bodenqualität und Wirtschaftlichkeit offen sind, sollte die Chance ergriffen werden. „Bio-Vegan-Plus“ ist in Zeiten des Klimawandels die neue Königsdisziplin und ein unschlagbarer USP.
Horst Fiedler
Kommentare
Registrieren oder anmelden, um zu kommentieren.