Comeback nach Maß: Die Regionalmesse BioNord, die erstmals nach zwölf Jahren wieder in Hamburg stattgefunden hat, verzeichnete in diesem Jahr fünf Prozent mehr Ausstellende und 15 Prozent mehr Fachbesucherinnen- und besucher als 2022 in Hannover. Die 2.384 Messegäste konnten sich an insgesamt 295 Ständen über alles rund um das Thema Bio informieren.
Die Atmosphäre in den Gängen war positiv und in den Gesprächen eine leichte Aufbruchsstimmung zu spüren. Wolfram Müller, Veranstalter der BioMessen, sagte: „Die Zeiten für Bio waren in letzter Zeit nicht einfach. Die BioNord hat hier definitiv einen optimistischen Impuls gesetzt.“ Zuvor zeigte bereits die Umsatzkurve der Bio-Einzelhändler nach einer langen Durststrecke im zweiten Quartal wieder leicht nach oben.
Mit dem Umzug in die Hansestadt wollten die Veranstalter eine gleichmäßigere Verteilung der BioMessen auf der Deutschlandkarte sicherstellen. Der neue Standort wurde positiv aufgenommen, wie in etlichen Gesprächen zu vernehmen war. Als Gründe wurden unter anderem die bessere Erreichbarkeit aus dem hohen Norden sowie die Attraktivität Hamburgs als Wochenendziel genannt.
In der Bio- und Fair-Trade-Stadt Hamburg setze man sich für Klima, Böden und Wasser ein sowie dafür, dass gesunde Lebensmittel in den Einkaufskörben landen, sagte Umweltsenator Jens Kerstan. Auf einem Messerundgang besuchte der Grünen-Politiker unter anderem Unternehmen, die zu Hamburg Bio gehören.
Der Verein Hamburg Bio will mehr regionale Bio-Lebensmittel auf die Teller bringen und arbeitet eng mit Verwaltung und Politik der Hansestadt zusammen. „Wir haben uns aktiv dafür engagiert, dass die BioNord nach Hamburg kommt. Das, was wir heute hier gesehen haben, zeigt, dass diese Entscheidung eine gute Wahl war“, sagte Karl-Wolfgang Wilhelm, der wie BioMessen-Veranstalter Matthias Deppe im Vorstand von Hamburg-Biositzt.
Jugend und Einzelhandel – ab aufs Podium!
Wie bereits auf der BioSüd widmete sich die BioMessen-Podiumsdiskussion dem Thema „Bio zwischen Preis und Wert“. Moderator Detlef Harting bemängelte bei seiner Begrüßungsrede, dass offenbar kein Einzelhändler beziehungsweise keine Einzelhändlerin bereit war, auf dem Podium Platz zu nehmen. Auch die nächste Generation („Gerne unter 30!“) wünscht er sich als Teilnehmer, ebenso eine geschlechterparitätische Besetzung. Übersetzt heißt das wohl: Mehr Jugend und Frauenpower sowie aktivere Einzelhändler, um der Branche neue Impulse zu geben.
Die Diskutanten Manuel Rodriguez, stellvertretender Vertriebsleiter
der Upländer Bauernmolkerei, Kerstin Stromberg, Geschäftsführerin
Sodasan und Jan Bolten, Einkaufsleiter bei Grell Naturkost und
Geschäftsführer der Regionalen, förderten einige Probleme zutage. So
werde der Kunde im Bioladen mit Informationen überfrachtet, während ein
günstiger Preis eine Belohnung im Gehirn auslöse.
„Müssen Bio positiv verkaufen!“
Die Preiswirkung auf das Belohnungszentrum im Gehirn thematisierte auch schon Jan Niessen, Professor für Strategische Marktbearbeitung in der Ökobranche an der Technischen Hochschule Nürnberg, auf der BioSüd. Zur Illustration der Verhältnisse aus Sicht mancher Kunden wurde auf der BioNord die Quintessenz einer Glosse bemüht: „Einkaufen im Bioladen ist wie Konfirmationsunterricht. Man fühlt sich ständig ertappt.“
„Bio ist nicht zu teuer, das andere ist zu billig“, stellte Manuel Rodriguez von Upländer fest und forderte zum Handeln auf: „Es nützt nichts, wenn wir tolle Sachen machen, aber nicht darüber kommunizieren!“ Das Teuer-Image werde die Branche trotz Preisannäherung an den konventionellen Handel so schnell nicht los. Es gelte, positive Wörter zu benutzen und auch Positives vorzuleben. Auch für Jan Bolten ist positive Kommunikation wichtig: „Wir müssen Bio positiv an die Generation Z verkaufen!“
Bezüglich des vorbildlichen Verhaltens hatte Bolten Elektro-Autos für den Außendienst, mehr Fahrrad- und Bahnfahrten sowie den Umstieg auf „Bio-Lkw“ ins Gespräch gebracht. Da scheint noch etwas im Argen zu liegen, denn Detlef Harting beklagte, dass viele Besucher der BioNord noch mit dem Auto angereist waren: „Das größte Geschäft der Messe ist der Parkplatz.“
„Wir müssen gemeinsam lauter werden, laut und plakativ!“
„Wir müssen gemeinsam lauter werden, laut und plakativ!“, mahnte
Sodasan-Gründerin Kerstin Stromberg die Branche und forderte dazu auf, politischer zu
werden. „Wir sind die Lösung und kriegen es nicht auf die Straße, das zu
kommunizieren“, kritisierte sie. Bezogen auf das Preisniveau im
Fachhandel verwies sie darauf, dass es bei den
Bio-Lebensmitteln durch Eigenmarken leichter wäre, günstiger anzubieten
als im WPR-Sortiment, wo es nur die Marken und keine
Preiseinstiegsmarken gebe. „Ein unteilbarer Qualitätsbegriff ist uns
wichtig“, stellte sie klar. „Wir können nicht billiger.“ Ausschlaggebend
für das Preisniveau ist das Sortiment aber wohl nicht, denn der
Umsatzanteil von WPR im Fachhandel liegt laut Stromberg nur bei 0,5 bis
0,8 Prozent, während er im LEH drei bis vier Prozent betrage.
Ökologische Drogeriemärkte fehlten.
Rodriguez hob hervor, dass die Upländer Bauernmolkerei die einzige 100 Prozent konzernfreie Bio-Molkerei sei, sich zu 100 Prozent in Bauernhand befinde und fast zu 100 Prozent Weidemilch produziere. „Warum wird das nicht kommuniziert?“, beklagte er sich mit Blick auf den Handel. Dass die Milch auch bei Aldi angeboten wird, allerdings nicht unter der Marke, begründete er mit Vermarktungsproblemen. „Eine gute Frischmilch können wir nicht an Milchpulverproduzenten verkaufen.“ Der niedrige Preis bei Aldi sei nicht durch die Molkerei verursacht, stellte er klar.
Preise und Rabatte in der Werbung zu verbieten, damit sich Kunden stärker nach der Qualität der Produkte entscheiden müssten, war ein Lösungsvorschlag, der aber schnell als utopisch eingestuft wurde. „Wahre Preise“ zu kommunizieren und die Aufschläge transparent zu machen, waren weitere Vorschläge. Eine schnell zum Erfolg führende Lösung wurde nicht gefunden. So bleibt das Schild „teuer“ vorerst weiter über den Bioläden hängen.
Wenige Fleischanbieter, viel vegane Kost
Fachbesucherinnen und -besucher, die auf der Messe nach veganen
Produkten Ausschau hielten, fanden davon eine Menge. Die Bohlsener Mühle
präsentierte vegane Trockenmischungen zum Anrühren, darunter
Grüne-Erbsen-Sticks und Linsen-Balls, die an das Veggie-Mix-Prinzip von
Bauckhof erinnern.
Bauckhof selbst ergänzt die Serie zum Veganuary 2024 um Süßkartoffel-Falafel und
Hafer-Barbecue-Burger. Dazu gibt es ein passendes Display mit der Aufschrift „Dein Veggie-Date“ und hölzerne Pfannenwender als Gratis-Zugabe an. Zudem bekommen die Veggie-Mix-Produkte einen
Verpackungs-Relaunch: aus den Tütchen werden zu Jahresbeginn auf Wunsch von
Einzelhändlern stabile Kartons, die sich besser im Regal
machen, erläuterte Daniel Bieling, zuständig für Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit.
Stefan Mutter, Geschäftsführer der Freilandputen Fahrenzhausen GmbH, fühlte sich auf der BioNord fast schon als Exot. „Es sind kaum Fleischanbieter auf der Messe vertreten“, sagte er sichtlich erstaunt im Gespräch mit BioHandel. Doch ein Ende von Fleischwaren im Fachhandel ist offenbar nicht zu befürchten, denn an seinem Stand hätten Kunden erleichtert bekundet: „Endlich mal jemand, der Fleisch anbietet.“
Dennoch befindet sich die Geflügelzucht derzeit in schwierigem Fahrwasser. Hauptkostentreiber sei das Futter. Ab Juli 2024 komme noch die Maut für Transporter und leichte Lkw ab 3,5 Tonnen hinzu. Stefan Mutter rechne mit elf Prozent Kostensteigerung in diesem Bereich, die er aber nicht an den Handel weitergeben wolle, weil sich die Preise für Hähnchenfleisch bereits jetzt an der obersten Grenze befänden.
Streichwurst aus Grillen und Tee-Tabletten
„Wie Pfälzer Leberwurst“ soll die Streichwurst aus Grillen schmecken,
die das Start-up Entosus neben Chili con Grilli, gerösteten und
gesalzenen Grillen zum Snacken und Grillen-Hack-Granulat auf der Messe
vorstellte. „Die Zucht von Insekten ist um ein Vielfaches nachhaltiger
als die konventionelle Fleischproduktion“, argumentiert das Unternehmen.
„Verglichen mit der Rinderzucht wird deutlich weniger Landfläche,
zwölfmal weniger Futter und 15.000-mal weniger Wasser benötigt, außerdem
werden nur ein Prozent der Treibhausgase verursacht“, heißt es in einem
Flyer von Entosus. Für den geschäftsführenden Gesellschafter Florian
Berendt „ein Lebensmittel der Zukunft“.
Teablobs bietet Tee in gemahlener und gepresster Form an. Das Ergebnis erinnert an Brausetabletten – jedoch lösen sich die Teablobs nur in heißem Wasser auf und sprudeln nicht. „Wir machen die Teezubereitung schnell, nachhaltig und ohne Beutel möglich“, sagte Sebastian Kadhim, dem die Idee dafür beim Fasten kam. „Ich hatte auf Kaffee verzichtet und stattdessen viel grünen Tee getrunken. Zu Hause nahm ich losen Tee, im Büro griff ich zwischen den Meetings auf Teebeutel zurück.“ Um Teebeutel zu sparen, brachten er und Mitgründer Kai Stork Tee in Tablettenform.
Hersteller sind für fast alle Vertriebswege offen
Sowohl Start-ups als auch etablierte Unternehmen zeigten sich auf Nachfrage offen für alle Vertriebskanäle. Viele wollten zweigleisig fahren und ihre Produkte sowohl im Fachhandel als auch in Supermärkten wie Edeka, Tegut oder Rewe platzieren. Mit Discountern tut sich die Mehrheit noch schwer.
Im Gespräch mit BioHandel äußerte keines der Unternehmen den Wunsch nach einer Listung bei Aldi, Lidl und Co. Die immer seltener werdende Fachhandelstreue hielten unter anderem der Gewürzhersteller Biolotta und Bio-Pionier Spielberger Mühle hoch. Mit entsprechenden Slogans auf ihren Messewänden bekannten sich beide Unternehmen weiterhin zum Fachhandel.
BioMessen 2024
Die BioMessen-Termine für 2024 stehen bereits fest:
- Den Auftakt macht
die BioWest in Düsseldorf am 7. April.
- Es folgt die BioOst in
Leipzig am 21. April.
- Die BioSüd findet am 29. September in Augsburg
statt.
- Termin für die BioNord ist der 13. Oktober in Hamburg.
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