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Bundeskartellamt schaltet sich in Streit um NAPF-Kisten ein

Branche Februar 2000 Bundeskartellamt schaltet sich in Streit um NAPF-Kisten ein Für erheblichen Ärger hat die Entscheidung der Naturkost-Großhändler gesorgt, das Pfand für die NAPF-Kisten zu senken. In den Streit hat sich auch das Bundeskartellamt eingeschaltet. Es prüft, ob wettbewerbswidrige Absprachen getroffen und die Erzeugerunbillig behindert wurden. Die Großhändler Dennree und Naturkost Nord wurden von der Behörde aufgefordert, zu den Vorwürfen Stellung
  • Branche Februar 2000

Bundeskartellamt schaltet sich in Streit um NAPF-Kisten ein

Für erheblichen Ärger hat die Entscheidung der Naturkost-Großhändler gesorgt, das Pfand für die NAPF-Kisten zu senken. In den Streit hat sich auch das Bundeskartellamt eingeschaltet. Es prüft, ob wettbewerbswidrige Absprachen getroffen und die Erzeugerunbillig behindert wurden. Die Großhändler Dennree und Naturkost Nord wurden von der Behörde aufgefordert, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. In diesem Zusammenhang ist die Debatte über Stärken und Schwächen des NAPF-Systems neu entbrannt.

Peter Gutting

Stein des Anstoßes ist eine gemeinsame Entscheidung von Dennree und fast allen regionalen Großhändlern, am 4. Oktober vergangenen Jahres die Pfandwerte um zwei Mark auf drei beziehungsweise fünf Mark (je nach Kistengröße) abzusenken. Somit wurden zu diesem Stichtag Werte in mindestens sechsstelliger Höhe vernichtet. Denn es sind schätzungsweise mehrere Hunderttausend Kisten im Umlauf. Möglicherweise auch eine Million, die genaue Summe kennt niemand. Betroffen von der Wertvernichtung waren alle, die zum Stichtag Kisten auf Lager hatten, also vor allem Erzeuger und Großhändler.

Es sind mehrere Faktoren, die die Erzeuger erbost haben, vor allem aber war es das Vorgehen. Die Veränderung sei von den Großhändler einseitig verfügt worden, berichtet Robert Jarowoy von der Stadt-Land-Genossenschaft für ökologische Produkte in Hamburg. Man habe die Anbauverbände weder informiert noch zu dem gemeinsamen Treffen eingeladen. Darüber hinaus wird von einem Geheimhaltungsbeschluss berichtet. Dadurch hätten die Großhändler zwei bis drei Wochen Zeit gehabt, sich auf die Situation einzustellen. Die Erzeuger dagegen seien überrascht worden. Die Folge, so Jarowoy: Man habe den Nichtinformierten die Kisten aufgedrückt.

Zu letzteren gehört auch die Stadt-Land-Genossenschaft. Sie ist ein Zusammenschluss von 25 Erzeugern und 50 Naturkostläden, die auch als regionaler Großhändler agiert, aber zu dem Treffen der 23 Großhandelsbetriebe nicht eingeladen war.Wir konnten tagelang keine Kisten zurückgeben und hatten dann die ganze Halle voll, berichtet Jarowoy. Durch denenormen Bestand betrug der Wertverlust zum Stichtag rund 10.000 Mark.

Jede Menge ungeklärter juristischer Fragen

Verschärft wurde die Lage aus Sicht der Genossenschaft durch eine vertrauliche Information. Danach habe Marktführer Dennree beabsichtigt, das Pfand in kurzer Zeit um weitere zwei Mark abzusenken und außerdem auf ein anderes System wie Euro Pool umzusteigen. Im Auftrag der Höfe wandte sich Jarowoy an einen befreundeten Rechtsanwalt. Der sollte klären, ob und wie man sich gegen die einseitige Aktion wehren könne.

Zwar ist die Genossenschaft der Ansicht, dass ein über viele Jahre gültiger Pfandwert wie ein mündlicher Vertrag anzusehen ist, der nicht einfach von einer Seite per Dekret gebrochen werden kann. Doch erhielt man die Antwort, dass es nicht einfach werde, diese Auffassung juristisch durchzusetzen. Denn das NAPF-System werfe viele schwierige rechtliche Fragen auf. Grundsätzlich könnten die Erzeuger durchaus gezwungen werden, die NAPF-Kisten zurückzunehmen. In dieser Situation rief Jarowoy schließlich beim Bundeskartellamt an. Nachdem man die Lage geschildert habe, sei die Behörde von sich aus tätig geworden.

Aus Sicht des Großhandels gab es jedoch keine andere Möglichkeit, auf die wachsende Zahl der NAPF-Kisten zu reagieren. Trotz der hohen Bestände würden immer neue Kisten in Umlauf gebracht, heißt es in den Schreiben von Dennree und anderen Großhändlern, mit dem sie ihren Beschluss begründeten. Wegen der Kapitalbindung ist es für den Großhandel aber von Nachteil, wenn er ganze Hallen mit NAPF-Kisten füllen muss.

Der Anreiz, neue Kisten zu kaufen, resultiert aus dem bisherigen System. Da der Pfandwert in etwa dem Neupreis entsprach, hat der Käufer keinen finanziellen Nachteil. Darüber hinaus sind neue Kisten garantiert sauber und in gutem Zustand. Vor allem für große Erzeuger beziehungsweise Erzeugergemeinschaften war der Kauf deshalb die attraktivere Variante.

An dieser Stelle setzt der Preishebel an. Durch die Pfandsenkung macht jeder, der in neues Material investiert, zwei Mark Verlust. Denn er bekommt weniger Pfand als er für die Kiste bezahlt hat.

Die Wirkungen bleiben nicht aus. Dennree beispielsweise registriert, dass das Instrument greift und weniger neue Kisten in Umlauf kommen. Allerdings, so Richard Sieder, sei man noch nicht an dem Punkt, wo man sagen könne: Damit kommen wir zurecht. Dennoch sei keine weitere Pfandsenkung geplant. Es handele sich bei diesem Gerücht um eine reine Unterstellung. Sie sei ebenso falsch wie die Vermutung, Dennree werde zu einem bereits feststehenden Zeitpunkt auf ein anderes System umsteigen. Es ist nichts entschieden, stellt Sieder klar. Insgesamt hält das Unternehmen die Behauptungen in dem Schreiben des Kartellamtes für größtenteils nicht richtig. Deshalb will man versuchen, die Behörde mit einer Darstellung des wahren Sachverhalts zu überzeugen.

Transport und Reinigung spiegeln sich nicht in Kosten wider

Dieselbe Strategie verfolgt Matthias Deppe von Naturkost Nord. Ihn schrieb das Kartellamt ebenfalls an, weil der Name des Hamburger Großhändlers in dem Briefkopf stand, der der Behörde als Dokument für die (ziemlich gleich lautende) Mitteilung der Großhändler an die Lieferanten vorgelegt wurde. Deppe kann die Aufregung der Erzeuger zwar nachvollziehen, hält sie aber für sachlich nicht gerechtfertigt. Grundsätzlich sei die Verpackung Sache des Lieferanten, man werde es sonst nirgendwo finden, dass der Händler mit für die Verpackung sorge. Außerdem bringe der Großhandel Leistungen, die sich nicht - wie bei anderen Modellen (wie etwa Euro Pool) - in den Kosten des Systems wiederspiegeln. Zum Beispiel übernehme der Händler in vielen Fällen den Transport. Insgesamt müsse man auch sehen, dass die NAPF-Kiste für den Erzeuger in der Vergangenheit das billigste System gewesen sei, rechnet Deppe vor: Eine Fünf-Mark-Kiste koste bei 24 Umläufen etwas mehr als 20 Pfennig pro Verpackungsvorgang, das seien etwa zwei Pfennig pro Kilo Möhren.

Dies schlägt sich nach Ansicht des Naturkost Nord-Geschäftsführers auch betriebswirtschaftlich nieder. Wer eine Kiste kaufe, könne theoretisch bei jedem Umlauf eine Abschreibung vornehmen. Und zwar unabhängig davon, ob es sich um dieselbe Kiste handelt. Nur werde dies von den meisten Erzeugern nicht gemacht.

Unabhängig davon hätten die Erzeuger, die mit Dennree oder Naturkost Nord zusammenarbeiten, keinen einseitigen Verlust gemacht, betonen Matthias Deppe und Richard Sieder.Wir sind mit unseren Lieferanten zu einer finanziell verträglichen Einigung gekommen, berichtet Sieder. Dennree hat teilweise den Wertverlust übernommen und sich in keinster Weise bereichert.

Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung

Harsche Kritik übt Bioland-Gärtner Erhard Schwalm an der Strategie von Dennree. Das einseitige Vorgehen habe nur damit etwas zu tun, dass die Firma ihre Logistik nicht im Griff hat. Die Behauptung, es seien zu viele Kisten im Umlauf, hält Schwalm für falsch. Bei seinem Großhändler Phönix gebe es beispielsweise nachweislich zu wenig Kisten. Und Mir ist im Sommer Blumenkohl verreckt, weil wir keine Kisten hatten. Rein rechtlich, so Schwalm, sei Dennree nicht befugt, einseitig das Pfand herabzusetzen. Hier gehe es um das Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung. Abgesehen davon bekomme man nur dann Probleme mit der Logistik, wenn man keine langfristigen Kooperationen mit den Erzeugern aufbaue. Schwalm: Die Probleme des Großhändlers spiegeln die Beziehungen zu den Lieferanten wider.

Und wie geht es weiter? Einen Vorstoß hat die Anog unternommen. Sie fordert ihre Mitglieder auf, ihre Meinung über die unbefriedigende Situation mitzuteilen und sich Gedanken über Alternativen zu machen. Vielleicht kann man die NAPF-Kiste verbessern, regt Geschäftsführer Michael Morawitz an. Logistisch liege bei dem System einiges im Argen. Deshalb müsse jemand da sein, der im Sinne des Pool-Gedankens das Management für das System übernimmt. Auch für die Großhändler sind Pool-Systeme attraktiver. Sie denken dabei allerdings eher an bestehende Modelle.


Geburtsfehler eines anarchistischen Systems

Aufgrund der aktuellen Turbulenzen werden auch eine Reihe von Geburtsfehlern diskutiert, die dem anarchistischen System (Deppe) von Beginn an anhaften. So hängt die Reinigung der Kisten vom jeweiligen Erzeuger ab, der dazu nicht verpflichtet ist, was Probleme mit dem Hygienemanagement nach HACCP mit sich bringen kann. Außerdem ist die Eigentumsfrage ungeklärt, niemand hat die Hoheit über das System. Und im Grunde muss sich keiner für die Entsorgung von kaputten Kisten verantwortlich fühlen. All dies ist bei einem Pool-System anders. Hier gehören die Kisten dem Pool-Betreiber. Er ist für Beschaffung, Reinigung und Entsorgung zuständig. Für diese Dienstleistung zahlt der Landwirt einen Betrag von 50 bis 70 Pfennig pro Füllung.

Bereits vor drei Jahren wurden die Schwierigkeiten schon einmal gemeinsam zwischen Großhändlern, Anbauverbänden und BNN diskutiert. Für die Umstellung auf ein Pool-System fehlte allerdings ein Betreiber, der die Vorleistungen hätte finanzieren können. Die Debatte verlief ergebnislos. Schon damals, so Matthias Deppe, sei klar gewesen, dass es irgendwann zu einer großen Kapitalvernichtung kommen müsse, wenn alles so weiterlaufe.

Andererseits hat die NAPF-Kiste allein schon wegen ihrer grünen Farbe ein positives Image. Vor allem in geschlossenen Kreisläufen wie zum Beispiel beim Lieferservice hat sie sich gut bewährt. Auch im regionalen Großhandel lassen sich in der Regel Lösungen finden, die Leertransporte in Grenzen halten. Schwieriger wird es bei einem nationalen Einzugsgebiet. Meist sind die Kisten nicht da, wo man sie gerade braucht, bestätigt Richard Sieder von Dennree.

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